Bosch präsentiert 2016er-Programm
Der Marktführer lässt die Muskeln spielen
die meisten Journalisten spätestens bei einer dreiviertelstündigen Testfahrt über die Reutlinger Trails voll von einigen neuen Qualitäten überzeugen konnte: das überarbeitete Spitzenmodell der Bosch Performance Line mit der Bezeichnung CX. Gerne wies Claus Fleischer, Leiter der Bosch-E-Bike-Abteilung darauf hin, dass die neue Auflage in Zusammenarbeit mit Stefan Schlie entwickelt worden war. Der mehrmalige deutsche Meister auf dem Trailbike soll mit den Software-Spezialisten von Bosch vor allem auf eine Eigenschaft hingewirkt haben: „Dass der Motor absolut am Pedal hängt.“ Das kann man dem Antrieb nun nachsagen. Die Daten: 300 Prozent Unterstützung im Turbomodus soll CX bringen. Das Drehmoment, um das es seit zwei Jahren unter den Motorenherstellern einen regelrechten sportlichen Wettkampf gibt, wird mit satten 70 NM angegeben. Noch wichtiger – und ausschlaggebend für gute Performance – ist die Verfügbarkeit dieser Kraft: Etwa zwischen einer Trittfrequenz 20 und 80 soll das Drehmoment abrufbar sein. Der „Uphill Flow“ nennen Fleischer und Schlie die besonderen Fähigkeiten, die das E-Bike damit erhalten soll.
Die ersten Testfahrten konnten wie gesagt überzeugen: Auch mit sehr geringer Kadenz zieht das Rad auch an Steigungen von weit über 10 Prozent sehr gleichmäßig am Hinterrad. Der Motor eiert dabei nicht, sondern läuft auch hier rund, wenn auch deutlicher hörbar. Der Fahrer bleibt im „Gruß-Modus“, sitzt also so entspannt, dass er, wenn es die Topografie zulässt auch uphill gelegentlich die Hand Gruß vom Lenker nehmen kann. Andererseits ist auch im kleinen Gang an Steigungen nahe des technisch machbaren der Motor voll dabei, reagiert aber sehr schnell und feinfühlig auf Unterbrechung des Kraftflusses. Insgesamt ergibt sich ein sehr harmonisches und dynamisches Bild von der Motorcharakteristik.
Ganz neue Fahrerlebnisse?
Mountainbiker Stefan Schlie demonstrierte auf den von ihm angeführten Ausfahrten, dass der neue Motor nicht nur, wie bei funktionaler E-Unterstützung allgemein, einiges leichter und angenehmer macht: Er soll tatsächlich auch ganz Neues ermöglichen. Da ist genannter „Uphill Flow“ – also das spielerischen Bergauffahren, bei dem der Fahrer durch die harmonische und kraftvolle Unterstützung tatsächlich den Kopf frei hat dafür, seine technischen Fähigkeiten an Abschnitten umzusetzen, die sonst die volle Konzentration für den angemessenen Vortrieb rauben. Aber auch das Losfahren in der Steigung – nicht nur für Anfänger oft eine Herausforderung – soll durch die direkte und sensible Ansprache des Motors noch einmal erleichtert werden und so in ungewohnt extremen Situationen möglich sein; durch das hohe Drehmoment des Motors auch im großen Gang wird zusätzlich mehr Reifengrip erreicht. Außerdem verspricht man sich durch den Charakter des Antriebs und seiner Dosierbarkeit per Unterstützungsmodi auch ganz neue Trainingsmöglichkeiten beim Fahren.
Natürlich gehören diese definierten Features auch zu einem gelungenen Marketing der Marktführer. Doch wer die CX-Modelle in ihrem natürlichen Umfeld ausprobierte, konnte den Zuwachs an Fahrspaß durchaus er-fahren.
Die Leistungssteigerungen an der Motoreinheit des Performance CX wurden übrigens grundsätzlich durch die Weiterentwicklung der Software erreicht. Einen Einbauvorteil hat das Spitzenmodell aber auch: Durch die gegenüber den schwächeren Modellen veränderte Abdeckung bietet die CX am Fullyrahmen – sicher der Standard-Einsatzort des Antriebs – mehr Platz für die Federungsanlenkung.
Die Schalterkennung des Systems soll Schaltvorgänge noch dynamischer und flüssiger machen. Ein Shift Sensor registriert einen Schaltvorgang und verringert kurzfristig den Kettenzug. Einsteiger in den E-MTB-Bereich dürften sich allerdings beim schnellen Schalten anfangs über gelegentlich laute und ruppige Gangwechsel wundern. Bosch setzt beim MTB vor allem auf SRAMs 10-42 11-fach-Kassette (14er Kettenblatt), die hier sehr gut funktioniert, sauber die Gänge wechselt und eine Entfaltung von über 400 Prozent leistet.
Der Verschleiß des Antriebs dürfte bei knackiger Fahrweise allerdings enorm sein – ein Manko, das man bei Mittelmotoren, vor allem im sportlichen Sektor – vielleicht nie ganz ausmerzen wird.
Neuer Stromlieferant
Bosch bietet in Zukunft neben dem 300- und 400- auch einen 500-Wattstunden-Akku an. Gegenüber dem 400er Modell soll der neue Power Pack 500 gerade einmal 100 Gramm mehr wiegen – bei bis zu 25% mehr Reichweite. Eine Zusage an die Kundenwünsche, obwohl Bosch die Reichweite vor allem für ein “psychologisches Argument“, so Fleischer, hält. Die neue Kapazität entsteht durch Zellen höherer Energiedichte; Die Packs haben also dieselbe Baugröße und sind in Rahmen- wie in Gepäckträgerversion an Rädern ab Baujahr 2014 nachrüstbar. Kosten: um die 800 Euro (400 Wh: ca. 650 Euro).
Auch am Nyon, dem optionalen Bordcomputer für die beiden Modellreihen Active Line und Performance Line wurde gearbeitet. Hier dreht es sich beispielsweise um neue Features wie Mehrpunkt-Navigation: Bis zu 10 Zwischen-Ziele können auf einer Route nun eingegeben werden. Interessant ist auch das MTB-Routing-Profil: Hier kann man sich eine MTB-Strecke nach bestimmten Kriterien zwischen A und B suchen lassen. Eher ein Gimmick, das aber vielen Kunden gefallen wird: die topografische Reichweitenanzeige. Sie zeigt dem Fahrer grafisch die unterschiedlichen Reichweiten je nach unterschiedlichem Terrain an (muss wie eine APP für 4,99 Euro heruntergeladen und auf den Nyon überspielt werden). Auch der GPX-Import, also das Aufspielen von GPS-Tracks, ist bei den neuen Geräten möglich. Natürlich hat man auch an den Bugs und Problemen des Nyon gearbeitet – vor allem soll das Gerät nun stabiler laufen, außerdem wurde der interne Gerätespeicher auf acht Gigabyte erhöht. Ein Nachrüst-Set wird es ab Spätherbst für etwa 550 Euro (evtl. zzgl. Einbaukosten) geben.
In der Kooperation mit den Schaltungsherstellern SRAM, Shimano und Fallbrook wurden vor allem die vorhandenen Komfortfeatures ausgebaut; so schalten bei der Di2-Kombi (mit Shimano Nexus oder Alfine-Naben) die Systeme an der Ampel automatisch in einen voreinstellbaren niedrigen Gang – eine für Alltags- und Komfortfahrer sehr sinnvolle Eigenschaft.
In der Kombi Sram Dualdrive/Bosch kann die die Nabe nun auch per Hand geschaltet werden (vorher nur automatisch). Sie schaltet zum Anfahren außerdem in den ersten Gang.
Treibt der Bosch-Motor eine NuVinci-Nabe an, kann diese nun in einem erweiterten manuellen Modus betrieben werden: statt fünf stehen nun neun per Software definierte Schaltstufen zur Verfügung, Vollautomatik ist optional einstellbar.
Kette rechts für den Weg in die internationale Zukunft
Auf der Präsentation ging es nicht nur um Technik: Leiter Claus Fleischer betonte auch die Erfolge in der noch kurzen Geschichte des Unternehmens Bosch E-Bike-Systems. Vor allem aber die kurz- und mittelfristigen Visionen des Unternehmens sind interessant. Schon jetzt bemüht man sich um die „E-Bike-Schwellenländer Italien, Frankreich und UK. „Wir haben da einen ganz einfachen, klaren Indikator“, so Fleischer. „Wir orientieren uns an der Nachfrage nach Händlerschulungen. In diesen Ländern sind wir 2015/16 verstärkt aktiv. Danach werden wir den Fokus auch auf Länder wie Spanien richten, wo wir heute noch keinen so starken Trend zum E-Bike feststellen können.“
Mit Magura habe man einen sehr starken Partner in Sachen Logistik, aber auch Dinge wie Service-Hotlines etc. werden in Europa weiter aufgebaut; „da läuft eine ganze Menge“.
Was das außereuropäische Ausland anbelangt, entwickelt sich die USA, wohin das Unternehmen vor zwei Jahren seine Fühler ausstreckte, für Bosch E-Bike Systems mittlerweile sehr positiv. „Dort wurde vorher zweimal versucht, den Markt mit günstigen Importen aus China aufzubauen. Das hat in diesem Land natürlich nicht funktioniert. Wir drehen den Markt jetzt um.“ 4.000 von Magura betreute Händler-Partner gibt es mittlerweile in den USA, unterstützt von Außendienst-Mitarbeitern vor Ort. Eine Schwierigkeit: Dort muss die Technik aufwendig angepasst werden, es gelten für Pedelecs oft andere Leistungswerte und Höchstgeschwindigkeiten – zum Teil sind sie sogar in den einzelnen Staaten unterschiedlich.
Starkes Markt-Wachstum nimmt man auch in Kanada wahr. „Da werden wir geradezu überrollt, die Kanadier sind viel offener für diese Technik, als die USA zunächst waren“, so Fleischer. In Down Under kommt den E-Bike-Machern auch noch die Politik entgegen: „Australien hat die deutsche Pedelec-Norm übernommen, das macht den nachhaltigen Einstieg für uns leichter.“ Und selbst China, wo dem Fahrrad – oder auch dem E-Bike – seit Jahren ein Arme-Leute-Image anheftet und das Auto Hochkonjunktur hat, kann man bei Bosch selbstbewusst als starken Zukunftsmarkt ansehen: „Es gibt dort einen ganz starken Trend zum europäischen Luxusgut. Das ist die Schiene, auf der Premium-E-Bikes sich einen Markt erobern können.“
An Optimismus und Selbstbewusstsein fehlt es in der E-Bike-Sparte von Bosch weniger denn je. Nachvollziehbar ist das.
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