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Ein Highlight des diesjährigen Infotech war die kontroverse Diskussion über E-Mountainbikes.
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Erfolgreiche Branchenschulung

Schweizer Fahrradhandel rüstet sich für die kommende Saison

Auch bei der 13. Austragung präsentierte sich die Infotech auf der Höhe der Zeit: Mit einem reichhaltigen Seminarangebot zu Technik, Verkauf und Betriebsführung konnte der zweitägige Weiterbildungsanlass am 6. und 7. Januar in Luzern einmal mehr über 600 Fachhandelsangestellte anlocken. Besondere Aufmerksamkeit erhielten in diesem Jahr Vorträge zur Zukunft des Handels und ein kontrovers geführtes Podiumsgespräch über Sinn und Unsinn von E-Mountainbikes.

„Ausverkauft“ konnten die Veranstalter der diesjährigen Infotech zum wiederholten Mal bereits vor dem Jahreswechsel vermelden. Erneut sind damit in der ersten Januarwoche rund 630 Mitarbeiter von Schweizer Fahrradgeschäften, Herstellern und Großhandelsbetrieben nach Luzern gereist, um sich für die bevorstehende Saison weiterzubilden.

Reges Interesse der Industrie

Der Erfolg lässt sich einmal mehr mit dem vielseitigen und aktuellen Schulungsangebot erklären, das die 25 teilnehmenden Mitglieder des veranstaltenden Branchenverbands Velosuisse bereitstellten: Satte 67 verschiedene Schulungen zu je 45 Minuten umfasste das Programm. Traditionell stark war der technische Bereich, wo nahezu alle marktrelevanten Anbieter von technischen Teilen und Zubehör aktuelles Fachwissen zur Montage, Wartung und dem Verkauf ihrer Produkte vermittelten. Die Liste der vorgestellten Marken liest sich wie ein „Who is Who“ der Komponentenhersteller: Shimano, Sram, Campagnolo, FSA, Gates, Magura, Formula, Bosch und Yamaha waren neben anderen selbst oder über ihre Schweizer Vertreiber genauso präsent wie Schwalbe, Busch & Müller, Abus, Garmin und Lezyne. Die starke Präsenz der Hersteller zeigt auch, dass diese den direkten Kontakt zu zahlreichen Handels- und Servicepartnern während kurzer Zeit an einem zentralen Ort sehr schätzen.

Manche dieser Schulungen waren aber nicht mehr so gut besucht wie in früheren Jahren, dafür konnten sich Anbieter von allgemeinen Verkaufs- und Betriebsführungsseminaren über volle Räume freuen. Besonderen Zuspruch erhielten insbesondere Referate, die sich um die Zukunft des Detailhandels on- und offline generell sowie des Fahrradhandels im Speziellen drehten. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da die Schweizer Fahrradbranche trotz günstiger Wetterbedingungen auf ein schwieriges letztes Jahr zurückblickt, das stark von Frankenstärke und Einkaufstourismus sowie wachsender Konkurrenz durch Onlineshops und Handelsketten geprägt war.

E-Mountainbikes spalten die Branche

Ein weiteres Thema, das 2015 die Schweizer Fahrradbranche stark beschäftigte, kam beim Podiumsgespräch während des Abendprogramms auf den Tisch: Mountainbikes mit Elektro-Antrieb hatten in den vergangenen Monaten so heftige Diskussionen ausgelöst wie schon lange keine aufstrebende Produktgruppe mehr. Während manche Branchenvertreter den neuen Trend als Belebung des Geschäfts freudig begrüßten, verweigerten sich andere aus emotionalen Gründen oder Prinzipien dem Trend vollständig.

Wie unterschiedlich die Meinungen zu E-Mountainbikes sind, wurde im moderierten Gespräch von je zwei Brancheninsidern und Tourismusexperten sowie der Geschäftsführerin von Mountain Wilderness deutlich. Die letztgenannte Vertreterin der Naturschutz-Organisation war bei weitem nicht die einzige Stimme, die sich kritisch zur neuen Zweiradkategorie äußerte. Katharina Conradin sorgt sich darüber, dass durch den Hilfsmotor auch mehr Biker in abgelegene Berggebiete vorstoßen können, wodurch Pflanzen stärker beschädigt und Tiere häufiger gestört werden. Zudem würde durch die wachsende Anzahl von Bikern in den Alpen der Druck größer, zusätzliche Infrastruktur zu bauen, was die Natur weiter zurückdränge.

Der Händler René Albisser vom Mountainbike-Fachgeschäft Trailrider vertrat die Meinung, dass die körperliche Anstrengung ein wichtiges Element ist und durch den Elektroantrieb der sportliche Grundgedanke ausgehebelt wird. Er hat sich deshalb auf die Wette eingelassen, bis 2025 keine E-Mountainbikes in seinem Geschäft zu verkaufen. Gespalten zeigte sich hingegen Bruno Hirschi, der beim Radtouren-Netz Schweiz Mobil Routen plant. Einerseits freut er sich darüber, dass sich zusätzliche Leute in der Natur bewegen, anderseits befürchtet er Konflikte mit Wanderern und anderen Radfahrern auf den schmalen Wegen im Gebirge.

Nicht alle fahren im Hochgebirge

Relativiert wurden diese Bedenken vom Biketouren-Veranstalter und Herausgeber des Fachmagazins Ride, Thomas Giger. Er sieht im E-Mountainbike eine Demokratisierung des Bikesports, welche auch weniger trainierten Fahrern ermöglicht, Alphütten anzusteuern, die sie ohne Motor nicht erreichen würden. Giger glaubt nicht, dass E-Mountainbiker schneller auf den Trails unterwegs sind und weiter in abgelegene Gebiete vorstoßen als Nutzer von motorlosen Bikes. Ungeübte Fahrer würden sich auch mit Motor nicht auf anspruchsvolle Trails wagen, weil ihnen dafür die Fahrtechnik fehlt, und im Hochgebirge, wo Bikes oft auch auf längeren Passagen getragen würden, seien die schweren E-Mountainbikes gänzlich ungeeignet. Unterstützung erhielt er vom Christophe Unternährer, dem Vertriebsleiter von Flyer für den Schweizer Heimmarkt. Er wies darauf hin, dass eine Großzahl der rund 50.000 E-Mountainbikes, die in den letzten drei Jahren in der Schweiz insgesamt verkauft wurden, im dicht besiedelten voralpinen Raum oder sogar als Prestigeobjekt in der Stadt genutzt würden.

Strengere Gesetze vorbeugen

Einig waren sich die fünf Podiumsteilnehmer, dass die neue Fahrzeugkategorie einem Konsumentenbedürfnis entspreche, das sich nicht wieder aus dem Markt entfernen ließe. Übereinstimmend bekräftigten sie aber auch, dass die schnelleren und stärkeren S-Pedelecs im Gelände nichts zu suchen haben. Bei dieser Klasse würde eine Grenze zu Fahrzeugen überschritten, die vom Schweizer Gesetz zu Recht von Mautstraßen verbannt seien. Um weitere gesetzliche Einschränkungen zu verhindern, zeigten sich auch die Befürworter der neuen Geländefahrrad-Klasse offen dafür, die Nutzung zu steuern, wenn die Verbreitung der E-Mountainbikes weiter zunehmen wird. Forderungen nach speziellen Wegen und zusätzlichen Sensibilisierungsmaßnahmen für die Nutzer stießen auf offene Ohren. Damit, so der einhellige Tenor, ließen sich weitere gesetzliche Einschränkungen verhindern, die dann auch E-Mountainbiker der 25k km/h-Klasse und motorlose Biker treffen würden. Darunter wiederum würde nicht nur der langsam aufblühende Biketourismus in der Schweiz leiden, sondern auch die Fahrradbranche.

Erfolgsrezept wird weitergeführt

Das Branchenpublikum nahm regen Anteil an der Diskussion und beklatschte die kernig vorgetragenen Voten für und gegen E-Mountainbikes. Das zeigte nicht nur, dass die Branche bei weitem noch nicht einig ist, wie sie mit dem Trend umgehen soll, sondern auch, dass die Infotech-Veranstalter eine glückliche Hand bei der Auswahl des Diskussionsthemas bewiesen hatten. Damit untermauerten sie die starke Stellung des zweitägigen Schulungsanlasses als Informationsplattform für die Schweizer Fahrradbranche zusätzlich. Daher spricht wenig dagegen, dass die Infotech auch im kommenden Jahr ihre Erfolgsgeschichte fortsetzen kann. 2017 findet der Anlass am 5. und 6. Januar statt.

8. Januar 2016 von Urs Rosenbaum
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