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Christoph Gier
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„Kauf dir was Vernünftiges“

Aachener Qualitätshändler entwickeln Ideen mit Plus-Faktor

Wenn Kunden nicht verstehen, dass Qualität und Service für sie besser ist als Schnäppchenjagd, muss man das wirksamer kommunizieren. Fahrradhändler Christoph Gier und dem Verein Q+ ist das mit einem Marketing-Konzept gelungen, das Schule machen könnte – und sollte.

Christoph GierVelo LadenfrontVelo VerkaufsraumDer Q+lturbusDie Q+Geldwand

„Kauf dir was Vernünftiges“ stand 2005 auf fünf Plakatwänden Aachens. Gleich unter dem Schriftzug klebten leicht abziehbare Euro-Scheine. Echte. Die Passanten staunten, pflückten, und kauften – vielleicht was Vernünftiges. Die Aktion erreichte eine enorme mediale Aufmerksamkeit. Fernsehen, Hörfunk und Presse berichteten – „größere Aufmerksamkeit hätte man sich gar nicht wünschen können“, erzählt der Aachener Fahrradhändler Christoph Gier. Er hatte mit einigen anderen Einzelhändlern 2005 den Verein „Q+, die Qualitätsallianz e.V.“ gegründet, der zusammen mit der Werbeagentur Artischock für diese Aufregung sorgte. Der erste Schritt war getan: Aufmerksamkeit zu gewinnen für das, was Q+ darstellt.

„Gut waren wir vorher auch“, sagt Gier, Inhaber des Fahrradfachgeschäfts „Velo“ im Aachener Zentrum und heute Vorsitzender des Vereins Q +. „Aber wenn man erstklassigen Service anbietet, um sich so von der Konkurrenz abzuheben, ist man frustriert, wenn die Kunden das nicht honorieren.“ Das und die zunehmende Marktmacht des in Aachen damals neu eröffneten BOC-Markts waren Auslöser, sich mit zunächst vier weiteren Geschäftsinhabern aus anderen Branchen zusammen zu setzen und gemeinsam nach neuen Wegen zu suchen. Und nach einem Konzept, das alle zufrieden machen sollte – auch Gier, der mit einem regelrecht ganzheitlichen Anspruch sein Geschäft betreiben will: Keine Selbstausbeutung und Zeit für die Familie, vernünftige Bezahlung und Arbeitszeiten für die Angestellten, eine gute Atmosphäre intern und mit dem Kunden – etwas, was man auch einfach Lebensqualität nennen könnte – für Gier eine „Herzensangelegenheit“.

Synergien für den Image-Gewinn

Interessant und neu macht das so entstandene Konzept die Verknüpfung der einzelnen Unternehmen: Nicht Branchenzugehörigkeit oder die räumliche Nähe wie bei Straßen-Werbegemeinschaften, sondern Inhaber-Führung, Premium-Qualität der Produkte, individuelle Beratung, starke Service-Orientierung und der Sitz in Aachen sind die verbindenden Elemente. Heute sind es 14 Unternehmen, die jedes Jahr 3000 Euro in die Q+-Werbung investieren und wissen, was sie davon haben: „Zahlen-statistisch ist das schwer zu messen“, sagt Gier, „auch wenn wir dieses Jahr ein Umsatz-Plus von etwa sieben Prozent einfahren werden. Aber eigentlich sind es die schwer bewertbaren Synergie-Effekte, die vom Erfolg und der Bekanntheit von Q+ auf die einzelnen Läden abstrahlen.“
Dazu trägt neuerdings auch ein Bonus-Heft bei, das alle Q+-Läden ihren Stammkunden schenken. Da gibt’s vom Nobel-Pasta-Laden Küchenchef-Rezepte inklusive aller edlen Zutaten, der Optiker bietet einen Besuch in der Sternwarte, und der Chef des Schuhladens eine professionelle Schuhreinigung für ein Paar Kundenschuhe.
„Durch das Couponheft und das Info-Faltblatt zu Q+ werden die Kunden quasi weiter gereicht“, so Gier. Klar: Wer Vertrauen zu seinem Radhändler gefasst hat, der testet auch mal, ob der Möbelfachhandel aus dem gleichen Verein auch so gut ist – das bekommen die Händler auch schon mal direkt gesagt. Und dieser Image-Transfer nützt allen, die das Q+-Logo auf dem Schaufenster haben.

Geschmeidigere Entscheidungen

Dazu bekommen Q+-Unternehmen Vergünstigungen für Anzeigenpreise bei den örtlichen Medien und – ganz wichtig: Die örtliche Wirtschaftspolitik sieht die Gruppe als Partner an, was neben möglicher Wirtschaftsförderung auch ganz praktische Vorteile haben kann – schließlich kann die deutsche Bürokratie oft Entscheidungsbeschleuniger gebrauchen, wenn es um Veränderungen geht …
Der Weg zu Q+ war nicht leicht, so Gier: „Man muss zäh bleiben, wenn man alle Vorstellungen unter einen Hut bekommen will.“ Auch die richtige Werbeagentur zu finden war eine Hürde. Die Agentur Artischock konnte sich schließlich dafür begeistern – so sehr, dass sie das erste Konzept ohne finanzielle Gegenleistung erarbeitete.
Und schließlich wäre das Ganze aufgrund schlechter Beratung fast noch an der Rechtsform gescheitert. Aber es hat geklappt. Beim Verein Q+ gilt eine einfache Satzung, es wird nach direkter Mehrheit entschieden. Heute gibt es verschiedene Gruppen, die sich separat um Bereiche wie Werbung und Qualität kümmern. „Auch für unsere interne Kommunikation mussten wir einen Weg finden – schließlich hat jedes Mitglied zunächst einmal sein Geschäft zu führen; da kann ein gewünschtes Feedback schon mal etwas länger dauern.

Genießen statt Geiz-ist-geil

Giers Laden mit 160 Quadratmetern Fläche in einem schönen Altbau am Eck des Karlsgraben „brummt“. Die mittlere und gehobene Preisklasse dominiert, im Eingangsbereich warten einige Idworx-Modelle auf staunende Kunden. Der Haupt-Geschäftsraum läuft scheinbar in eine idyllische, autofreie Allee im sanft nebeligem Licht aus; gerade richtig, um mit dem Fahrrad frische Luft für alle Sinne zu tanken. Wohlfühlen, aber auch Wünsche wecken ist hier ein großes Thema.
Mit fünf festangestellten Mitarbeitern, vier Azubis und einigen Aushilfen ist der Laden personell stark besetzt, im Internet werden die einzelnen Mitarbeiter individuell mit ihrem Spezialgebiet vorgestellt.
Was man nach Gier auf jeden Fall subjektiv messen kann, ist der Zuwachs an Zufriedenheit mit Q+. Und der soll noch mehr werden – mit Bekanntheit des Vereins, die auch in Zukunft durch besonders pfiffige Aktionen gefördert werden soll. Bei der Aachener „Langen Nacht der Museen 2008“ wird wieder ein Gelenkbus in Q+-Optik als Shuttle-Verbindung eingesetzt. An Bord: Lesende Schauspieler, später ein Jazz-Combo, die für die nötige Stimmung auf der Fahrt sorgt. Auch ein Newsletter mit Verbraucher-Infos und Tipps wird 2008 entstehen.
„Im Endeffekt kommt zum geschäftlichen Erfolg mit Q+ für uns auch eine starke positive menschliche Komponente“, meint Gier. „nette Leute, mit denen man gut an einem gemeinsamen Ziel arbeiten kann.“ Das ist doch Nachhaltigkeit für die Händler-Psyche.

14. Dezember 2007 von Georg Bleicher

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