Pressekonferenz in Berlin
Fahrradbranche fährt schwere Geschütze gegen Stiftung Warentest auf
Die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) von E-Bikes, bzw. die Behauptung der Stiftung Warentest, diese würden als massive Störsender fungieren, und den von der Stiftung bei einem Dauerbelastungstest erzeugten Bruch im linken Ausfallende eines C-Flyers (C5R-Deluxe).
Mathias Seidler, ehem. Vorsitzender der Geschäftsführung von Derby Cycle, und Claus Fleischer, Bereichsleiter Bosch eBike Systems, widmeten sich in ihren Vorträgen den in der „test“-Ausgabe 6 / 2013 erhobenen Vorwürfen der Stiftung, vier der getesteten Modelle würden „beim Funkverkehr von Rettungsdiensten, Feuerwehr und der Polizei den Empfang im Umkreis von bis zu 100 Metern massiv stören – bis hin zum Totalausfall.“
Beide Unternehmen konnten die von der Stiftung ermittelten Daten nicht reproduzieren. Verschiedenen Prüfinstituten sei diese Aufgabe übertragen worden. Bei den Nachprüfungen habe sich außerdem ergeben, dass, selbst wenn die Tests vom selben Institut am selben Produkt durchgeführt wurden, eine erhebliche Abweichung der Messergebnisse aufgetreten sei. Bosch und Derby folgern daraus, dass ein einziger Test, bei dem die Messwerte die Grenzwerte überschreiten, nicht als verlässliche Quelle für ein solch niederschmetterndes Urteil herangezogen werden könnte. Dies habe die Stiftung Warentest jedoch getan, so der Vorwurf der Fahrradunternehmen. Hinzu komme, dass die Grenzwertüberschreitungen, welche die Stiftung gemessen haben will, gar nicht in den Funkfrequenzbereichen der Rettungsdienste liegen. Und selbst wenn sie in diesen Bereichen lägen, so die Ausführungen von Bosch-Mann Fleischer, würden die Störungen keines Falls bis 100 m Wirkung erreichen. Dies wurde bekanntlich auch von der Stiftung Warentest eingesehen und die überzogene Interpretation der Messwerte mit einem Eintrag in der zum Download bereitstehenden Fassung des Testberichts korrigiert (velobiz.de berichtete).
Flyers Ausfallenden
Schwerwiegende Mängel beim Versuchsaufbau führte Kurt Schär, Geschäftsführer der Schweizer Biketec AG, als Gründe an, warum auf dem Prüfstand der Stiftung Warentest das Ausfallende eines C-Flyers (C5R-Deluxe) brach. Die Darstellung im „test“-Heft las sich dann so: „Die Strecke über Kopfsteinpflaster war kurz, das Ergebnis fatal. Plötzlich sackt das Hinterrad seitlich weg und blockiert. Das Teil, an dem das Hinterrad im Rahmen befestigt ist, das Ausfallende, war gebrochen. So passiert beim 2.690 Euro teuren Flyer C5R Deluxe – schon nach wenigen tausend Kilometern im Dauertest.“
Einmal abgesehen von der reißerischen Darstellung des Labortestes, der hier des dramatischen Effektes wegen kurzerhand auf eine kurze Strecke Kopfsteinpflaster verlegt wird, stellt sich für Biketec nach längerem Hin und Her mit der Stiftung Warentest der Versuchsaufbau für diesen Dauerbelastungstest wie folgt dar: Für die Prüfung wurde kein Industriestandard verwendet, sondern ein von der Stiftung selbst entwickelter Testaufbau, der eine Dauerbelastung unter realen Bedingungen simulieren sollte. Dafür wurde der nackte Rahmen samt Gabel jeweils an den Achsen mit einer starren Verbindung eingespannt, die Lasteinleitung erfolgte nur rechtsseitig. Das Ergebnis: Das linke Ausfallende brach.
Diese Form der Lasteinleitung in Kombination mit der starren Einspannsituation entspricht laut Schär aber keinesfalls der Realität, in der die „beiden Radachsen unter Last niemals relativ fix zueinander sind“. Deshalb wies Schär im Folgenden darauf hin, dass ihre „Rahmenkonstruktionen nicht für die ‚StiWa-Einspannung’ ausgelegt sind, da diese am Ausfallende in der Realität nicht existierende, starke Kräfte in lateraler Richtung erzeugt“.
Die Sache mit der Transparenz
Alle drei Unternehmen waren sich einig hinsichtlich der weiterhin mangelhaften Transparenz der Stiftung Warentest. Nur Häppchenweise nach zähen Verhandlungen, sei die Stiftung bereit gewesen, die fehlenden Informationen herauszugeben. „Allein die Bereitstellung der Betriebslasten ist nicht ausreichend, um für die Hersteller den Test nachvollziehbar zu machen“, erläuterte Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV). Es bedürfe dafür zusätzlicher Informationen „hinsichtlich der Einspannung des Bauteils und der Krafteinleitung“. Diese Informationen habe die Stiftung jedoch nicht herausgegeben. Auch in der sogenannten „Anbietervorabinformation“ waren die kritischen Werte nicht enthalten. Eine Erklärung dafür lieferte Claus Fleischer: So gebe es zwar in der Verfassung der Stiftung Warentest einen Passus über die „Anbietervorabinformation“, die den Herstellern in Form eines Datenblattes zur Verfügung gestellt werde. Doch ein Nachtrag zu diesem Passus schränkt das Ganze dahingehend ein, dass, „sollte das Risiko für die Stiftung Warentest von eingelegten Rechtsmitteln seitens der Anbieter höher sein, als das Interesse einer Herstellervorabinformation, die kritischen Werte der Testergebnisse gestrichen werden“, so Fleischer. Deshalb lagen auch keinem Hersteller bei Veröffentlichung des Testes die kritischen Werte vor und eine zeitnahe adäquate Reaktion sei ihnen nicht möglich gewesen.
Forderungen aufgestellt
Laut Matthias Seidler verursachte dieser „katastrophale“ Test der Stiftung Warentest, der vielmehr auf einen „’katastrophalen’ Testaufbau und ebenso fehlerhafte, um nicht zu sagen ‚katastrophale’ Interpretationen schließen“ ließe, einen Umsatzschaden in Höhe von 50 Millionen Euro. Allein für Derby seien die Umsatzeinbußen im hohen 7-stelligen bis 8-stelligen Bereich, Kurt Schär sprach gar von existenzbedrohenden Schäden. Nicht zuletzt deshalb erwägt Flyer aktuell eine Schadensersatzklage gegen die Stiftung.
Unisono erklingen deshalb auch die Forderungen der drei Unternehmen und des ZIV, die sie im Rahmen der Berliner Pressekonferenz veröffentlicht haben:
„Wir fordern…
‐ eine umfassende Korrektur (auch medial) der Testergebnisse inkl. dazugehöriger Information der Verbraucher.
‐ eine intensive, offene Diskussion zwischen der StiWa und der Industrie über die angewendeten Testverfahren ‐ ohne Aufklärung der massiven Fehler einen (vorläufigen) Verzicht der StiWa auf weitere Tests / die Veröffentlichung.“
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