Portrait - Benchmark Drives
Der E-Bike-Flüsterer
Es ist noch gar nicht lange her, da wurde die Beantwortung von Presseanfragen über Benchmark Drives freundlich abgelehnt. Obwohl das Unternehmen aus dem Taunus Antriebssysteme für einige der führenden Fahrradanbieter in Deutschland baut, hielt man sich bislang eher dezent im Hintergrund. Oder vielmehr gerade deswegen, denn ein zentrales Konzept von Benchmark Drives lautet, E-Bike-Anbietern die eigene Entwicklungsabteilung zu ersetzen. Dass im Ergebnis dennoch Antriebssysteme entstehen, die höchste Ansprüche befriedigen sollen, verrät schon der Firmenname.
Der Inhaber von Benchmark Drives ist in der Branche kein Unbekannter: Horst Walter gründete bereits Anfang der Neunziger Jahre zusammen mit einem Partner im Taunus-Städtchen Kriftel den Bikeshop All Mountains. Als rund zehn Jahre später der Wunsch nach beruflicher Weiterentwicklung aufkam, nutzte der Maschinenbaumeister die Chance für den nächsten Karriereschritt Richtung Fahrradindustrie - zunächst für zwei Jahre als Produktmanager bei Storck Bicycle.
Im Jahr 2005 lockte dann eine zu dieser Zeit noch eher ungewöhnliche Herausforderung: Der E-Bike-Markt war noch ein zartes Pflänzchen in der Nische, als die Accell-Gruppe jemanden suchte, um dieses junge Segment bei der fränkischen Tochter Hercules aufzubauen. Obwohl Walter damals nicht mehr Erfahrung mit E-Bikes hatte, als die meisten anderen Marktteilnehmer, reizte ihn das Potenzial und übernahm die Aufgabe.
Bald kamen auch noch Projektaufgaben bei Accell-Pro, der Lastenrad-Sparte des niederländischen Fahrradkonzerns, sowie bei dessen eigenem Antriebshersteller Protanium dazu. Walter, dessen berufliches und privates Leben vor dem Wechsel zu Accell vor allem vom Radsport geprägt war, wurde in diesen Jahren zum profunden Kenner der E-Bike-Szene in Europa mit einem weit verzweigten Netzwerk zu Herstellern, Entwicklern und Elektronikspezialisten.
Dieses Netzwerk an Experten ist wohl auch eine der Antworten auf die man stößt, wenn man die Gründe für den Erfolg von Benchmark Drives sucht. Das Unternehmen selbst besteht aus weniger als einer Handvoll Mitarbeiter, besitzt aber vielfältige Beziehungen zu Subunternehmern und Lieferanten. Displays und Bedieneinheiten werden beispielsweise selbst entwickelt, die Umsetzung und Produktion erledigt ein Produktionspartner aus Asien. Motoren bezieht Benchmark bisher von Go Swiss Drive aus der Schweiz, Batterien werden gemeinsam mit dem Batterien-Montage-Zentrum entwickelt. Wobei die Beziehung zu dem Akku-Spezialisten mehr ist als nur ein klassisches Kunden-Verhältnis: BMZ-Geschäftsführer Sven Bauer war nicht nur ein wichtiger Impulsgeber bei der Gründung von Benchmark Drives, sondern hat dem jungen Unternehmen nach dessen Gründung zunächst auch Unterschlupf am BMZ-Standort Karlstein gewährt.
Rasanter Start
Im Frühjahr 2010 präsentierte sich Benchmark Drives auf der Taipei Cycle Show erstmals dem Fachpublikum. »Kunden zu gewinnen, war einfach, denn unsere Idee war gut«, sagt Walter rückblickend. Die Idee, das war jedem Kunden ein individuelles Antriebssystem zu liefern, dabei aber gleichzeitig modulare Komponenten von den verschiedenen Netzwerk-Partnern zu nutzen. »Wir haben jedem Kunden sein eigenes Design geliefert und uns dabei als Antriebshersteller im Hintergrund gehalten«, erzählt Walter. »Wir wollten zudem Antriebe liefern, die einfach besser aussehen und sich schöner integrieren lassen als bisher im Markt verfügbare Systeme.«
Bei Benchmark Drives laufen die Fäden der verschiedenen Technologiepartner zusammen und werden miteinander verwoben. Komponenten von ganz unterschiedlichen Lieferanten werden von Benchmark zu einem funktionierenden Ganzen zusammen gefügt. Bestes Beispiel ist die Wireless-Technik, wie sie etwa von der ZEG für ihre Linie Green Mover oder von Cube bei den Epo-Modellen verwendet wird. Der Bediencomputer kommuniziert hier, als weltweit erstes System, drahtlos mit einem Empfänger in der Batterie, der wiederum nur über ein einziges Kabel Strom und Daten mit dem Hinterrad-Motor austauscht. Das Ergebnis ist quasi ein »Benchmark« an Aufgeräumtheit am Fahrrad. Die Ansteuerung des Systems via Smartphone ist hier natürlich auch bereits umgesetzt.
Dass sich nicht nur die Optik, sondern auch die Fahrpraxis mit den besten Systemen im Markt messen kann, beweisen Testberichte in Fachmedien: »Einer der besten Antriebe, die es gibt«, schrieb etwa im Frühjahr 2011 die Redaktion von »Aktiv Radfahren« über das Benchmark-System im ZEG-Modell »Sturmvogel«. Bei den Kollegen von »Trekking-Bike« erntet das Cube-Modell »Epo« in der Elektro-Bike-Sonderausgabe sogar den begehrten »Kauftipp«: »Der Motor schiebt gewaltig und liefert konstanten Vortrieb, ohne sich durch Geräusche als E-Triebwerk zu enttarnen«, berichtet das Fachmagazin.
Der Schritt aus dem Schatten
Dass Benchmark Drives sich bislang eher im Hintergrund hielt, hat noch einen anderen Grund: »Mit drei Kunden waren wir bisher mehr als ausgelastet«, berichtet Walter. Doch nun soll für Benchmark Drives eine neue Ära anbrechen: Neben individuell gefertigten Antriebssystemen will das Unternehmen in diesem Jahr auch sein erstes Marktsystem einführen, also ein Antriebssystem, das als standardisierte Lösung von Fahrradherstellern genutzt werden kann. Die Entwicklung des Systems, das im Sommer auf der Eurobike vorgestellt werden soll, läuft unter Beteiligung von namhaften Unternehmen der Automotiv- und Elektronikbrache derzeit auf Hochtouren. Welche Marke auf dem Antriebssystem auf der Eurobike stehen wird, will Walter noch nicht verraten. Nur so viel: »Es ist ein Name, den jeder Verbraucher in Deutschland kennt«, verspricht der Benchmark-Frontmann.
Auch technisch hat Benchmark Drives schon wieder ein paar spannende Ideen in der Entwicklung. Derzeit forscht Walter zum Beispiel mit zwei Universitäten im Rahmen eines Förderprojekts an einem Antriebssystem mit einem Smartphone als Bedieneinheit, das nicht nur EKG-Daten aufzeichnet, sondern diese Daten via Cloud-Computing auch dem Hausarzt zur Verfügung stellt. Dieser hat dann die Möglichkeit – wiederum via Cloud – die Steuerung des Systems entsprechend der Leistungsfähigkeit seiner Patienten einstellen.
Rund zwei Jahre nach Firmengründung fühlen sich die Macher von Benchmark also reif für den Schritt an eine breitere Öffentlichkeit. Seinem Charakter als kleiner, aber feiner Antriebsanbieter will das Unternehmen aber treu bleiben. Wo Mitbewerber auf Konzern-Power und Entwicklungsbudgets in Millionenhöhe setzen, will Benchmark weiter ein Netzwerk von kreativen Köpfen rund ums E-Bike bleiben, dessen Prozesse und Projektumsetzungen sich aber durchaus mit den Standards der Automobilindustrie messen lassen sollen. Die bisherigen Erfolge geben dieser Strategie Recht.
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