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Das Nangang Exhibition Center war zur Taipei Cycle Show wieder bis auf den letzten Quadratmeter belegt.
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Messebericht Taipei Cycle Show

Gemischte Signale aus Taiwan

Die 29. Austragung der Taipei Cycle Show hinterließ gemischte Eindrücke: Auf Seiten der Aussteller zeigten sich in den Hallen der Nangang Exhibition Hall keine Lücken. Aber bei den Besuchern gehen Brancheninsider trotz anderslautender, offizieller Zahlen von einem klaren Rückgang aus – in Zahlen wie in der Substanz.

Das Nangang Exhibition Center war zur Taipei Cycle Show wieder bis auf den letzten Quadratmeter belegt.Microshift sorgte mit der elektronischen Schaltung eXCD für eine Messe-Überraschung.Naben-Spezialist Chosen zeigte einen Umrüstsatz auf 12fach für Shimano-Schaltungen.Wenn es nach WTB und 3T geht, rollen bald auch Rennräder auf Plus-Size-Reifen.American Classic zieht mit neuen Naben-Modellen jetzt verstärkt auch auf OE-Kunden.

Vordergründig war die 29. Austragung der Taipei Cycle Show ein schöner Erfolg: Die beiden Stockwerke der Nangang Exhibition Hall am Rande der Hauptstadt Taiwans waren restlos ausgebucht. Dazu kam die Sonderschau chinesischer Hersteller im Crossstrait Pavillon im fünften Stock mit über 30 weiteren Ausstellern. Eine Reihe kleinerer, nicht etablierter Anbieter musste zudem mit einem Stand im World Trade Center Vorlieb nehmen, wo parallel zur Taipei Cycle Show die TaiSpo-Messe über die Bühne ging. Auch wenn die beiden Veranstaltungsorte bequem mit der Metro verbunden und einfach zu erreichen waren, blieben diese Aussteller faktisch unter dem Radar der allermeisten Messebesucher. Eine Besserung ist in dieser Hinsicht kurzfristig nicht zu erwarten, denn die geplante Erweiterung des Messezentrums wird für die 30. Ausgabe der Taipei Cycle Show leider noch nicht bezugsbereit sein.

Volle Hallen und große Marken

Dank der Pavillons der europäischen Fahrrad-Industrie-Vereinigung Conebi und des japanischen Instituts für Fahrrad-Förderung JBPI war für ein internationales Flair jenseits der beiden Industrie-Schwergewichte Taiwan und China gesorgt. Neben Giant und Merida klotzten weitere Branchen-Schwergewichte wie Shimano, Sram, KMC, Velo, Maxxis, Kenda, Schwalbe, die Accell-Gruppe oder Alex mit großen Ständen. Deutlich ausgebaut präsentierte sich der Stand der Pon Bicycle Group, an dem neben BBB und Focus auch prestigeträchtige Marken wie Cervélo und Santa Cruz prominent präsentiert wurden. Freie Flächen suchte man in den Hallen der Nangang Exhibition Hall vergeblich. So weit schien alles schön und gut, und darauf konnte auch Taiwans Organisation zur Förderung des Außenhandels Taitra als die Organisatorin der Messe den positiven Abschlussbericht aufbauen.

Dass die Taipei Cycle Show auf Grund ihres Termins im März schon seit einigen Jahren nur noch eine marginale Bedeutung spielt, wenn im Erstausrüster-Geschäft Nägel mit Köpfen im Hinblick auf die übernächste Saison gemacht werden, ist in der Branche ein offenes Geheimnis. Diese Funktion hat schon lange die Taichung Bike Week übernommen, die dafür mit dem Oktober-Termin einfach besser geeignet ist. Der zunehmende Charakter der Taipei Cycle Show als Schaufenster und Kontaktbörse für die Wachstumsmärkte Asien und Ozeanien zeigte sich denn auch bei den Herkunftsländern der internationalen Besucher: Abgesehen von den Vereinigten Staaten und Deutschland schafften es ausschließlich Staaten aus den oben genannten, beiden Großregionen in die Top10.

Asiens Leitmesse schwächelt

Das stärkste Kontingent an ausländischen Besuchern stellte mit Abstand China (inklusive Hong Kong), was auf Grund der engen Verflechtung der Industrien auf beiden Seiten der Taiwan-Strasse zu erwarten war. Ebenfalls in die Top 10 schafften es Japan, Südkorea, Thailand, Singapur, Malaysia, die Philippinen und Australien – und eben die Vereinigten Staaten und Deutschland. Dies unterstreicht die Stellung der Taipei Cycle Show als regionale Leitmesse für Asien und Ozeanien. Daneben waren in Taipeh auch viele Besucher aus Mittel- und Südamerika anzutreffen. Die Zahl der internationalen Besucher gaben die Organisatoren bei der abschließenden Pressekonferenz mit über 8300 an, was offiziell einem Plus von einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr entsprach. Bloß: Diese offiziellen Zahlen sorgten auf Nachfrage hin je nach Gesprächspartner für Verwunderung oder gar Belustigung. Denn manche Brancheninsider rechneten hinter vorgehaltener Hand und auf Grund ihrer eigenen Beobachtungen mit einem Rückgang der ausländischen Besucher um bis zu 25 Prozent.

Besonders stark und offensichtlich war die Abnahme bei den Besuchern aus Europa und Nordamerika: Viele Produktmanager ersparten sich dieses Jahr die lange Reise nach Taipeh. Stattdessen schickten die großen Hersteller vor allem Leute aus der Verkaufs- und Marketingabteilung nach Taipeh, um das eigene Image sowie die Kontakte zu regionalen Vertriebspartnern zu pflegen. Dadurch nahm der Besuch an der Taipei Cycle Show nicht nur in totalen Zahlen, sondern auch in der Substanz spürbar ab. Auffallend war auch, dass an der Taipei Cycle Show nur wenig von der an der Eurobike demonstrativ gelebten Dynamik und Zuversicht der Branche zu spüren war. So richtig voll wurde es in den Gängen des Nangang Exhibition Centre eigentlich nur, als der populäre Bürgermeister von Taipeh Ko Wen-je der Taipei Cycle Show einen Besuch abstattete – ein ansehnliches Rudel von Medienschaffenden aus Taiwan im Schlepptau.

Sorgen aus verschiedenen Gründen

Die Exportnation Taiwan sieht sich in der Region starker, preisaggressiver Konkurrenz gegenüber. Angesichts der hohen Lohnkosten in Taiwan ist dies eine schwierige Ausgangslage, die zu fortdauernder Kostenreduktion zwingt. Neben der Mechanisierung der Fertigung, wie sie etwa Marwi oder FSA vormachen, spielen auch Gastarbeiter, vor allem aus Vietnam und den Philippinen eine Rolle. Zudem wird die Verlagerung von Teilen der Produktion in die Nähe der Absatzmärkte immer mehr zum Thema – im Falle Europas vor allem nach Portugal und Osteuropa. Dass dies nicht nur Hersteller betrifft, die auf Grund ihrer Firmengeschichte eng mit diesen Absatzmärkten verbunden sind, zeigt die Tatsache, dass am Rande der Messe auch die taiwanesische Firma Fritz Jou Manufacturing Investitionen im Bike Valley in Portugal ankündigte.

Wegen des prekären Status als nicht vollwertiges Mitglied der Staatengemeinschaft ist Taiwan auch in Zollfragen benachteiligt. So fallen zum Beispiel beim Export nach Indien höhere Zölle an, als wenn das Herkunftsland Vietnam oder Kambodscha wäre. Im Hinblick auf das transpazifische Freihandelsabkommen TPP könnte sich diese Problematik nochmals verschärfen. Dazu kommt, dass der Wechselkurs des US-Dollars als der Leitwährung in der Fahrrad-Industrie Asiens zurzeit ungünstig hoch ist. Diese Sorgen kamen denn auch in Gesprächen zwischen Ausstellern und Fachbesuchern immer wieder zur Sprache. Und während die Konsumentenstimmung und damit das Geschäftsvolumen in Europa wieder anziehen, ist China als Absatzmarkt für hochwertige Produkte „made in Taiwan“ um gut 30 Prozent eingebrochen. Was sich in der Export-Statistik Taiwans deutlich niederschlägt.

Neuheiten vor allem im Zubehörbereich

Dazu kommt die Konkurrenz durch die Shanghai Show, mit der China der Taipei Cycle Show das Wasser abzugraben sucht. Diese Messe ist übrigens, neben dem gemessen an der Haupt-Abverkaufszeit des Fachhandels deutlich zu frühen Termin, der zweite gewichtige Grund, warum es in Taipeh weitgehend an neuen Produkten mangelte – zumal an kompletten Fahrrädern. „Die Zeit zwischen diesen beiden Messen reicht für chinesische Produzenten aus, um in Taipeh präsentierte Neuheiten nachzubauen und in Shanghai als eigene Innovation zu präsentieren. Darum hüten sich Hersteller aus Taiwan davor, neue Produkte in Taipeh zu präsentieren", erklärt dazu Mario Zimmermann, europäischer Sales- und Marketingmanager des Reifenherstellers VeeTire. Globale Konzerne ziehen für Mountainbike-Produkte die Sea Otter Classic und für Rennräder die Frühjahrsklassiker oder den Start des Giro d’Italia als Launch-Termin vor.

So beschränkten sich die Neuheiten weitgehend auf den Zubehörbereich, wo es dafür einige echte Überraschungen zu sehen gab. So stellte Microshift an der Heimmesse überraschend und ohne vorhergehende Ankündigung die elektronische Schaltung „eXCD“ für Mountainbikes vor. Der Naben-Spezialist Chosen warf den beiden großen Komponenten-Anbietern Shimano und Sram mit einer eigenen Zwölfgang-Kassette inklusive an einen Trigger-Schalthebel von Sram erinnernden Schalthebel den Fehdehandschuh hin. Kombinieren lässt sich der Schalthebel dieses „Doz“ genannten Systems mit Schaltwerken von Shimano. Diese Neuheit hatte sich für ganz aufmerksame Beobachter jedoch bereits an der Eurobike angekündigt. American Classic zeigte eine Nabenserie, die sich mit einem vereinfachten Freilauf-Mechanismus vor allem an OE-Kunden richtet, die der Laufrad-Spezialist vermehrt anziehen möchte.

Um die Montage von Tubeless-Reifen zu erleichtern, lancierte Lezyne in Taipeh die modifizierte, mit je einem schlanken und einem voluminösen Zylinder ausgestattete „Pressure Overdrive“-Standpumpe, und bei Birzman gab es eine ganze Reihe genauso innovativer wie kompakter Werkzeuge zu entdecken. Zudem hatte fast jeder Hersteller von Felgen, Laufrädern oder Reifen neue Produkte für die Plus-Size- und Gravelbike-Trends am Start. Die wohl größte Neuheit der Messe war am Stand von WTB zu finden: Hier wurde erstmals überhaupt der „Horizon“-Slick gezeigt. Dieser weist die Dimension 650Bx47 auf und soll in alle Rennräder passen, die für 30mm breite Reifen ausgelegt sind – ob Komfort-Renner oder Gravelbike. Und davon gibt es auf diese Saison hin bereits eine Menge. Mit 3T konnte ein erster Hersteller in Taipeh bereits passende Laufräder mit Felgen aus Aluminium oder Carbon präsentieren. Viele Hersteller werden auf die Eurobike hin nachziehen.

Im kommenden Jahr steht für die Taipei Cycle Show ein runder Geburtstag an: Die größte Fahrrad-Fachmesse Asiens feiert dann den 30. Geburtstag. Im Kalender wird die Messe wieder um drei Wochen nach hinten rücken und vom 22. bis am 25. März 2017 über die Bühne gehen.

10. März 2016 von Laurens van Rooijen
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