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Claus Fleischer
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Interview mit Claus Fleischer, CEO Bosch eBike Systems

„Strategisch sind wir zu einem wichtigen Baustein für Bosch geworden“

Das E-Bike ist schon heute mit Abstand das erfolgreichste Elektrofahrzeug in Europa und der Technologie-Konzern Bosch gilt als führender Hersteller von Antriebssystemen für diese Fahrzeugklasse. In einem Interview, das velobiz.de in Auszügen veröffentlicht, äußerte sich der Chef der E-Bike-Sparte von Bosch, Claus Fleischer, zur Marktsituation und beleuchtet dabei beide Seiten - Industrie und Fachhandel.

Claus FleischerMeilensteine von Bosch eBike Systems

{b}Man hat den Eindruck, dass mittlerweile die halbe Branche am Tropf von Bosch eBike Systems hängt. Führt das zu mehr Freude oder Respekt?{/b}

Wir sind uns bewusst, dass wir eine hohe Lieferverantwortung haben. Zu der stehen wir auch. Gegenüber den Fahrradherstellern ist die Lieferfähigkeit sehr wichtig. Wir müssen die Kapazitäten bereitstellen und für das neue Modelljahr vorproduzieren. Und da investieren wir kräftig.

{b}Wie ist die Stellung von Bosch eBike Systems innerhalb des Unternehmens?{/b}

Die Umsätze unseres Geschäftszweigs sind tatsächlich nur in der Größenordnung von Rundungsfehlern beim Gesamtumsatz der Bosch-Gruppe zu sehen. Strategisch sind wir aber zu einem wichtigen Baustein geworden, der zeigt, wie Elektromobilität funktioniert.

{b}Da lernt die Automobilindustrie tatsächlich von der Fahrradbranche?{/b}

Ja. In der Fahrradindustrie, und das ist ja der Charme der Branche, sind die Zyklen, ein neues Produkt in den Markt zu bringen, viel kürzer und den Markterfolg sieht man viel schneller als beim Automobil. In der Automobilindustrie sind viel größere Investitionen und Vorleistungen nötig.

{b}Inwiefern profitiert Bosch von der Struktur der Fahrradbranche?{/b}

Die Fahrradbranche ist kleinteiliger als die Automobilbranche. Wenn gefragt wird, dass sich die Fahrradbranche der Automobilindustrie annähern soll, muss man gut überlegen: Möchte man diese Konsolidierung wirklich? Heute gibt es beim Automobil noch etwa zehn relevante Hersteller mit ca. 20 Marken. Die Konsolidierung beim Fahrrad hat nie richtig stattgefunden. Wenn die Marken der Hersteller so breit aufgestellt sind, ist es natürlich für die Marken der Komponentenlieferanten einfacher, sich zu präsentieren.

{b}Bosch hat am Anfang nur große Hersteller bedient. Unterdessen beliefert Bosch auch kleinere Kunden. Sind die kleinen Hersteller für Bosch überhaupt wichtig?{/b}

Wir haben den Anspruch, den Fahrradherstellern einen optimalen Service zu bieten. Deshalb unterstützen wir sie bei der Entwicklung und Fertigung. Auch von kleinen spezialisierten Firmen, zum Beispiel für Tandems, Cargoräder oder Ähnliches gibt es eine Nachfrage. Wir sind froh, dass wir die kleinen Hersteller nun über die Firma Universal Transmissions von Kalle Nicolai bedienen können. Er ist unser Kunde und die kleinen Hersteller sind seine Kunden. Nicolai macht das schon für Gates, kennt all die kleinen Firmen – das schafft zusätzliche Agilität.

{b}Wie wird sich das Verhältnis zwischen großen und kleinen Herstellern in den nächsten Jahren verändern?{/b}

Es wird zum einen eine Konsolidierung geben. Große Gruppen werden sich weitere Marken dazukaufen wie zum Beispiel die Pon-Gruppe Santa Cruz übernommen hat. Gleichzeitig werden immer wieder neue Hersteller auftauchen, weil die Eintrittshürde in die Fahrradbranche relativ niedrig ist: Man braucht eine gute Idee, eine gute Marke und ein bisschen Kapital. Zum Vergleich: Der ehemalige Chefentwickler von Lapierre hat sich selbstständig gemacht und die Marke Moustache gegründet. Dass der Chefentwickler von BMW eine eigene Automobilmarke ins Leben ruft, ist unvorstellbar. Ich glaube an zwei wesentliche Trends: Konsolidierung und Erneuerung. Und da entstehen spannende neue Sachen.

{b}Wie sehen Sie die Entwicklung beim Handel?{/b}

Bei den Fahrradhändlern sieht man etwas Ähnliches wie bei den Herstellern: Es gibt sowohl Tendenzen zur Konsolidierung als auch zur Erneuerung. In Deutschland erstarken die großen Ketten gerade. Sie sind fachlich kompetent, verfügen über grosse Werkstätten und gut ausgebildetes Personal, und sprechen mit ihrem breiten Sortiment alle Kundengruppen an. Auf der anderen Seite gibt es auch im Fahrradhandel erfolgreiche Newcomer, die sich zum Beispiel auf E-Bikes konzentrieren.

{b}Was raten Sie dem Handel?{/b}

Die Anforderungen an den Handel sind mit dem E-Bike größer geworden. Der Kapitalbedarf ist gestiegen: Nicht nur die Einkaufspreise sind höher, auch der Investitionsbedarf in Werkstatt und Schulungen steigt. Und die Entwicklung geht rasend schnell. Der Handel muss am Ball bleiben und in sich selbst, in Werkstattausrüstung und vor allem in seine Mitarbeiter investieren, um die nötigen Kompetenzen auf- und auszubauen.

{b}Juckt es Bosch nicht, weitere spezifische E-Bike-Komponenten zu entwickeln?{/b}

Natürlich schaut man als Unternehmen immer nach angrenzenden Geschäftsfeldern. Bei Motor, Akku und Elektronik liegen unsere Kernkompetenzen. Das Know-how für Ketten, Getriebe, Schaltungen, Bremsen liegt in anderen Industriebereichen. Stattdessen suchen wir die Kooperation mit Unternehmen, die das können, wie zum Beispiel mit Sram. Wir haben noch viele Ideen, wie wir Akku, Antrieb, Display und Vernetzung verbessern können.

{b}Wohin geht die Reise bei den Motoren?{/b}

Unsere aktuelle Linie geht jetzt ins vierte Jahr. Natürlich entwickeln wir bei den Motoren weiter. Wir gehen von einem Produktzyklus von circa vier bis fünf Jahren aus. Kürzere Zyklen rechnen sich nicht, da die Investitionskosten in die Entwicklung, die Fertigung und die Werkzeuge sehr hoch sind.

{b}Ist für Bosch ein kleines, leichtes System mit weniger Leistung ein Thema?{/b}

Darüber wird kontrovers diskutiert. Im Markt gewinnen aktuell der stärkste Motor und der leistungsfähigste Akku. Nachdem wir den 400-Wh-Akku auf den Markt brachten, war das 300-Wh-Modell praktisch nicht mehr gefragt. Und das Spiel wiederholt sich beim 500-Wh-Akku, obwohl die 400-Wh-Version in den meisten Fällen ausreichen würde. Auch beim Motor beobachten wir das: Viele Kunden fahren die Bosch-Performance-Ausführung, würden aber mit dem Active vollkommen zurechtkommen. Die Konsumenten sagen zwar, sie hätten die Motoren gerne kleiner, leichter und günstiger. Trotzdem kaufen sie letzten Endes die stärkste Variante. Grundsätzlich können Motoren nur auf Kosten des Drehmoments kleiner und leichter gebaut werden. Hohes Drehmoment erreicht man nur mit viel Kupfer, Magnet und Stahl.

{b}Und wo liegt die obere Leistungsgrenze der Motoren?{/b}

Ich hoffe, dass es beim CX-Motor mit seinen 75 Nm Drehmoment bleibt. Mehr braucht eigentlich im Fahrrad keiner.

{b}Bislang zeigten sich die Rennradfahrer unbeeindruckt vom E-Bike-Trend. Wird der Elektromotor auch dort Einzug halten?{/b}

Ich glaube schon. Irgendwann wird es ein E-Motoren-Segment für Rennradfahrer geben. Gerade am Berg merkt man irgendwann die nachlassende Fitness. Ich denke, dass ein oder andere Rennradfahrer einmal sagen wird: So einen 200-Watt-Motor mit einem 200-Wh-Akku für meine Tagestour, das wäre was.

Das Interview mit Claus Fleischer führte velobiz.de-Mitarbeiter Marius Graber.

21. Dezember 2016 von Marius Graber

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