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Illustration: velotech.de / Ernst Brust
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Ernst Brust erklärt Ursache und Lösung:

Wie werden Fahrräder flatterfrei?

Unter welchen Voraussetzungen flattern manche Fahrräder bei höheren Geschwindigkeiten? Die Frage lässt sich wissenschaftlich relativ leicht beantworten. Schwieriger ist es, Fahrradmodellen diese gefährliche Eigenschaft abzugewöhnen. Wie das geht, schreibt nun Fahrradprüfer Ernst Brust in einem Beitrag.

Fahrräder sollen beides sein: steif und elastisch. Antriebskräfte sollen verlustfrei umgesetzt und Fahrbahnstöße elastisch abgefedert werden. Außerdem dürfen die Räder beim Fahren nicht flattern. Viele widersprüchliche Forderungen sollen somit erfüllt werden.

Steifigkeitsmessungen geben Hinweise auf die Fahreigenschaften einer Rahmen-Gabel-Einheit und haben Hochkonjunktur in den Fachzeitschriften, seitdem Leichtbau ein wesentliches Verkaufsargument wurde. Sie lassen sich mit geringem Aufwand in kurzer Zeit durchführen, ohne dass der Prüfling zerstört wird. Sie sind deshalb sehr günstig.

Hat man außerdem noch eine Waage zur Hand, so kann man sogar eine Verhältniszahl bilden: Steifigkeit zu Gewicht (stiffness to weight) und unter den Prüflingen eine Rangordnung bilden. Leider nur für diese eine Eigenschaft, denn es gibt auch andere Forderungen.

Fahrräder sollen zum Beispiel nicht flattern. Flattern nennt man das unruhige Aufschaukeln der Lenkung um die Steuerkopfachse bei Geschwindigkeiten von ca. 15 bis 45 km/h. Motorradfahrer kennen außerdem noch das Pendeln bei ca. 100 km/h, eine Unruhe des Fahrwerks um die Längsachse. Beides kann zu schweren Unfällen führen.

Wann flattert ein Fahrrad?

Fahrräder flattern, wenn die Steifigkeit der Rahmen/Gabel-Einheit zu gering ist. Begünstigt wird dieser Effekt durch lange Rahmen mit hoher Sitzposition, aber auch durch schwere Laufräder mit hohem Luftdruck in der Bereifung. Gyroskopische Kräfte am Vorderrad, das sind Kräfte, die beim Lenken quer zur Fahrtrichtung auftreten, lösen das Flattern aus. Es entstehen Eigenschwingungen des Systems, die sich mit hoher Frequenz über den Sattel am Fahrer und über die Reifen an der Fahrbahn abstützten. Die Rahmen-Gabel-Einheit wirkt als Federelement. Erhebt sich der Fahrer aus dem Sattel, so klingen diese Schwingungen schnell ab.

Die Verteilung der Lasten auf dem Fahrrad hat einen Einfluss auf das Flattern, das besonders an gut ausgerichteten Rahmen mit exakt eingestellten Steuerkopflagern auftritt, wenn die Fahrräder auf glatter Fahrbahn im Feilauf und mit hoher Geschwindigkeit fahren.

Durch hohe Antriebskräfte und raue Fahrbahnen wird Flattern unterdrückt. Kompakte und steife Rahmen sowie leichte Laufräder sind Kennzeichen von Fahrrädern mit geringer Neigung zu flattern.

Genauere Aussagen über die Neigung eines bestimmten Fahrrades unter Umständen zu flattern, lassen sich also nur machen, wenn mehrere Parameter untersucht werden und dabei der Einfluss eines bestimmten Fahrers nicht vernachlässigt wird. Die Steifigkeitsmessungen sind lediglich ein Indiz hierfür.

Die Steifigkeit einer Rahmen-Gabel-Einheit muss nach mehreren Gesichtspunkten ermittelt werden. Aus den Einzelergebnissen lässt sich nicht nur die Neigung zum Flattern abschätzen. Wichtig sind auch die Umsetzung der Antriebskräfte in Vortrieb sowie das Potential, Frontalstöße abzufedern und Bremskräfte aufzunehmen.

Was lässt sich messen?

Folgende Eigenschaften einer Rahmen-Gabel-Einheit kann man durch Steifigkeitsmessungen bewerten:

Ergonomie
Wird die Tretarbeit optimal in Vortrieb umgesetzt, oder schluckt der Rahmen durch seitliche Wechselbiegungen einen prozentual großer Anteil der Antriebsleistung?

Gemessen wird die

  • Antriebssteifigkeit (Drehmoment zwischen Steuerkopfachse und Tretlagerachse) beim Wiegetritt
  • Tretlagersteifigkeit (Drehmoment zwischen der Tretlagerachse und den beiden Radachsen)

Komfort
Lässt sich das Fahrrad spurtreu fahren oder neigt es zum Flattern?

Gemessen wird die

  • Lenkkopfsteifigkeit (Drehmoment zwischen der Hinterradachse und der Steuerkopfachse)
  • Spursteifigkeit (Querbelastung der Vorderradachse gegenüber der Hinterradachse)
  • Hinterbausteifigkeit (Querbelastung der Hinterradachse gegenüber dem Hauptrahmen)

Sicherheit
Ist die Rahmen-Gabel-Einheit in Längsrichtung des Fahrrades elastisch genug, um Frontalbelastungen ausreichend abzufedern, oder treten zerstörende Kräfte als Zug im Oberrohr oder als Druck im Unterrohr auf?

Gemessen wird die

  • Bremssteifigkeit VR (Einfederung der Vorderradachse in Richtung Tretlagerachse)
  • Bremssteifigkeit HR (Durchbiegung der Hinterbaustrebe, an der sich die Bremse abstützt)

Wie wird ein Fahrrad flatterfrei?

Aus ergonomischen Gründen sollen die Rahmen möglichst starr sein. Sicher sind sie aber nur, wenn sie in Fahrtrichtung auch ausreichend elastisch sind. Das wurde in den letzten Jahren häufig übersehen. Extrem dünne Ober- und Unterrohre der Hauptrahmen mit integrierten Steuersätzen und äußerst steifen Vorderradgabeln führten dazu, dass die Einfederung der Vorderradachse zur Tretlagerachse mehr als halbiert wurde. Zug- und Druckkräfte im Hauptrahmen stiegen deshalb auf mehr als das Doppelte an. Gerissene Oberrohre und eingedellte Unterrohre wurden das Erkennungszeichen extrem steifer Leichtbaurahmen.

Im Testlabor kann man durch eine Frontalschlagprüfung feststellen, ob die Rahmen-Gabel-Einheit ausreichend elastisch ist, um die Frontalbelastungen abzufedern.

Noch einmal: Steif und elastisch, ohne zu flattern, sind die optimalen Eigenschaften einer Rahmen-Gabel-Einheit.

17. Februar 2015 von Ernst Brust

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