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Mit über 30.000 Teilnehmern konnte die Interbike ihr Rekord-Ergebnis aus dem Vorjahr wiederholen.
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Die Ära der Fahrrad-Commuter bricht an

Interbike: US-Branche blickt in eine spannende Zukunft

Auf der amerikanischen Fachmesse Interbike, die soeben wieder vom 22. bis 26. September in Las Vegas stattfand, herrschte eine außergewöhnliche Stimmung. Hohe Benzinpreis und die Achterbahn-Fahrt der US-Wirtschaft treiben immer mehr Verbraucher in die Bike-Shops, wo sie Alternativen zum Automobil suchen und bei Urban Bikes oder Falträdern fündig werden. Aber auch der Absatz von Zubehör und Accessoires wird von dieser Entwicklung beflügelt. Der amerikanische Fahrradmarkt und mit ihm seine wichtigste Fachmesse verändert sich vor diesem Hintergrund: Zwar ist Radsport, egal ob auf oder abseits der Straße noch immer ein wichtiger Branchenmotor, doch gleichzeitig gewinnt das Fahrrad als zeitgemäße, ja sogar trendige Mobilitätsalternative immer mehr Bedeutung. Von der Interbike berichtet Gary Boulanger, US-Korrespondent von bikeradar.com.

Mit über 30.000 Teilnehmern konnte die Interbike ihr Rekord-Ergebnis aus dem Vorjahr wiederholen.5000 Teilnehmer machten den zweitägigen Demo Day vor der Interbike wieder zu einem Special Event.Die Benzinpreise verändern die amerikanische Mobilitätslandschaft. Zu sehen auch bei Faltrad-Hersteller Dahon, der die Messebesucher raten ließ, wie viele Dahon-Fahrräder in einen Prius passen.Die Premiere der cityorientierten QBP-Marke Civia erntete viel Aufmerksamkeit auf der Messe.Lance Armstrong beim Querfeldein - ein ungewohnter Anblick, der den Zuschauern aber sichtlich gut gefallen hat.Joe Breezer hatte mit seinen Transportation Bikes mal wieder den richtigen Riecher.Der amerikanische Wahlkampf ging auch an der Interbike nicht völlig spurlos vorbei, wie hier am Stand von Chrome Bags aus San Francisco.

Selten zuvor ließen sich auf der Interbike bei großen und kleinen Anbietern so viel Einfallsreichtum und Innovationen beobachten, die zumindest nicht ausschließlich für eine sportliche Anwendung gedacht sind. Dazu gehören viele Riemenantriebe, aber auch Bambus als neues Material für Rahmen, Schutzbleche und Gepäckträger sowie eine ganze Lawine an Fixed-Gear-Modellen. Bekannte Anbieter, wie Giant, Raleigh, Masi, Fuji und Schwinn, haben ihre Modelle zudem darauf getrimmt, die oft langjährige Tradition ihrer Marken zu reflektieren. Neue Anbieter, wie die QBP-Marke Civia, haben sich mit ihren 2009er Modellen wiederum von der nordamerikanischen Rahmenbauer-Szene inspirieren lassen.

Das Fahrrad hat als Verkehrsmittel in den USA zwar bei weitem noch nicht den Status wie in Europa, doch eine solche Entwicklung ist zumindest vorstellbar. Auch das Argument, die Wege in den USA seien zu weit, als dass sich das Fahrrad als Verkehrsmittel durchsetzen könnte, wurde jüngst erst widerlegt: Eine Studie des amerikanischen Verkehrsministeriums zeigte, dass in den USA inzwischen 40 % aller zurückgelegten Wege mit dem Auto kürzer als zwei Meilen (rund 3,2 km) sind. Und die statistische Bundesbehörde der USA meldete kürzlich, dass 80 % der Amerikaner in Städten leben.

Statistisch betrachtet spricht also nichts dagegen, dass das Fahrrad auch in amerikanischen Städten das Verkehrsbild prägt. Und auch die Medien entdecken zunehmend das Bike: Zahlreiche wichtige Zeitungen berichteten von der Interbike, die Zahl der auf der Messe akkreditierten Journalisten war mit 550 so hoch wie noch nie. Weitgehend unverändert blieb dagegen die Zahl der Aussteller und Messeteilnehmer: Mit 1100 Ausstellern und 23.000 Teilnehmern (wobei in den USA Personal der Aussteller und Besucher zusammen gezählt werden) konnte das Rekord-Niveau der letztjährigen Interbike wieder erreicht werden.

Breezer und Sram beschäftigen die Fachmedien

Die Branchen-Nachrichten auf der Interbike waren neben der Lehman-Beteiligung bei Sram vor allem auch vom Verkauf der Marke Breezer an Advanced Sports Inc. (ASI) geprägt. Der neue Inhaber, der bereits mit den Marken Fuji, SE Bikes und Kestrel im Fahrradmarkt unterwegs ist, will nun an die Tradition der von MTB-Pionier Joe Breeze gegründeten Marke anknüpfen. Zumal Breeze auch einer der frühen Vorreiter für urbanes Biken in den USA ist: „Joe ist ein Pionier“, sagt Patrick Cunnane, Präsident von ASI. „Er hat einst großartige Mountain Bikes in einen Markt gebracht, der erst durch ihn entstanden ist. Und auch mit Transportation Bikes hat er wieder einen neuen Markt in den USA geschaffen. Wir glauben, dass diese Räder sich künftig zum wichtigsten Marktsegment entwickeln werden. Vor dem Hintergrund der Benzin-Preise, verstopfter Straßen, aber auch des Übergewichts in der Bevölkerung sind Transportation Bikes, insbesondere jene von Breezer, das passende Produkt für jetzt und die Zukunft“, so der ASI-Chef weiter.

Für positive Nachrichten sorgte dann auch noch Sram, als während der Messe bekannt wurde, dass die 200-Millionen-Beteiligung von Lehman Brothers Merchant Banking (LBMB) trotz insolventer Muttergesellschaft wie geplant stattfinden soll. Laut Sram-Präsident Stan Day gelte für das Unternehmen trotz des neuen Teilhabers aber „ Business as usual“. Einzige gegenwärtig wahrnehmbare Änderung werde der Eintritt der LBMB-Manager Charlie Moore und Bill Lovejoy in den Sram-Vorstand sein. Ansonsten gebe es im Management des Komponentenherstellers keine Änderungen.

Für weit mehr Aufsehen sorgte da die Ankündigung von Lance Armstrong in einer Pressekonferenz, künftig als Aushängeschild für Sram-Komponenten anzutreten. Der Radsportler, der vor allem in den USA eine riesige Popularität besitzt, soll dabei als Testimonial fester Bestandteil der Marketing-Aktivitäten von Sram werden. Er wird darüber hinaus auch als technischer Berater bei der Entwicklung neuer Produkte mitwirken. „Wir freuen uns auf seinen Input und werden alles tun, um seine Rückkehr in den professionellen Radsport zu unterstützen“, sagt Sram-Präsident Day.

Einen ersten Vorgeschmack auf den Radsport-Hype, den Armstrong in den USA erneut auslösen könnte, erhielten die Teilnehmer der Interbike bei CrossVegas, einem Quer-Rennen, das unter Flutlicht erstmals parallel zur Fachmesse am Rand der Wüstenmetropole stattfand. Über 15.000 Zuschauer verfolgten das Rennen, bei dem neben Armstrong auch der Schweizer Thomas Frischknecht antrat, und das vom amerikanischen Quer-Meister Ryan Trebon gewonnen wurde.

Spätestens seit dessen Landsmann Jonathan Page im vergangenen Jahr die Silber-Medaille bei den Cross-Weltmeisterschaften gewann, finden auch die Amerikaner an dieser Sportart zunehmend Gefallen. Die Stände der Cross-Ausrüster, wie Ridley, Orbea, BH, GT und Specialized, standen auf der Interbike entsprechend im Mittelpunkt des Besucherinteresses. Was bis vor kurzem noch als Subkultur im amerikanischen Markt gehandelt wurde, hat sich in kurzer Zeit zu einem der am schnellsten wachsenden Segmente entwickelt.

"Good things to come"

Die Interbike markiert als wichtigste Fachmesse auch für den amerikanischen Fahrradmarkt das Ende eines Modelljahres und den Beginn eines neuen. Das in den USA ein neues Zeitalter für das Fahrrad anbricht, lag auch schon in den vergangenen Jahren in der Luft. Doch so konkret greifbar wie in diesem Jahr war diese Stimmung bisher nie. Auch die Aufmerksamkeit, die der amerikanische Fahrradmarkt dabei von ausländischen Marktteilnehmern erfährt, wird in der US-Branche durchaus registriert. Das Fahrrad als Transportmittel ist dabei, ein Trend in den USA zu werden. Als Sportgerät sind Rennräder und Mountainbikes schon länger sehr populär in der amerikanischen Bevölkerung. Und diese Popularität wird angesichts der zunehmenden Bedeutung von Fitness und Gesundheit wohl sogar noch weiter steigen. Tenor auf der Interbike war deshalb: „It looks like good things to come for 2009”.

1. Oktober 2008 von Gary Boulanger

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