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Für E-Bikes und Pedelecs gilt europaweit künftig eine einheitliche Norm
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ZIV-Technikchef im Interview:

Neue Europanorm erhöht das Sicherheitsniveau von Pedelecs

Die neue EN-Norm 15194 für E-Bikes und Pedelecs kommt – und zwar sehr bald. Noch bevor die Norm ins nationale Normenwerk übernommen wird, wurde heftig darüber spekuliert, welche Auswirkungen sie auf Hersteller, aber auch auf Fahrradhändler haben wird. Von "einschneidenden Veränderungen des E-Bike-Markts“ war mancherorts bereits die Rede. Im Interview mit velobiz.de relativiert Siegfried Neuberger, Vorsitzender des technischen Komitees TC333 und technischer Geschäftsführer des Zweirad Industrie Verbandes (ZIV), solche Aussagen und stellt aber gleichzeitig auch klar, dass Behörden mit den neuen Standards künftig gegen unsichere Produkte vorgehen können.

Für E-Bikes und Pedelecs gilt europaweit künftig eine einheitliche NormSiegfried Neuberger

{b}velobiz.de: Die EN-Norm 15194 für elektrisch angetriebene Fahrräder hat die letzte Hürde in Brüssel genommen. Wann ist damit zu rechnen, dass die neue Norm umgesetzt wird?{/b}

Siegfried Neuberger: Die Mitgliedsländer der europäischen Normenorganisation CEN haben mit 19 Zustimmungen und 8 Enthaltungen die europäische Norm EN 15194 mit sicherheitstechnischen Anforderungen und Prüfungen für Fahrräder mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb verabschiedet. Ich gehe davon aus, dass die europäische Norm im Januar 2009 veröffentlicht wird. Danach müssen die Normenorganisationen der Mitgliedsländer die EN in das nationale Normenwerk übernehmen. In Deutschland bedeutet dies, dass wir eine DIN EN 15194 bekommen werden, die voraussichtlich im Frühjahr 2009 erscheint.

{b}velobiz.de: Was steht in der Norm tatsächlich drin. Was sind die wichtigsten Regelungen der Norm?{/b}

Siegfried Neuberger: Die Norm beinhaltet schwerpunktmäßig Anforderungen und Prüfungen für elektrische und elektronische Bauelemente von so genannten Pedelecs. Der Geltungsbereich der Norm ist auf solche Elektrofahrräder begrenzt, die eine maximale Antriebsleistung von 250 Watt aufweisen und eine Höchstgeschwindigkeit mit Tretunterstützung von 25 km/h haben.Diese Elektrofahrräder, bei denen der elektrische Zusatzantrieb nur dann den Radfahrer unterstützt, wenn dieser in die Pedale tritt, gelten in Deutschland und in den meisten anderen europäischen Staaten als Fahrräder, dürfen also ohne Betriebserlaubnis, Führerschein, Helm und Versicherungsnachweis gefahren werden.

Hinsichtlich der Prüfung der einzelnen Bauteile. wie z.B. Rahmen, Gabel oder Bremsen, wird in der Norm auf die EN 14764 für City- und Trekkingfahrräder verwiesen, so dass diese Anforderungen für die Prüfungen herangezogen werden müssen.

Die EN 15194 beinhaltet u.a. Anforderungen und Prüfungen für das Motormanagement, die elektrischen Verkabelungen und Anschlüsse, die Beständigkeit gegen Feuchtigkeit sowie die mechanische Festigkeit der Batteriegehäuse. Außerdem sind Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit der Produkte aufgenommen worden.

{b}velobiz.de Welche Auswirkungen hat diese neue Norm in der Praxis für Hersteller von E-Bikes und Pedelecs?{/b}

Siegfried Neuberger: Durch die Überprüfung ihrer Produkte mit Hilfe der Anforderungen in der neuen EN 15194 können die Hersteller oder Importeure sicherstellen, dass ihre Pedelecs den gesetzlichen Anforderungen z. B. hinsichtlich der Höchstgeschwindigkeit oder der maximalen Motorleistung entsprechen. Darüber hinaus soll die Norm im Rahmen der allgemeinen Produktsicherheitsgesetze dem Hersteller den Nachweis ermöglichen, dass sein Produkt sicher ist.
Schon zum jetzigen Zeitpunkt müssen alle elektrischen und elektronischen Geräte dem Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) entsprechen. Das bedeutet also, dass die Norm nicht etwa höhere Anforderungen erhebt, sondern praktikable Prüfbedingungen enthält, wie E-Bikes oder Pedelecs den Nachweis der elektromagnetischen Verträglichkeit erbringen können. Es ist deshalb wichtig darauf hinzuweisen, dass auch schon zum heutigen Zeitpunkt E-Bikes und Pedelecs, wie fast alle anderen elektrischen und elektronischen Produkte, eine Prüfung und CE-Kennzeichnung benötigen, um die Übereinstimmung mit der EMV-Richtlinie zu ermitteln und zu dokumentieren. Die Norm wird also dazu beitragen, das Sicherheitsniveau der Produkte zu erhöhen und somit dem Hersteller, Importeur, Händler und Endverbraucher eine größere Sicherheit bei der Herstellung, dem Vertrieb und der Nutzung der Produkte zu geben.

{b}velobiz.de: Inwiefern wird sich der E-Bike-Markt in Europa durch die neue Norm verändern? Sind die Folgen so drastisch, wie im Vorfeld spekuliert wurde?{/b}

Siegfried Neuberger: Ich denke schon, dass sich die E-Bikes und Pedelecs insbesondere in den europäischen Märkten verändern müssen, in denen überwiegend preiswerte Importwaren aus Fernost vertrieben werden. Diese Fahrzeuge entsprechen, wie wir von unseren europäischen Kollegen erfahren haben, oftmals nicht den Anforderungen, die ein solches Produkt erfüllen muss. In Deutschland werden sich nach meiner Auffassung durch die neue Norm keine gravierenden Änderungen ergeben, da der größte Teil der vertriebenen E-Bikes und Pedelecs bereits dem Stand der Technik entspricht. Zusätzliche Investitionen werden nur dann erforderlich sein, wenn zum Beispiel der Nachweis über die elektromagnetische Verträglichkeit bisher entgegen der EMV-Richtlinien noch nicht erbracht wurde. Dies würde jedoch bedeuten, dass diese Produkte den heute bereits geltenden Gesetzen nicht entsprochen haben.

Ziel muss es sein, ein möglichst einheitliches Sicherheitsniveau in ganz Europa zu schaffen, um zum Einen den freien Handelsverkehr zu ermöglichen, zum Andern aber ein Mindestniveau für die Sicherheit dieser Fahrzeuge zu definieren. Sobald solche Standards vorliegen, haben auch die Behörden die Möglichkeit, gegen nicht sichere Produkte vorzugehen und diese im schlimmsten Fall vom Markt nehmen zu lassen.

{b}velobiz.de: Muss der Handel bei seiner Einkaufspolitik für die kommende Saison diesbezüglich etwas beachten?{/b}

Nach meiner Auffassung werden alle namhaften Anbieter von Pedelecs und E-Bikes die Anforderungen der Norm und der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen, wie z. B. der EMV-Richtlinie, bei ihren Fahrzeugen berücksichtigen. Der Fachhandel sollte selbstverständlich darauf achten, Markenprodukte zu vertreiben, bei denen er davon ausgehen kann, dass diese dem Stand der Sicherheitstechnik und den geltenden Vorschriften entsprechen.

{b}velobiz.de: Herr Neuberger, vielen Dank für das Gespräch!{/b}

3. November 2008 von Jürgen Wetzstein

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