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Auch bei All Mounains in Wiesbaden ist man sehr zufrieden mit dem E-Mountainbike-Geschäft.
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Markt - E-Mountainbikes

Elektrisiert in die Berge

Das E-Bike als reines Seniorenprodukt? Die Zeiten sind schon lange vorbei. Dafür sorgte insbesondere das E-Mountainbike, das dem Elektroantrieb am Fahrrad neue Zielgruppen eröffnete. Auch der Fach­handel zeigt sich elektrisiert.

Die Verkaufszahlen sehen gut aus. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) hat in seiner Marktstatistik für 2016 erstmals E-Bikes nach Modellgruppen aufgeschlüsselt. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 605.000 E-Bikes verkauft, 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon waren bereits 15 Prozent E-Mountainbikes, also etwa 90.000. Ein Vergleichswert zum Vorjahr existiert zwar nicht, die Vermutung liegt jedoch nahe, dass die Zahl deutlich angestiegen ist. »Die Zielgruppen werden jünger und sportlicher und gerade das E-Mountainbike erfreut sich immer größerer Beliebtheit«, stellt der ZIV fest.
So haben auch die Publikumsmedien den Trend E-Mountainbike längst aufgegriffen: Die »Bike Bild« testet in ihrer jüngst wiederum mit hoher Auflage erschienenen zweiten Ausgabe insgesamt zwölf E-Mountainbikes. »Elektro-Mountainbikes liegen voll im Trend und setzen den Fahrradhandel unter Hochspannung«, postuliert die Zeitschrift. »Der E-Antrieb im Mountainbike erobert nicht nur völlig neue Käuferschichten, sondern holt gereifte Sportler zurück in den Sattel und begeistert zunehmend auch junge MTB-Fans«, heißt es in dem Springer-Medium, das nun vierteljährlich erscheinen soll.

E-Mountainbikes sind am beliebtesten

Eine Umfrage von fahrrad.de gemeinsam mit dem Online-Magazin »Pedelecs & E-Bikes« ergab im vergan­genen Jahr auf die Frage nach dem gewünschten E-Bike-Typ, dass 27,7 ­Prozent der rund 1.000 Befragten ein E-Mountainbike für Touren und weitere 16,8 Prozent ein E-MTB für Trails bevorzugen würden. Damit lag das E-Mountainbike insgesamt in der Beliebtheit knapp vor dem E-Trekkingrad und deutlich vor dem E-Citybike. Der Verlag Motor Presse Stuttgart hat die Leser seiner Fahrradpublikationen ebenfalls zum Thema E-Mountainbikes befragt. Ein Drittel der Umfrageteilnehmer gab ein gestiegenes persön­liches Interesse an diesem Produktsegment an. Sogar zwei Drittel gehen davon aus, dass sich E-MTBs als eine Facette des Mountain­bikens etablieren werden oder aus Sicht von 12 Prozent der Befragten den Markt sogar dominieren werden.
Die hohen Erwartungen bei E-Mountainbikes müssen jedoch nicht zur Folge haben, dass MTBs ohne Elektroantrieb nun überhaupt nicht mehr gefragt wären. 2016 wurden laut ZIV rund 360.000 Mountainbikes ohne elektrische Unterstützung verkauft, etwas weniger als im Vorjahr, aber immer noch vier Mal so viele wie E-MTBs. Beim Umsatz dürfte der Abstand allerdings deutlich kleiner ausfallen als beim Absatz. Eine Studie vom Delius Klasing Verlag fand heraus, dass Leser der Zeitschrift »EMTB« durchschnittlich 3.609 EUR für ihr Bike ausgeben. Zum Vergleich: »Bike«-Leser investierten durchschnittlich 2.517 EUR in ihre Mountainbikes. Insgesamt lag der mittlere Verkaufspreis (für Fahrräder und E-Bikes) 2016 laut ZIV übrigens bei 643 EUR, 15 Prozent höher als im Vorjahr. Und die Zahlungsbereitschaft steigt weiter: Für den Kauf ihres nächstes E-Mountainbike planten die EMTB-Leser eine Investitionssumme von durchschnittlich 4.217 EUR ein.
Der E-Anteil bei Mountainbikes in Stückzahlen ist mit rund 20 Prozent bereits höher als im gesamten deutschen Fahrradmarkt mit 15 Prozent. Hier rechnet der ZIV damit, dass die 20 Prozent mittelfristig ebenfalls erreicht werden. Langfristig könnten demzufolge E-Bikes einen (mengenmäßigen) Marktanteil von 30 Prozent erreichen.
Die Accell-Gruppe, einer der größten europäischen Fahrradhersteller, erzielte 2016 erstmals bereits mehr Umsatz mit E-Bikes als mit Fahrrädern ohne Elektroantrieb. In Deutschland steigerte der Konzern seinen Umsatz um 17 Prozent zum Vorjahr. Dafür sei besonders der Zuwachs bei den E-MTBs der Marke Haibike verantwortlich. Reguläre Mountainbikes von Ghost konnten laut Accell in Deutschland aber ebenso zulegen.

Potenzial noch nicht ­ausgeschöpft

Der Fachhandel kann die positive Entwicklung der E-Mountainbike-Verkäufe bestätigen. »Die Erwartungen im Bereich E-Mountainbike wurden bei weitem übertroffen«, berichtet Stefan Hausmann, Geschäftsführer der Fahrradwelt Hausmann in Gundelfingen an der Donau. »Hatten wir im vergangenen Frühjahr nur vereinzelte Nachfrage in diesem Segment, so hat sich das seit Ende des letzten Sommers deutlich gewandelt. Insgesamt gibt es eine deutliche Verschiebung der Nachfrage von konservativen E-Bikes hin zu sportlichen E-Trekkingrädern und seit einigen Monaten ganz drastisch in Richtung E-Mountainbikes.«
Sebastian Kohlhofer, Inhaber des Fahrradgeschäfts Cycleworxx in Bad Wörishofen, rechnet mittelfristig mit weiteren Zuwächsen: »Der E-MTB-Markt ist noch jung.« Allerdings werde irgendwann ein Level erreicht sein, auf dem sich der Markt einpendelt, glaubt Kohlhofer. »E-Mountainbikes sind teuer, nicht jeder kann sie sich leisten.« Tatsächlich zeigt auch die Delius-Klasing-Studie, dass jedenfalls die EMTB-Leser über ein überdurchschnittlich hohes Einkommen verfügen. Das gilt – in geringerem Maße – allerdings auch für die »Bike«-Leser. Bei Cycleworxx verkaufen sich nach wie vor mehr Mountainbikes ohne elektrischen Antrieb als E-Modelle, während in anderen Produktgruppen E-Bikes fast schon die Hälfte des Absatzes ausmachen würden.
Bei All Mountains in Wiesbaden läuft das Geschäft mit E-Mountainbikes sehr gut, wie Geschäftsführer Alexander Yannopoulos berichtet. »Ich bin absolut positiv gestimmt«, sagt er. Käufer von E-Bikes würden nicht nur als Service-Kunden erhalten bleiben, sondern mitunter auch Familienmitglieder zum Kauf animieren. So rechnet Yannopoulos grundsätzlich mit einem wachsenden Markt, macht jedoch eine Einschränkung: »Was die weitere Entwicklung angeht, bin ich gespalten.« Sorgen bereitet ihm die öffentliche Diskussion um regulatorische Einschränkungen für Pedelec-Fahrer wie etwa eine Helmnorm. »Ich finde so eine Norm unnötig. Rennradfahrer und Mountainbiker sind in der Regel schneller unterwegs und bekommen deswegen keine Extranorm. Das Thema E-Bike wird zu sehr ausgeschlachtet.«

Jünger und gut informiert

E-Mountainbike-Käufer wissen im Allgemeinen, was sie wollen. »Die Kunden kommen schon ziemlich gut vorinformiert in den Laden«, berichtet Kohlhofer. In den meisten Fällen würde es sich um Kunden handeln, denen sportliche Aktivität wichtig sei, die ohne elektrische Unterstützung jedoch nicht (mehr) unbedingt den Berg hochkämen. Seltener würden sich auch trainierte Mountainbiker für ein E-Modell als zusätzliches Spaß-Bike interessieren.
E-MTBs sorgen dafür, dass der Altersschnitt bei E-Bike-Kunden sinkt: »Eindeutig steigt ein jüngeres Publikum aufs E-MTB auf, beginnend in einem Altersbereich zwischen 35 und 40 Jahren«, sagt Fahrradhändler Hausmann. »Oftmals sind es Pärchen, die sich für E-Mountainbikes entscheiden.« Dabei sei es häufig zunächst die Ehefrau, die auf Elektroantrieb umsteige, um wieder Spaß bei der gemeinsamen Ausfahrt mit dem Ehemann zu haben. »Aber auch ehemalige Leistungssportler, die mittlerweile mit körperlichen Beschwerden aufgrund von Sportverletzungen o. ä. zu kämpfen haben, entscheiden sich jetzt häufig für ein E-Mountainbike, weil sie damit ihre Reichweite erhöhen und noch besser klarkommen als mit einem herkömmlichen Fahrrad«, fügt Hausmann hinzu. Eine große Vielfalt beobachtet auch Yannopoulos bei seinen E-MTB-Kunden: »Das geht kreuz und quer vom sportiven Radfahrer bis zur älteren Dame.«
Diesen Eindruck bestätigen die ­Zahlen der Delius-Klasing-Studie. Demzufolge ist der durchschnittliche EMTB-Leser 48,5 Jahre alt und damit signifikant jünger als der Leser der Zeitschrift »E-Bike« mit 53,8 Jahren. Zudem handelt es sich bei den EMTB-Lesern zum Großteil um langjährige Mountainbiker, die aber zu zwei Dritteln bislang noch kein MTB mit Elektroantrieb besitzen. Bei den Kaufmotiven für ein E-Mountainbike liegt der Spaßfaktor klar vorne (siehe Grafik).
Inzwischen zeigen sich aber auch ambitionierte Sportler E-Mountainbikes gegenüber inzwischen durchaus nicht mehr abgeneigt. So bezeichnet sich Enduro-Weltcupfahrer Nico Lau in einem Interview mit »eMTB-News« als E-Bike-Fan. Er setzt E-Mountainbikes im Training ein und könnte sich sogar vorstellen, bei einer Profi-Rennserie für E-Biker an den Start zu gehen. Bislang existiert eine solche Serie noch nicht. Die ersten Schritte auf dem Weg dorthin werden allerdings bereits gemacht: Für die neue »Bosch eMTB-Challenge« sind die ersten beiden Rennen schon für dieses Frühjahr im Rahmen der Bike-Festivals am Gardasee und in Willingen geplant. Die Wettbewerbe sind in verschiedene Leistungsklassen eingeteilt, sodass sowohl Hobby-Radler als auch ambitionierte (E-)Mountainbiker angesprochen werden.

Federung ist gefragt

Die Industrie reagiert auf diese Entwicklungen, indem sie die Modellvielfalt bei E-Mountainbikes immer weiter vergrößert. Schließlich wächst auch die Anzahl der Antriebsvarianten nach wie vor. Für Händler ist die Auswahl der Modelle auch von der Region abhängig. »Nachdem sich unser Geschäft eher im Flachland befindet, haben wir bisher kaum auf E-Fullys gesetzt, sondern verstärkt auf E-Hardtails«, so der Gundelfinger Händler Hausmann. »Wenn sich mein Laden im Allgäu befinden würde, würde die Antwort wahrscheinlich anders lauten. Trotzdem ist sogar für den vollgefederten Bereich in unserem Geschäft bereits eine gute Nachfrage vorhanden, was ich so nicht erwartet habe.« Bei den EMTB-Lesern liegen Fullys klar vorne: 78 Prozent der Umfrageteilnehmer, die den Kauf eines E-Mountainbikes planten, bevorzugten ein vollgefedertes Modell.
Selbst die Kunden im Allgäu achten jedoch nicht immer darauf, ob es sich um ein Cross-Country-, Downhill- oder Enduro-E-Mountainbike handelt. »Sie interessieren sich nicht unbedingt dafür, für welchen Einsatzzweck das Rad gedacht ist«, berichtet Fahrradhändler Kohlhofer aus Bad Wörishofen. »Allerdings schauen sie durchaus auf den Federweg.« Das spiegelt sich ebenfalls in der EMTB-Leserumfrage wider: Genau die Hälfte der Befragten, die sich ein E-Mountainbike kaufen wollen, interessieren sich für ein Enduro-Modell.

Zufrieden mit dem ­Herstellerservice

Im Werkstattservice machen E-Bikes insgesamt weniger Probleme als teilweise in früheren Zeiten. »Vom Service her sind E-Bikes einfach«, sagt Kohlhofer. Ein Großteil der elektronischen Defekte lasse sich über die Diagnose-Tools der Antriebshersteller lösen. Yannopoulos hört zwar häufiger Klagen von Händlerkollegen über Qualitätsmängel bei E-Bikes, hat selbst aber bis auf wenige Ausnahmen in letzter Zeit keine negativen Erfahrungen gemacht: »Wir haben kaum Stress mit Akkus oder Antrieben.« Hausmann bestätigt diese Einschätzung: »Da kann ich mich bei meinen Lieferanten eigentlich nicht beschweren. Klar, die Nachlieferfähigkeit der einzelnen Hersteller ist sehr begrenzt, aber das war in der Vergangenheit bei anderen Segmenten auch nicht viel anders. Erfreulich ist dabei, wenn Hersteller wie Winora dazu übergehen, Modelle auch über die Saisons hinweg durchlaufen zu lassen.« So spricht im Moment vieles dafür, dass E-Mountainbikes den Fachhandel auch weiterhin elektrisieren werden. Die Konkurrenz durch andere Verkaufskanäle ist in diesem Produktsegment besonders gering: 94 Prozent der EMTB-Leser wollen ihr E-Mountainbike im Fachhandel kaufen.

10. April 2017 von Oliver Bönig
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