Die Pläne von Giant, Scott, Specialized und Trek
Concept Stores & Co.: In welche Richtung steuert die Branche?
Es gibt ein paar Eigenschaften, die eine Marke als Kandidaten für Concept Stores kennzeichnen. Wie etwa das Marken-Image, das quasi als Grundvorausetzung für ein Monomarken-Geschäft stark genug sein muss, dass ein Verbraucher allein schon wegen seiner Affinität zu dieser Marke einen bestimmten Laden aufsucht. Typische Beispiele sind Bang & Olufsen im Elektronik-Sektor oder Timberland bei Schuhen und Bekleidung.
In unserer Branche gibt es aber noch weitere Faktoren, die bei der Entscheidung pro oder contra Concept Store eine Rolle spielen. Zum Beispiel eine sehr umfangreiche Fahrradmodellpalette, die ein mehrere Marken verkaufender Händler oft gar nicht mehr vollständig und erst recht nicht in allen Farben und Größen darstellen kann. Zumal bei manchen Anbietern zum Fahrradprogramm noch ein großes Accessoires- und Bikewear-Sortiment dazukommt, das die Lückenhaftigkeit im Sortiment noch verstärkt.
Wo ein bestimmtes Produkt einer bestimmten Marke erhältlich ist, wird dann für Hersteller und Verbraucher nicht selten zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Jeder, der in der Industrie schon einmal eine Verbraucher-Hotline betreut hat, kennt das Problem aus eigener Erfahrung: Es ruft ein potenzieller Käufer an, der einen Händler für ein bestimmtes Produkt sucht. Meistens hilft dann nur, die Adresse von zehn Händlern im Umkreis zu nennen und viel Glück bei der Suche zu wünschen.
Specialized sprengt den üblichen Rahmen
Ein Anbieter mit einem der wohl umfangreichsten Programme unter einem einzelnen Markenamen ist Specialized. Das amerikanische Unternehmen bietet vom Kinderrad über Trekkingräder bis hin zu sündteuren Mountainbikes und Rennrädern fast alles, was die Fahrradpalette zu bieten hat. Doch damit nicht genug: Dazu kommt noch ein Helmprogramm, ein Schuhprogramm, ein Bekleidungsprogramm, ein Brillenprogramm und ein Zubehör-Programm, mit deren Tiefe und Innovationsgrad Specialized auch Spezialanbietern in den einzelnen Segmenten das Wasser reichen kann. Und last but not least werden über den Fachhandel nicht nur Produkte angeboten, sondern unter der Bezeichnung BG Fit neuerdings auch noch ausführliche Körpervermessungen und Ergonomieberatungen als Dienstleistung für den Verbraucher.
Auch wenn es laut Anne Barbrock, die in Deutschland das Handelsmarketing von Specialized steuert, durchaus viele Händler gebe, die die gesamte Produktvielfalt und das spezielle Know How der Marke darstellen, dürfte dennoch auf der Hand liegen, dass mit dem Sortiment der Amerikaner die Möglichkeiten im herkömmlichen Fachhandel gesprengt werden. Zumal nur die wenigsten Specialized-Händler in Deutschland mehr als 500 qm Ladenfläche besitzen.
Ein ganz ähnliches Bild bietet sich dem Bike-Anbieter auch in seinem amerikanischen Heimatmarkt. Dort hat Specialized deshalb schon vor einigen Jahren angefangen, bestehende Handelspartner als Concept Store zu gewinnen. Inzwischen gibt es in den USA knapp 40 Läden, die als Specialized Concept Store auftreten und ausschließlich die Produkte der Marke verkaufen. Daneben gibt es bisher drei Concept Stores in Großbritannien und seit kurzem auch einen in Schanghai.
Vor wenigen Wochen hat Specialized nun die Eröffnung des ersten deutschen Concept Stores in Nürnberg für das kommende Frühjahr angekündigt, kurz darauf einen zweiten im hessischen Korbach. Die weiteren Ziele sind ambitioniert: „Wir wollen in den nächsten drei Jahren rund 13 Händler im deutschsprachigen Raum als Concept Store gewinnen“, sagt Anne Barbrock im Gespräch mit velobiz.de. Insgesamt arbeitet Specialized in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit rund 400 Fachhändlern zusammen.
Giant: Vorreiter in Deutschland
Der aus Taiwan stammende Fahrradhersteller Giant hat gegenüber seinem Mitbewerber aus Amerika schon einen kleinen Vorsprung: Neben rund 60 Fahrradhändlern in Deutschland, die unter dem Titel Giant Store Inside – oder kurz GSI - einen Shop in Shop der Fahrradmarke führen, gibt es bereits zwei Partner im Handel, die als Giant Bicycles Store (GBS) ausschließlich das Programm der Marke anbieten. Für 2008 sei die Verdoppelung auf 120 GSI- und 4 GBS-Stores geplant, erklärt Oliver Hensche, der bei Giant-Deutschland die Leitung von Vertrieb und Marketing verantwortet. Ziel des Fahrradherstellers sei nicht nur der Aufbau eines „autarken und langfristig gesicherten Durchverkaufkanals“, es gehe auch um „die Erzeugung eines bestimmten Gefühls, sobald man Kontakt mit der Marke Giant aufnimmt.“ Mit den herkömmlichen Strukturen im Fahrradhandel sei das nicht zu machen, meint Hensche: „Ich bin der Meinung, dass nur markenreine Shops in der Lage sind, solche eindeutige Statements abzugeben.“ Die würden im Gegenzug von einem gesteigerten Abverkauf zu höheren Durchschnittspreisen profitieren, der durch die „hochwertige Warenpräsentation, eine professionellen Produktkommunikation am POS und eine zeitnahe Lieferung“ erreicht werde.
Trek: Pläne liegen in der Schublade
Der amerikanische Fahrradhersteller Trek, Marktführer im eigenen Land, war in den USA einer der Vorreiter bei der Einführung von Concept Stores. Den ersten vor den Türen des eigenen Werks in Madison hat der Fahrradhersteller bereits in den Neunziger Jahren selbst eröffnet und dort Ideen und Konzepte für nachfolgende Trek Stores entwickelt. Seitdem konnten rund 60 Händler als Betreiber eines Concept Stores gewonnen werden. Concept Store, das bedeutet bei Trek: Einrichtung, Außenelemente und Warenwirtschaftsystem werden von dem Fahrradhersteller geliefert. Außerdem werden die Mitarbeiter von Trek regelmäßig geschult. Das typische Finanzierungsvolumen, das ebenfalls von Trek zur Verfügung gestellt wird, für den Umbau zum Concept Store liegt bei rund 200.000 bis 300.000 USD. Im Gegenzug verpflichten sich die Händler, mindestens 80 % ihres Absatzes mit Produkten aus dem Programm von Trek zu bestreiten. Das hört sich zunächst nach viel an, allerdings ist Trek in den USA auch einer der wichtigsten Großhändler für Zubehör und Accessoires im Fahrradmarkt.
„Wir denken über solche Stores durchaus auch in Deutschland nach“, sagt Harald Schmiedel, Geschäftsführer der für den deutschen Sprachraum zuständigen Trek Fahrrad GmbH. Eine Besonderheit ist dabei das Programm der Amerikaner, das in Deutschland seit der Übernahme von Diamant eine Bandbreite von Omas Einkaufsrad bis hin zu Lance Armstrongs Rennmaschine umfasst. „Wir können dem Händler ein Sortiment bieten, das ihm erlaubt, zu 100 % mit uns zu arbeiten“, sagt Schmiedel. Der Trek-Manager vermittelt im Gespräch mit velobiz.de den Eindruck, dass die Einführung von Trek Stores in Deutschland bereits beschlossene Sache sei. Auch vom Handel würden entsprechende Anfragen immer häufiger gestellt. „Wir sind aber noch nicht soweit“, erklärt Schmiedel.
Abgesehen vom finanziellen Aufwand, der auf Trek mit der Einführung von Concept Stores zukäme, müssten vor allem auch personell und organisatorisch einige Weichen vorab gestellt werden. In den USA beschäftigt Trek beispielsweise alleine 18 Mitarbeiter für die Einrichtung der Stores. Hierzulande müsste zumindest ein Ladenbauer gefunden werden, mit dem man den Umbau der Läden zusammen durchführen kann.
Im kommenden Jahr wird es demnach wohl noch keine Trek Stores in Deutschland geben, für 2009 scheint es aber durchaus wahrscheinlich zu sein. Keinen Zweifel lässt Schmiedel allerdings daran, dass der Fahrradhersteller keine Alleingänge ohne seine Handelspartner unternehmen wird: „Wenn wir Concept Stores einführen, dann nur zusammen mit unseren Händlern.“
Scott: Wilde Ehe mit dem Handel
Auf dem Papier wäre Scott ebenfalls ein Kandidat für Monomarken-Läden: Eine starke populäre Marke, innovative Produkte und ein breites Sortiment kennzeichnen den Marktauftritt der Schweizer nicht nur in Deutschland. Und die Probleme, die solch eine Konstellation mit sich bringt, teilt Scott mit anderen Mitbewerbern: „Die Bandbreite einer Marke wie Scott ist im Handel schwer darzustellen“, sagt Hans Holzinger, Geschäftsführer der deutschen Scott-Niederlassung. Und weiter: „Wir investieren in Marke und Marketing, aber wir können unseren Markenauftritt nicht ungefiltert umsetzen.“ Mit anderen Worten: Zwischen der Marke Scott und dem Verbraucher steht noch der Handel, dessen Präsentation und Beratung nicht zwangsweise einen negativen, aber doch unwägbaren Einfluss auf die Wirkung der Marke nehmen. Holzinger sagt deshalb unumwunden: „Der Reiz, direkt zu verkaufen, ist sicher vorhanden.“ Im selben Atemzug fügt er aber auch hinzu: „Wir sind keine Einzelhändler.“ Und das soll sich auch künftig nicht ändern. Also Markenstores in Zusammenarbeit mit bestehenden Handelspartnern? Auch dieser, von den Wettbewerbern propagierten Art des Einzelhandels erteilt der Scott-Manager eine relativ eindeutige Absage. Scott suche in dieser Beziehung eher die Partnerschaft mit dem Handel, statt eine auf Verträgen basierende Ehe zwischen Handel und Industrie. Diese Form der Zusammenarbeit habe sich bewährt: „Wir haben bereits zehn bis zwanzig Händler, die man durchaus als Concept Store bezeichnen kann“, sagt Holzinger. Wieso also etwas mit starren Verträgen regulieren, was auch so funktioniert?
„Natürlich verfolgen wir, was beispielsweise Specialized hier macht. Man sieht aber auch, dass es so ganz einfach nicht ist“, sagt Holzinger.
Auf dem Weg zur Zweiklassengesellschaft?
Ein Hersteller, der die Zusammenarbeit mit Concept Stores sucht, teilt damit seine Händlerschaft fast zwangsweise in eine Zweiklassengesellschaft. Auch wenn die entsprechenden Anbieter beteuern, dass jene Händler, die sich nicht zu 100 % einem Lieferanten verpflichten, deswegen keinen schlechteren Service erhalten werden, sind gewisse Unterschiede dennoch unvermeidbar. Schon allein deshalb, weil ein Händler, der nur mit einem Lieferanten zusammenarbeiten darf, sich von diesem in hohem Maß abhängig macht und deshalb bevorzugt behandelt werden muss. Wenn beispielsweise Trekkingräder in der 1000-EUR-Preisklasse von einer Marke nur schwer zu bekommen sind, kann er nicht einfach auf andere Lieferanten ausweichen. Also muss ihm sein Lieferant eine gewisse Priorität bei der Belieferung mit knappen Produkten einräumen.
Das wissen auch die Anbieter, wie etwa Giant-Manager Hensche bestätigt: „GSI- und GBS-Partner kommen in den Genuss einer hoch priorisierten Belieferung. Es ist natürlich auch in unserem Interesse, dass vor allen Dingen GBS-Stores immer auf die richtige Ware zum richtigen Zeitpunkt zurückgreifen können. Der Durchverkauf muss immer gewährleistet sein.“
Diese bevorzugte Behandlung ist für den Betreiber des Concept Stores eine feine Sache, zumal wenn er dadurch – so etwa das Versprechen von Giant – die Lagerhaltung zurückfahren kann, dadurch weniger Kapital bindet und mehr Ertrag erwirtschaftet. Für Händler, die bei der Belieferung mit knappen Produkten im Gegensatz zum Concept-Store-Kollegen in die Röhre schauen, ist Frust hingegen vorprogrammiert. Wenn Hersteller hier Ärger vermeiden wollen, wird ein geschicktes Händchen beim Umgang mit Concept-Stores und „normalen“ Händlern gefragt sein.
Concept Store als letzter Ausweg?
„Händler, die sich für einen Concept Store entscheiden, sind meistens jene Händler, die finanziell schon mit dem Rücken an der Wand stehen und keine andere Wahl mehr haben, als sich von einem Lieferanten abhängig zu machen“ - solche oder ähnliche Aussagen sind im Fahrradmarkt durchaus häufiger zu hören. Anne Barbrock von Specialized erteilt dieser Einschätzung jedoch eine klare Absage: „Uns ist es sehr wichtig, dass die Händler, die sich für einen Concept-Store entscheiden, finanziell gesund sind. Schließlich stecken wir in diese Händler ein hohes Maß an Zeit und Energie. Da müssen wir sicher gehen, dass ein Händler nicht in ein paar Monaten aus finanziellen Gründen vom Markt verschwindet.“
Andererseits haben inzwischen oft auch finanziell gesunde Händler Probleme, bei ihrer Bank Geld zum Beispiel für eine Modernisierung des Ladens zu bekommen. Vor diesem Hintergrund mag die Aussicht, die klassischen Geldgeber bei der Finanzierung des eigenen Unternehmens zu umgehen, durchaus verlockend sein.
Andere sehen Concept Stores schlicht als eine Fortsetzung des Trends im Handels, mit immer weniger Lieferanten zusammen zu arbeiten. Weniger Lieferanten bedeuten weniger Aufwand beim Einkauf, bessere Margen und ein schärferes Profil im Sortiment. Ein Concept Store treibt diese Faktoren auf die Spitze, ist quasi deren Konsequenz. Und nach anfänglicher Zurückhaltung, so ist aus der Industrie zu hören, wächst das Interesse des Handels an Concept Stores gegenwärtig deutlich.
Doch der Entwicklung sind auch Grenzen gesetzt. Ein Hersteller kann in einem überschaubaren Zeitraum nur eine bestimmte Zahl von Händlern zum Concept Store umbauen. Zudem muss ein Hersteller, der seinen Handelspartnern ein entsprechendes Konzept anbieten will, selbst über einige Finanzkraft und Manpower verfügen. Ein Concept Store ist also nicht jedermanns Sache, weder im Handel noch in der Industrie.
Man kann auch nicht die bereits bestehenden Concept-Store-Verhältnisse in den USA auf den deutschen Markt übertragen. Zwar sind sich der amerikanische und der deutsche Fachhandel in seiner Größe, in seiner Inhaberstruktur und im Absatzvolumen sehr ähnlich, einen deutlichen Unterschied gibt es aber: nämlich das weitgehende Fehlen von Einkaufverbänden im US-Markt. Amerikanische Fahrradhändler sind viel eher Einzelkämpfer als ihre deutschen Kollegen, die Verlockung sich bei einem Lieferanten anzulehnen deshalb größer. Im Gegenzug wird sich wohl kein deutscher Händler, der bei Bico oder ZEG fest im Sattel sitzt, zur Uniformierung durch einen Lieferanten überreden lassen.
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