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Gary Sjoquist war 1998 (und ist es wahrscheinlich immer noch) der erste Mitarbeiter eines Unternehmens der Fahrradbranche, der sich ausschließlich mit Lobby-Arbeit beschäftigte.
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Gary Sjoqusit, Advocacy Director von QBP:

"Lobby-Arbeit führt dazu, dass mehr Menschen Fahrrad fahren"

Sein Job ist wohl nicht nur in den USA einmalig: Als Advocacy Director, also quasi Manager für Lobby-Arbeit, vom marktführenden amerikanischen Großhändler QBP soll Gary Sjoquist dafür sorgen, dass mehr Menschen in den USA Fahrräder fahren und somit auch kaufen. Zwar sei es immer noch "sehr schwer" den Amerikanern das Fahrrad als Verkehrsmittel und nicht nur als Sportgerät zu verkaufen, wie Sjoquist im Interview mit velobiz.de berichtet, doch seine Arbeit zeigt allmählich Früchte. Vor allem auch weil Sjoquist und andere Vordenker es geschafft haben, die Rivalitäten in der US-Industrie zu überbrücken und mit Bikes Belong eine schlagkräftige Interessenvereinigung zu schaffen.

Gary Sjoquist war 1998 (und ist es wahrscheinlich immer noch) der erste Mitarbeiter eines Unternehmens der Fahrradbranche, der sich ausschließlich mit Lobby-Arbeit beschäftigte.QBP bezeichnet sich als der Laden hinter Amerikas Fahrradläden. Doch nicht nur die Größe von QBP setzt in der amerikanischen Branche Maßstäbe, der Großhändler ist auch wegen seiner außergewöhnlichen Unternehmenskultur sehr beliebt.In der Saison verlassen bis zu 3500 Pakate das Lager von QBP. Der Jahresumsatz des Unternehmens liegt bei 125 Mio. USD.QBP-Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit: Wer mit dem Rad statt mit dem Auto zur Arbeit kommt, erhält bei QBP pro Tag und Strecke einen Zuschuss von 4 USD. Rund 40 % der 300 Mitarbeiter machen von dem Angebot Gebrauch.

Kein alltägliches Unternehmen

Der amerikanische Großhändler Quality Bicycle Parts (QBP) ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Unternehmen. Gründer Steve Flagg startete QBP 1981 als „one-man, one-dog operation“. Heute ist der Großhändler und Bike-Anbieter mit rund 300 Mitarbeitern und rund 5000 Kunden einer der Marktführer im amerikanischen Bike-Business.

Doch trotz des großen Erfolgs hat QBP sein menschliches Gesicht nicht verloren. Noch heute dürfen beispielsweise die Mitarbeiter – wie einst der Gründer – ihren Hund mit in die Arbeit nehmen. Und dass Radfahren bei QBP nicht nur als Business, sondern auch als Passion verstanden wird, wird schnell deutlich, wenn man Mitarbeiter des Unternehmens trifft.

Vor diesem Hintergrund mag es nicht überraschen, dass QBP 1998 als erstes Unternehmen der Branche mit Gary Sjoquist einen Mitarbeiter eigens für die Förderung des Radverkehrs eingestellt hat. Gleichzeitig war QBP damals maßgeblich an der Gründung des Branchenverbands Bikes Belong beteiligt, der sich seitdem in der amerikanischen Politik und in der Bevölkerung für das Fahrrad stark macht.

Bikes Belong ist innerhalb der amerikanischen Branche inzwischen eine Macht geworden. Es gibt kaum noch ein Unternehmen, das nicht einen kleinen Teil seines Umsatzes an die Branchen-Lobbyisten überweist. Und Bikes Belong ist sich dieser Macht zunehmend bewusst, wie jüngst bei Verhandlungen mit der Fachmesse Interbike offensichtlich wurde.

Im Interview mit velobiz.de gibt Gary Sjoquist Einblicke in die Arbeit und Pläne von Bikes Belong.

Kein alltäglicher Job

{b}velobiz.de: Gary, wie würden Sie Ihren Job beschreiben?{/b}

Gary Sjoquist: Ich denke, man könnte folgendes sagen: Ich helfe Fahrradlobbyisten, kommunalen, regionalen und bundesbehördlichen Planern, Fahrradbeiräten, anderen Marktteilnehmern und den Abgeordneten des amerikanischen Kongress, den Wert des Fahrradfahrens für unsere Gesellschaft besser zu verstehen und helfe diesen Leuten, Änderungen zu bewirken, die dazu führen, dass mehr Leute Fahrrad fahren.

{b}velobiz.de: Ihr offizieller Titel bei QBP seit 1998 ist Advocacy Director, also Direktor für Lobby-Arbeit. Damals waren Sie die erste Person, die eine solche Funktion in der amerikanischen Fahrradbranche erfüllte. Welche Ziele verfolgte QBP mit der Schaffung Ihrer Stelle?{/b}

Gary Sjoquist: Das primäre Ziel dieser neuen Stelle war, auch andere Unternehmen in unserer Branche auf die Idee zu bringen, dass Lobby-Arbeit als unternehmerische Aktivität dazu beitragen kann, dass mehr Leute Fahrräder fahren und somit auch kaufen. Nach unserer Auffassung bedeutet Lobby-Arbeit auch, sich der Chance bewusst zu werden, dass wir die Qualität der Fahrrad-Infrastruktur verbessern können. Etwa, in dem wir Einfluss auf die staatlichen Mittel nehmen, in dem wir Stadträte, die pro Fahrrad eingestellt sind, bei ihrer Arbeit unterstützen oder in dem wir auf das Problem der zunehmenden Übergewichtigkeit in der Gesellschaft hinweisen.
Ein weiteres Ziel war ganz einfach, unsere Branche dazu zu bringen, bei Aufgaben wie der Lobby-Arbeit, zusammen zu arbeiten, statt nur gegeneinander, wie es früher meist der Fall war.

{b}velobiz.de: Sind denn andere Unternehmen dem Beispiel von QBP gefolgt?{/b}

Gary Sjoquist: Andere Unternehmen sind dem Beispiel in gewissem Maß gefolgt. John Burke von Trek hat auf diesem Gebiet sogar eine Führungsrolle übernommen. Andere Unternehmen wie Specialized, Kona, Bob Trailers und Planet Bike erlauben ihren Mitarbeitern, einen Teil ihrer Arbeitszeit der Lobby-Arbeit zu widmen. Und die Messe Interbike hat einen Berater engagiert, der sie in Fragen der Lobby-Arbeit unterstützt. Ich denke, meine Tätigkeit bei QBP hat durchaus dazu beigetragen, dass auch andere Unternehmen die Notwendigkeit erkannt haben, einen Teil ihrer Ressourcen für Lobby-Arbeit zu investieren.

{b}velobiz.de: Ihr anderer Titel lautet Direktor für Beziehung zur Regierung bei Bikes Belong. Können Sie uns erklären, um was es bei Bikes Belong und bei Ihrer Aufgabe dort geht?{/b}

Gary Sjoquist: Wir haben Bikes Belong 1998 gegründet, kurz nachdem der Kongress zugestimmt hatte, den Bundesstaaten nahezu 2 Mrd. USD für die Verbesserung der Fahrradinfrastruktur zur Verfügung zu stellen. Mit Bikes Belong wollten wir sicher stellen, dass diese Mittel auch sinnvoll verwendet werden. Denn einige Staaten der USA hatten diese Gelder damals gar nicht abgerufen. Also sind wir auf den Plan getreten und haben eine Organisation ins Leben gerufen, die dafür sorgen sollte, dass bessere Radwege und Trails auch tatsächlich errichtet werden. Zudem hatten wir erkannt, dass wir als Branche politisch aktiv werden müssen, damit der Fluss von Bundesmitteln für die Fahrradinfrastruktur nicht wieder versiegt. Und das ist auch, was ich für Bikes Belong mache: Mittel für unser politisches Aktionskomitee beschaffen und Arbeitsbeziehungen zu den Mitgliedern des Kongress und deren Mitarbeitern herstellen, um fahrradfreundliche Gesetze zu bekommen.

Bikes Belong: Eine Frage des Return-on-Investment

{b}velobiz.de: Inzwischen unterstützen nahezu alle wichtigen Marktteilnehmer in den USA die Arbeit von Bikes Belong finanziell. Wie hat Ihre Organisation die Unternehmen in der Fahrradbranche überzeugt, dass es wichtig ist, in der Lobby-Arbeit aktiv zu werden?{/b}

Gary Sjoquist: In dem wir den Unternehmen erklärt haben, dass Lobby-Arbeit dazu führt, dass mehr Menschen Fahrrad fahren. Eine der ersten Maßnahmen von Bikes Belong war unser Zuschuss-Programm, das die Beiträge der Mitgliedsunternehmen unmittelbar in neue Bike-Trails und Fahrradwege in Amerika investiert. Der Return-on-Investment dieses Programms ist sehr hoch, denn jeder Dollar, den Bikes Belong hier investiert, zieht mehr als 500 USD an öffentlichen Geldern nach sich, mit denen die Infrastrukturen für unser Produkt verbessert werden. Wir wussten, dass diese Rechnung den CEOs der Fahrradindustrie gefallen würde. Zudem konnten wir die Lobby-Arbeit als Lösung positionieren, um wieder mehr Menschen zum Fahrrad fahren zu bringen, nachdem der Anteil der Radfahrer während der letzten Dekade gesunken war.

{b}velobiz.de: Ist es schwer, den Amerikanern das Fahrrad als Verkehrsmittel und nicht nur als Sportgerät zu verkaufen?{/b}

Gary Sjoquist: Es war sehr schwer, aber in den letzten drei Jahren wurde es besser. Vor allem seitdem sich die Bevölkerung des zunehmenden Übergewichts und ihres bewegungsarmen Lebensstils bewusster wurde. Ich beschäftige mich mit diesem Thema schon eine lange Zeit – seit 1990 – und ich weiß, dass Stadträte, Bürgermeister und die meisten gewählten Volksvertreter inzwischen erkannt haben, welche Rolle Fahrräder sowohl bei der Lösung der Verkehrsprobleme als auch bei der Frage, wie man die Menschen zu mehr Bewegung bringt, spielen können. Der schwierige Teil ist nun, unsere ausufernden Städte und Gemeinden so umzugestalten, dass es wieder möglich ist, sicher mit dem Fahrrad beispielsweise in die Schule oder in die Arbeit zu fahren.

Wohin führt der Weg?

{b}velobiz.de: Bikes Belong war zuletzt auch deshalb Thema der amerikanischen Branchen-News, weil die Organisation den Start einer eigenen Fachmesse in den USA diskutiert hatte. Ging es hier nur darum, einen höheren Anteil aus den Gewinnen der bereits existierenden Messe Interbike zu erzielen? Oder ging es auch um die Überlegung, vielleicht eine bessere Messe zu veranstalten?{/b}

Gary Sjoquist: Wir sind bei Bikes Belong durchaus der Auffassung, dass die Interbike mit der Messe einen guten Job macht. Gleichzeitig hat die Unterstützung der Interbike durch Bikes Belong einen gewissen Wert, der auch an den entsprechenden Verhältnissen in anderen Branchen und ihren Fachmessen gemessen wird. Die Verhandlungen mit der Interbike waren notwendig, um diesen Wert zu erreichen, so dass wir unsere Aktivitäten weiter betreiben und auch ausbauen können. Zudem hatte unser Vorstand die Auffassung, dass es eine sinnvolle Übung sei, mal darüber nachzudenken, was es bedeuten würde, wenn Bikes Belong eine eigene Fachmesse veranstaltet. Vor allem unter dem Aspekt, dass die Gewinne der Messe in vollem Umfang im Interesse der Industrie reinvestiert würden.

{b}velobiz.de: Bislang ist Bikes Belong eine national orientierte Organisation. Glauben Sie, dass Bikes Belong künftig auch außerhalb Amerikas aktiv werden könnte?{/b}

Gary Sjoquist: Das ist durchaus möglich. Ich glaube, dass wir unseren Erfolg mit anderen teilen können und gleichzeitig viel von anderen Ländern lernen können. Wir hinken beispielsweise den meisten Ländern Europas beim Radverkehrsanteil und dessen Integration noch hinterher, aber sind vielleicht schon ein Stück voraus, wenn es darum geht, die Industrie zu vereinen und zur Zusammenarbeit zu bewegen. Wir haben bereits der Bicycle Trade Association of Canada (BTAC) in dieser Beziehung geholfen und haben mit einigen Leuten aus Brasilien und anderen Ländern gesprochen. Ich weiß nicht viel darüber, wie die europäischen Unternehmen bisher zusammenarbeiten, aber ich komme gerne für einige Zeit nach Europa, wenn meine Hilfe gebraucht wird.

{b}velobiz.de: Wenn Sie zehn Jahre in die Zukunft blicken: Wie glauben Sie, wird sich das Radfahren in Amerika bis dahin verändert haben?{/b}

Gary Sjoquist: Ich glaube, dass wir in zehn Jahren einen leichten Zuwachs bei der Zahl der Menschen sehen werden, die mit dem Rad zur Arbeit fahren. Unser vielleicht größter Zuwachs wird aber bei der Zahl der Kinder feststellbar sein, die dank des Programms Safe Routes to School (auf deutsch: Sicherer Schulweg) künftig mit dem Fahrrad zur Schule fahren. Allerdings sind zehn Jahre auch keine lange Zeit, wenn es darum geht, die Autoabhängigkeit unserer Kommunen in ein vielfältigeres Verkehrsgeschehen umzukehren. Aber wir arbeiten daran.

{b}velobiz.de: Dabei wünschen wir Ihnen noch viel Erfolg. Vielen Dank für das Gespräch.{/b}

28. August 2007 von Markus Fritsch

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