Portrait - Peter Eich
Der Daniel Düsentrieb des Fahrradtourismus
Für viele Menschen ist die Gründung eines Unternehmens ein besonderer Schritt im Leben. Auch für Peter Eich ist der Start eines neuen Unternehmens immer noch ein besonderer Moment. Doch nach inzwischen acht Unternehmungen, die von Eich ins Leben gerufen wurden, hat sich bereits eine gewisse Übung beim Gründen eingestellt. Fast allen Unternehmen gemeinsamen ist dabei, dass sie mal mehr, mal weniger mit dem Fahrradtourismus zu tun haben.
Zu den bekannteren Namen in der Gründer-Vita des Wahl-Konstanzers zählt die Radweg-Reisen GmbH, die 2001 unter dem Namen Bodensee-Radweg Service gestartet wurde und nach eigenen Angaben der größte Veranstalter von Radreisen in Deutschland ist. Der mit einer Auflage von über 100.000 Exemplaren verteilte eigene Katalog enthält rund 450 Radreisen in über 40 Urlaubsregionen. Auch wer als Kunde etwa eine Radreise aus den Urlaubsangeboten von Tchibo bucht, landet bei dem Radreiseanbieter vom Bodensee.
Kaum weniger bekannt in Radfahrerkreisen ist auch das Online-Portal bikemap.net, mit dem Peter Eich zusammen mit seinem Wiener Partner Helge Fahrnberger einige Pionier-Taten beim Austausch von Tour- und GPS-Daten geleistet hat. Die gemeinsam gegründete Toursprung GmbH ist inzwischen nicht nur Anbieter millionenfach besuchter Portale wie bikemap, runmap und wandermap, sondern mit dem Produkt Maptoolkit auch ein gefragter Partner in der Tourismusbranche, wenn es um die Darstellung von Kartenmaterial auf Webseiten geht. Wer etwa bei Tiscover, dem führenden Buchungsportal für den Alpenraum, eine Unterkunft über die Kartenansicht bucht, tut dies mit der Technik von Toursprung. Weitere Kunden auf der Referenzliste sind unter anderem die nationalen Tourismus-Marketingorganisationen von Deutschland und Österreich sowie der Motorpresse-Verlag.
Aus Versehen im Fahrradtourismus gelandet
Der Weg zu einem Big Player im Fahrradtourismus war für Peter Eich keineswegs vorgezeichnet. »Ich bin da vielmehr aus Versehen rein gestolpert«, erzählt er im Gespräch mit velobiz.de. Als Student der Mathematik und Philosophie hatte sich Mensa-Club-Mitglied Eich eigentlich eine akademische Zukunft an der Universität als Philosoph ausgemalt. Doch schon bald stellte der junge Student fest, dass das »moralische Gehabe« in diesem beruflichen Umfeld kaum seinen Neigungen entspricht. Diese Erkenntnis war wohl nicht ganz unbeteiligt daran, dass Eich für ein Jahr zum Studieren ins kanadische Toronto auswanderte. Die große Weite dieses Landes und die unzähligen Möglichkeiten, die grandiose Natur zu erleben, setzten bei dem Studenten einen Umdenk-Prozess in Gang. Und als Peter Eich dann zum Ende seines Auslandjahres ein Fahrrad kaufte, um Kanada von West nach Ost zu durchqueren, markierte dies den Anfang vom Ende der akademischen Laufbahn. Eich flog nach Vancouver, kaufte dort einen Outdoor-Shop nahezu leer und schwang sich in den Sattel. 53 Tage später war Eich nicht nur am anderen Ende von Kanada angekommen, sondern auch unheilbar mit dem Radreise-Virus infiziert. Das einzige, was ihn auf seiner Tour geärgert hatte, war, dass er Speichenbrüche und andere Defekte an seinem Rad mangels technischer Übung nicht oder nur unzureichend selbst beheben konnte.
Zurück in der Heimat stand deshalb der Entschluss fest, neben dem Studium auch noch Fahrradmechanik zu lernen. Trotz nicht vorhandener Kenntnisse als Fahrradmechaniker ergatterte Eich in den Semesterferien beim Karlsruher VSF-Händler Rad&Tat eine Stelle als Aushilfskraft in der Werkstatt. »Meine Idee war: Bis die rausfinden, dass ich gar keine Fahrräder reparieren kann, habe ich das längst gelernt.« Der etwas verwegene Plan hat funktioniert: »Seitdem kann ich alles am Fahrrad«, so Eich.
Peter Eich war nun Radreisender und Fahrradmechaniker, der 1996 zunächst jedoch wieder nach Konstanz zog, um dort sein Studium zu Ende zu bringen. Um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, heuerte er zudem beim ortsansässigen Unternehmen Velotours an, dem damals marktführenden Anbieter von organisierten Radreisen in Deutschland, wo er als Leiter der Werkstatt seine neu gewonnenen Fertigkeiten anwenden konnte. Bald darauf leitete Eich auch die ersten Radreisen für Kögel Busreisen auf Zypern und am Jakobsweg – und stellte fest, dass die Arbeit im Fahrradsattel ihm deutlich mehr Spaß bereitet als das Studium an der Universität.
Zur selben Zeit war Eich bereits im baden-württembergischen Landesverband des ADFC gut vernetzt, in dem er zudem schon länger in verschiedenen Ämtern ehrenamtlich tätig war, unter anderem als Delegierter im Bundesfachausschuss für Tourismus. 1998 kam in den Reihen des Landesverbands die Idee auf, für die eigenen Mitglieder ein Radreiseprogramm aufzubauen. Das war der Wendepunkt, an dem aus dem Studentenjob eine Gründergeschichte wurde: Als im Umfeld des ADFC ein Mann gesucht wurde, der diese Idee umsetzen könnte, hob Peter Eich als erster den Finger. Zusammen mit Kompagnon Klaus Schenk, mit dem Eich bereits zuvor als Reiseleiter zusammengearbeitet hatte, wurde nicht einfach nur ein Angebot für die ADFC-Mitglieder entwickelt, sondern obendrein ein innovatives Radreisekonzept, das inzwischen von zahlreichen Kreuzfahrt-Anbietern nachgeahmt wird: Das von den beiden erdachte Konzept nannte sich Inselhüpfen, bei dem eine Reisegruppe mit dem Motorsegler an der kroatischen Küste von Insel zu Insel schipperte, um diese dann jeweils per Fahrrad zu erkunden. Eine Idee, die wenig später zur Gründung von Inselhüpfen, Eichs erstem Unternehmen, führte.
Vom Jungunternehmer zum Seriengründer
Einer der ersten Vertriebspartner für Inselhüpfen neben dem ADFC war Velotours, jenem Unternehmen, wo Eich zuvor schon in der Werkstatt gearbeitet hatte. Zur Jahrtausendwende geriet der Radreisevermarkter jedoch in eine finanzielle Schieflage und wurde vom Mitbewerber Austria Radreisen übernommen. Zwar hatte Eich keine Ambitionen das zahlungsunfähige Unternehmen selbst zu übernehmen. Allerdings erkannte er die Chance, einige Mitarbeiter und auch einen Teil der Kunden von Velotours für sich zu gewinnen. Das führte 2001 zur Gründung Eichs zweiter Firma, der Bodensee-Radweg Service GmbH, die mit zwei ehemaligen Mitarbeitern von Velotours startete und später in Radweg-Reisen GmbH umbenannt wurde.
Was Eich hingegen nicht übernahm, waren einige der Vertriebsstrategien, die nach seiner Ansicht mit zu den Problemen des Unternehmens geführt hatten. Wie etwa die Velotours-Politik, mit den Reiseunterlagen besonders restriktiv umzugehen, sodass die Kunden nicht auf die Idee kämen, eine gebuchte Reise wieder zu stornieren, um eine Tour mit dem schon ausgehändigten Kartenmaterial auf eigene Faust anzugehen. Dieses Misstrauen dem Kunden gegenüber fühlte sich für Eich »grundlegend falsch« an. »Mein Ansatz war nicht in Produkten zu denken, sondern die Bedürfnisse der Gäste in den Vordergrund zu stellen und meine Firma so aufzubauen, dass sie im Zugzwang steht, immer auf diese Bedürfnisse zu reagieren.«
Das entsprechende Betätigungsfeld, um diese Strategie in die Tat umzusetzen, lag mit dem Bodensee vor der Haustür: Nur 5 % der Radurlauber am Bodensee nutzen für ihre Tour ein Pauschalangebot. Die restlichen 95 % sind Individualurlauber, die ihre Tour und die entsprechenden Unterkünfte selbst organisieren. Gemäß der Strategie, die Bedürfnisse der Zielgruppe zu bedienen, startete Eich die Webseite bodensee-radweg.com, die als eines der ersten Internet-Angebote überhaupt zahlreiche Informationen zu dieser beliebten Radreiseregion lieferte – egal ob der Nutzer eine Pauschalreise bucht oder auf eigene Faust unterwegs ist. »Damit entstand für uns der Zwang, unser Produkt so überzeugend darzustellen, dass er es trotzdem kauft.« Die wagemutige Idee wurde mit einem starken Zulauf der Pauschalurlauber belohnt. Bald folgten ähnliche Online-Angebote, etwa für die Radwege an Donau, Mosel, Altmühl, Neckar, Main und einige andere. »Wenn du heute irgendeinen der 40 Top-Radwege in Deutschland googlest, findest du unsere Angebote ganz oben«, so Eich, der nicht ohne Stolz ergänzt: »Seit 2007 ist die Radweg-Reisen GmbH mit Abstand der größte Anbieter von Radreisen in Deutschland.«
Den Long Tail am Haken
Eine Analyse der Kundenbedürfnisse war auch für die nächste Gründung der Auslöser. Und ein wenig Mathematik: Rund 1,5 Millionen Radurlauber werden jährlich bundesweit an den Top-40-Routen gezählt, insgesamt verbringen aber laut Umfragen rund 4,5 Millionen Menschen in Deutschland ihren Urlaub im Fahrradsattel. Das heißt, dass rund zwei Drittel der Radurlauber nicht auf den Top-40-Radwegen unterwegs sind. »Im Neusprech würde man sagen: Die Top-40-Radwege sind der Bestseller-Bereich und die drei Millionen sonstigen Radreisenden sind der Long Tail. Und an den wollte ich irgendwie herankommen.« Für die Kleinstradwege, die von dieser Zielgruppe genutzt werden, hätte sich ein suchmaschinenoptimiertes, redaktionell gepflegtes Online-Angebot nicht gerechnet. Die Alternative war ein Online-Angebot, bei dem die User selbst den Inhalt generieren. Das war die Geburtsstunde von Bikemap.net, das schon bald nach dem Launch zum weltweit meist genutzten Radrouten-Portal avancierte.
Was ursprünglich nur als Marketing-Werkzeug zum Verkauf von Pauschal-Radreisen gedacht war, entwickelte sich dadurch schnell zum eigenständigen Geschäftsmodell: Zusammen mit dem Wiener Social-Web-Experten Fahrnberger, der bikemap.net maßgeblich mitentwickelt hat, gründete Eich die Toursprung GmbH. Aktuell sind auf bikemap.net die Daten zu weltweit über zwei Millionen Radrouten gespeichert, die im Monat im Schnitt 15 Millionen Seitenaufrufe erfahren. In Europa ist bikemap.net, das in 22 Sprachen erscheint, damit hinter mtb-news.de das zweitgrößte Online-Angebot zum Thema Fahrrad.
Doch der Start von bikemap.net verlief nicht völlig reibungslos. Im Gegenteil: Der schnelle Zuwachs der Nutzerzahlen brachte die anfangs verwendete Schnittstelle zu Google Maps rasch an ihre Leistungsgrenzen. bikemap.net hatte ein kartografisches Problem, das gelöst werden musste. Die junge Firma stellte deshalb einen weiteren Programmierer ein, um eine eigene Technologie zur Darstellung von Karten zu entwickeln. Die funktionierte so gut, dass schon bald andere Nutzer von Google-Maps, wie Verlage und Tourismus-Organisationen, anriefen, die ähnliche Probleme hatten und ebenfalls die Lösung von bikemap.net nutzen wollten. Daraus entstand das Produkt Maptoolkit, das inzwischen eines der führenden Werkzeuge ist, um Karten online optisch ansprechend und für hohe Nutzerzahlen darstellen zu können.
Vor dem Hintergrund des großen kommerziellen Erfolgs mit dem Maptoolkit geriet das ursprüngliche Produkt bikemap.net bei den Toursprung-Machern ein wenig in Vergessenheit. Die Seite wuchs zwar von Jahr zu Jahr, zum wirtschaftlichen Mittelpunkt des Unternehmens war jedoch die Vermarktung der eigenen Kartografie-Lösungen geworden. Spätestens seitdem sich die Vermarktung von Werbung auf bikemap.net zu einer wahrnehmbaren Umsatzgröße entwickelt hat, verschiebt sich jedoch der Fokus wieder ein wenig. Dazu kommen noch Apps, mit denen man bei Toursprung gegenwärtig das größte Wachstumspotenzial sieht. Eine eigene Bikemap-App, die bereits mehrere hunderttausend Mal installiert wurde, war dabei ein Versuchsballon für einen jüngst erschienenen modularen Baukasten, mit dem Touristiker eigene Apps für das Fahrradrouting gestalten können.
Nimmermüder Gründer
Auf ähnliche Art, nämlich dass Probleme erkannt und aus deren Lösung erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen abgeleitet werden, sind seit der Radreise in Kanada noch einige weitere Firmen unter der Ägide des Wahl-Konstanzers entstanden. Bei den meisten von ihm (mit-)gegründeten Unternehmen ist Eich inzwischen entweder wieder ausgestiegen oder hat eine Rolle im Hintergrund angenommen. Seine Anteile bei Inselhüpfen hat er vor einigen Jahren schon an den ehemaligen Gründungspartner Klaus Schenk verkauft. Bei anderen Unternehmen ist Eich zwar noch Gesellschafter, hat aber die Geschäftsführung in andere Hände gelegt. »Ich habe Unternehmen und Projekte immer extrem gerne aufgebaut. Sobald diese aber funktionierten, fingen Sie an, mich zu langweilen«, erklärt der Tourismus-Tausendsassa rückblickend. Seine Aufgabe sieht er inzwischen vor allem darin, neue Ideen zum Laufen zu bringen. Das Tagesgeschäft überlässt er dann gerne anderen.
Ein Mensch, der so tickt wie Peter Eich, hat naturgemäß immer deutlich mehr Ideen im Kopf, als sich tatsächlich auch realisieren lassen. Da fällt mitunter die Wahl schwer, welche Idee es wert ist, weiterverfolgt zu werden. Ein relativ sicherer Auslöser ist dabei: »Wenn mir jemand sagt, das schaffst du nicht, dann mache ich es garantiert«, erzählt Eich. Zudem fällt es ihm inzwischen leicht, ein neues Unternehmen zu gründen, wo andere vielleicht erst ihren Mut sammeln müssen: »Das hat viel damit zu tun, dass ich Dinge gerne mache, wenn ich mich mit dem Ziel identifizieren kann. Den Weg dahin sehe ich dabei gar nicht. Wenn ich das Ziel für mich visualisieren kann, dann ist mir völlig egal, wie anstrengend die ersten Wochen sind.«
Das Ziel, das Peter Eich gegenwärtig vor Augen hat, ist, mehr Menschen für eine Radreise zu gewinnen. Hintergrund: Das erfolgreiche Geschäftsmodell von Radweg-Reisen kommt allmählich an seine Wachstumsgrenzen. Zwar wächst die Zahl der Kunden jedes Jahr im zweistelligen Prozentbereich, doch diese Zuwächse werden nicht etwa dadurch generiert, dass die Zahl der Radurlauber insgesamt wächst. »Wir nehmen vor allem unseren Mitbewerbern Kunden weg. Und das kann nicht mehr lange gut gehen. Zudem wollen wir das auch gar nicht.« Was die gesamte Radreisebranche deshalb brauche, sei ein größerer Markt, wie Eich erklärt.
Seit rund einem Jahr arbeiten deshalb die kreativen Köpfe in Eichs Umfeld an der Frage, wie mehr Menschen im Urlaub in den Fahrradsattel gehoben werden können. »Die Menschen, die vielleicht schon mal mit dem Gedanken gespielt haben, eine Radreise zu unternehmen, wollen wir inspirieren, dies zu tun.« Der Weg dahin soll unter anderem über das neue Internet-Portal radreise.de führen, auf dem Menschen ihre persönlichen Radreise-Berichte online stellen können. »Meine Idee ist, eine Webseite zu haben, die die ultimative Inspirationsquelle für Radreisen ist«, beschreibt Eich seine Vision. »Damit habe ich noch ganz viel vor.« Ausnahmsweise sei an dieser Stelle mal eine abgedroschene Phrase erlaubt: Man darf gespannt sein, was Eich hier gerade wieder ausheckt.
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