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Kerstin und Marec Hase
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"Kettwiesel", "Pino" & Co.

Hase Spezialrad: Spezielles aus der Zeche Waltrop

Wer ist die Firma hinter pfiffigen Spezialrädern wie dem Dreirad Kettwiesel und Tandem Pino? Wer Hase Spezialrad im faszinierenden Industriekultur-Ambiente der alten Zeche in Waltrop besucht, stellt fest, dass Innovationskraft und traditionsreiche Gemäuer eine sehr kreative Mischung darstellen.

Kerstin und Marec HaseMarec HaseBlick in die MontagehalleFahrräder fahren KarussellMontageProdukttest

Marec Hase, ein noch junger Mann mit widerspenstigen blonden Haaren, zeigt mir einen Fräskopf: “Machen wir selber!“ sagt er, und seine Augen strahlen, als hätte er den leckersten Italiener auf deutschem Boden entdeckt. „Ich bin ein Werkzeug-Fetischist, immer schon gewesen,“ erklärt er später beim Mittagessen mit der gesamten Belegschaft. Wir sitzen im ersten Stock seiner Montagehalle und schauen auf 500 kunterbunte Quadratmeter voller Bike-Teile, halbfertig bestückter Rahmen und großen Maschinen hinunter. Ohne die Liebe zum „schweren Gerät“ wäre der Ideenreichtum des Blondschopfs wahrscheinlich verpufft. Doch so nahm die Karriere einen bilderbuchartigen Lauf: Schon zur Schulzeit entstanden skurrile Bikes auf drei Rädern, 1989 gewinnt der 17jährige Marec den ersten Preis beim Jugend Forscht-Wettbewerb mit einem Tandem-Dreirad. Weitere Kreationen folgen. 1994 dann, ganz nach Klischee, der erste Firmensitz in einer alten Garage. Da wird gefräst, gebohrt, geschliffen und geschweißt. „Wir können heute noch alles selbst machen“. sagt Hase, „das ist auch ein Grund, weshalb Azubis gern zu uns kommen“. Bei Hase können sie nicht nur Zweiradmonteur, sondern auch verschiedene Metallberufe erlernen.

Wo Kumpels Kohle förderten

Heute firmiert man edel-proletarisch in den alten Gemäuern der Zeche Hibernia in Waltrop: Das Ambiente dieses Gebäudekomplexes aus der Hochzeit des Ruhrpotts passt perfekt zum Image, das sich die Firma gibt: Handgefertigte deutsche Qualitätsarbeit, ausgefallene Produkte. Und Kulturveranstaltungen wie Jazz-Konzerte gibt’s in der dann umgeräumten Halle auch immer wieder – bei der jährlichen Nacht der Industriekultur „Extraschicht“ kommen noch Trike-Rennen und viele andere (Action-) Events dazu.

Im Erdgeschoss der Halle wird geschweißt, aufgebaut, montiert und verpackt. Gleich neben dem Eingang sitzt wie früher der Werkstattleiter im Glashäuschen.Wer weiter in der Halle hineingeht, sieht halbfertige Räder Karussell fahren: An Säulen sind drehbare Montagespinnen befestigt. Acht Spinnenbeine stehen als drehbaren Montageträger ab. Sie nehmen Pino- und Kettwiesel-Rahmen auf, die von davor stehenden Monteuren und Monteurinnen bestückt werden. Die Endmontage wie Einschieben des Kurbelarms, Einstellen von Schaltung und Bremsen geschieht wie auch die Komplettierung seltener Ausführung für jedes Rad separat. Nach der Abnahme geht’s zum Versand neben dem Eingang.

Wachstum mit Ideen

„Knapp acht Pino-Tandems schaffen wir pro Tag“, sagt Hase. „Am Anfang war alles in Ordnung, wenn pro Woche ein Rad verkauft wurde“, erinnert sich seine Frau Kirsten. Sie ist seit zehn Jahren in der Firma. Die gelernte Töpferin pflegt die Pressekontakte und kümmert sich ums Marketing. Und heute? „Heute kommen auch mal 20 Bestellungen am Tag!“ Es gibt gut zu tun bei der Firma, die mittlerweile mit 30 ganzen Stellen drei verschiedene Liegedreiräder, ein Liegezweirad und ein Tandem in vielfältigen Ausführungen baut – dazu kommen noch viele Sonderanfertigungen für Menschen mit Handicaps oder in der Rehabilitation, wie der Verkaufsrenner Kettwiesel mit Handantrieb. Aber auch Zubehör wie in der Länge verstellbare Kurbeln für Menschen mit eingeschränkter Kniebewegung werden von Hase hergestellt. Der Reha-Bereich macht immer noch gut ein Viertel des Umsatzes aus. Hase profitiert davon, dass dieser Bereich immer noch ein „krankes“ Image hat; erst allmählich wird manchem Hersteller klar, dass das Design von Rädern für behinderte Menschen selbst kein Handicap haben muss. Bei Hase tut man was dafür. Mit frechen Farben und originellen Lösungen.

Innovation ist Pflicht

Die Firma hat eine eigene Entwicklungs-Abteilung, in der der Chef und der Entwickler Dirk van Rijn oft gemeinsam am Rechner sitzen und zunächst per Profi-Software Räder virtuell zusammenbauen. Wer die Bikes genauer ansieht, erkennt immer wieder: Da findet jemand für komplexe Probleme überraschend einfache Lösungen. Etwa zwei Monate braucht ein Produkt von der Idee bis zum fertigen Konzept. Bis der erste geprüfte Prototyp über den Hof rollt, vergeht aber noch Zeit.
Damit nicht nur die Theorie stimmt, braucht es – besonders im Spezialradbereich – umfangreiche Produkttests. Hasebikes ist einer der wenigen Fahrradhersteller, der grundsätzlich alle Modelle aufwendigen Tests unterzieht. Praktischerweise sitzt das bekannte Prüfinstitut EFBe Prüftechnik gleich im Obergeschoss der eigenen Halle. Hier quietscht, klackt und rumpelt es. Rohrverbindungen werden mit Knarzen verwunden, be- und entlastet. Alle Rahmen und wichtigen Anbauteile der Räder werden so schon vor Serienfertigung geprüft.
Auch der praktische Test kommt nicht zu kurz: Die meisten Mitarbeiter sind Bikeomanen und kommen teilweise auch weite Strecken per Rad zur Arbeit. Da fällt es nicht schwer, schnell Daten über die Alltagstauglichkeit der Räder zu erschließen.

Neuer Hasen-Bau

Gut 1400 neue Räder haben 2007 die Hase-Halle verlassen. Viel für eine Spezialrad-Firma – Hase ist Marktführer in Deutschland und exportiert sogar in die USA; Spezialrad ist Trend. Und der half dem Hersteller im letzten Jahr zu einem Netto-Umsatz von drei Millionen Euro; 2008 sollen es zehn Prozent mehr werden. Die malerische Zechenhalle platzt jetzt schon aus allen Nähten, deshalb wird ab Juni gebaut: Eine ultramoderne, 18 mal 32 Meter große Halle schräg gegenüber des Zechengebäudes wird für mehr Flexibilität sorgen und ein über 300 Quadratmeter großes Lager sowie die EFBe Testanlagen aufnehmen, dazu die Schweißwerkstatt.
Dann kann auch die Modellpalette umstrukturiert werden: Statt obligatorischem Custom Made bietet Hase bald vier Standardausführungen je Modell an. So kann man wesentlich zügiger liefern, bleibt aber individuellen Wünschen der Käufer nach wie vor offen.
Zur Herbstmesse verspricht Marec Hase übrigens Neues – und lässt uns überlegen: Vorletztes Jahr das Kinder-Trike Trets, letztes Jahr die neue Kettwiesel-Generation …. Da müsste doch jetzt langsam ein neues Tandem kommen…? Wie der Hase dann genau läuft, wird aber noch nicht verraten.

Einen früheren Bericht auf velobiz.de zum Neubau bei Hase lesen Sie hier: (velobiz.de berichtete)

21. April 2008 von Georg Bleicher

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