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Hier ist der Firmensitz von Hebie. Im Gebäude untergebracht zudem: Das Fahrradgeschäft Radwelt
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Bielefelder Traditionsunternehmen im Portrait

VOM KORKEN ZUR LIFESTYLE-TASCHE: DER URBANIZER HEBIE

Nur wenige optisch unauffällige Funktionszubehör-Produkte schlagen auf dem Markt so nachhaltig ein wie Hebies Chainglider, der erste schwimmende Kettenschutz fürs Fahrrad. Er traf den Nerv der urbanen Mobilität, und das Konzept konnte überzeugen – nicht nur die OEM-Kunden: Für viele interessierte Endkunden kam wohl der Name Hebie damit zum ersten Mal ins Bewusstsein. Dabei ist die Firma vielleicht die deutschlandweit

Hier ist der Firmensitz von Hebie. Im Gebäude untergebracht zudem: Das Fahrradgeschäft RadweltHier wird gerüttelt und geschüttelt: Testanordnung mit Betriebsleiter Andreas RädelDer Zweibeinständer entsteht am SchweißautomatMarketing-Mann Dominik Peitsch am Bootbag-BaumDer Chainglider - ein Erfolgsprodukt aus dem Hause Hebie

älteste überhaupt, wenn es um Fahrrad-Komponenten geht: Seit 105 Jahren arbeitet die Firma Heinrich Hemmelskamp, ab 1925 mit dem Markenzeichen Hebie, schon im „Grau-Bereich“: Schutzblech, Ständer, und Kettenschutz. Als korkverarbeitendes Unternehmen bestand die Firma sogar schon seit 1868.
Mit Kork stieg man um die Jahrhundertwende auch in die Fahrradproduktion ein: Korkgriffe für die damals boomende Bielefelder Fahrrad-Industrie. Angeblich war eine gemeinsame Fahrradtour des damaligen großen Fahrradherstellers Nikolaus Dürkopp und Karl Junker, dessen Nachkomme Dietrich Junker bis heute Hauptgesellschafter von Hebie ist, der Auslöser für den Einstieg in die Fahrrad-Welt.
Tradition und Erfahrung: zwei Werte, die schon immer groß geschrieben wurden bei Hebie. So groß, dass andere wie Imagepflege und „neue-Wege-gehen“ über Jahrzehnte manchmal wenig Platz hatten in diesem Betrieb, der seit seiner Ausrichtung auf das Bike in der Fahrradstadt Bielefeld angesiedelt ist. Alteingesessen – auch im Markt – ist gelegentlich auch altbacken, und ein bisschen traf das sicher bis vor einigen Jahren auch auf Hebie zu.

Verändern und sich treu bleiben

„Wir haben in der Vergangenheit einige Chancen verschlafen“, sagt Dominik Peitsch selbstkritisch. Der 41-jährige Gründer der Agentur Zuckerbrot und Peitsch arbeitet seit 14 Jahren für Hebie und betreut das Marketing. Er erinnert zum Beispiel an den Plan, ergonomische Griffe ins Sortiment einzuführen – ein Jahr bevor der heutige Marktführer im Qualitätsbereich damit anfing. Das Unternehmen konnte sich aber damals nicht zum Wiedereinstieg in den Griff-Sektor entschließen.

„Aber wir arbeiten jetzt auf allen Ebenen an einer Erneuerung“, fügt er schnell hinzu. Ein Satz, den man etwa so bei Hebie nicht nur oft hört, sondern auch tatsächlich bestätigt findet. “Allmählich kommt richtig Bewegung in die Maschine“, so auch Peitsch. Derzeit arbeiten etwa 50 Festangestellte hier, davon etwa zwei Drittel in der Fertigung. Für 2011 erwartet man mit 10 Millionen Euro eine deutliche Umsatzsteigerung.

Dass sich etwas tut, sieht man auch: Das etwa 100 Jahre alte Gebäude gegenüber des Hauptsitzes von Dr. Oetker – der Lebensmittel-Multi gab Hemmelskamp damals selbst den Kredit zur Gründung – ist vor allem innen aufwändig umgestaltet worden. Den Besucher erwartet eine großzügig gestaltete Verwaltungs- bzw. Vertriebseinheit: ca 1000 Quadratmeter, hauptsächlich im Open Space-Ambiente, hell, freundlich und mit enorm viel Platz je Arbeitseinheit. Angestaubt ist anders. Bootbags, die Design prämierte Träger-Tasche von Hebie, markieren in verschiedensten Farben die einzelnen Bereiche. Oder fungieren sie gar als praktischer Eingangskorb?
Einen Teil des Gebäudekomplexes hat vor 25 Jahren das Fahrrad-Fachgeschäft Radwelt übernommen, 2011 wurde noch einmal erweitert. Mittlerweile hat der Händler satte 2000 Quadratmeter Fläche.

Tradition verknüpft mit Hightech

Umbruchstimmung herrscht auch in der Produktion. Neben kleinen, alten Maschinen, auf denen ein Arbeiter seit Jahrzehnten zum Beispiel Basis und Befestigungsdom des immer noch beliebten Hebie-Zweibeinständers verschweißt, findet man dort Spritzgussautomaten von der Größe eines 7,5-Tonners und den Anschaffungskosten eines 40-Tonners.
Diese Maschinen produzieren im Sekunden- bis Minutentakt Kunststoffteile wie den Chainglider oder andere Kettenschützer – auch Mehrkomponenten-Produkte, wie Betriebsleiter Andreas Rädel erklärt.
Etwa genauso umfangreich wie die Kunststoffspritzerei, wenn eben auch eben noch nicht auf diesem Ausstattungslevel, ist die Stanzerei für die Metallteile-Fertigung. Ein moderner Hebie-Ständer besteht aus 10 bis fünfzehn Teilen. Da kommen einige Arbeitsschritte zusammen.

Dass das Produkt auch ein Fahrradleben lang hält, dafür sorgt man im Hebie-eigenen Testlabor. Hier wird wirklich gerüttelt, gewackelt und geklappt was „das Zeug hält“. Umfangreiche Tests sind für Hebie Garanten hoher Qualität.
Auch in der Herstellung hat man Großes vor: Andreas Rädel zeigt einen Plan, nach dem die Hallen mit etwa 10.000 Quadratmeter neu strukturiert werden sollen. Vor allem Zwischenlagerungsschritte bei halbfertigen Produkten will man einsparen – Prozessoptimierung. Immerhin werden allein in der Kunststoffspritzerei – “das Herz des Betriebs“, so Rädel, pro Arbeitstag in zwei Schichten etwa 22.000 Teile gefertigt. Etwa 10.000 Hebie-Produkte verlassen täglich
Bielefeld in Richtung Deutschland und der Welt. Und es sollen ja schließlich noch mehr werden. Manche Halbfertigteile werden extern produziert, ihre Zahl nimmt aber ab; über kurz oder lang will man fast alle Arbeitsschritte bei Hebie selbst durchführen.

Die Kernkompetenzen

Ein wichtiger Faktor für Hebies Zukunft: Der Chainglider. Der Entwickler Klaus Michel hat ihn zusammen mit Berliner Designern 2005 kreiert. Damals war die neue Urban-Lifestyle-Ära des Fahrrads noch kaum wahrzunehmen. Trotzdem schlug das Produkt ein. Vor allem Radhersteller hochwertiger Nabenschaltungsmodelle erkannten schnell seinen Wert.
Dabei ist Schuster Hebie mit dem Chainglider eigentlich ganz bei seinen Leisten geblieben: Wer das Programm der Bielefelder in den 70er- bis 90er Jahren des letzten Jahrhunderts betrachtet, erkennt ganz klar: Eine Kernkompetenz lag schon immer in diesem Bereich, und zwar mit besonderer Ausrichtung: „Die Händler und Hersteller schätzten Hebies Universalität; das ist auch so etwas wie in Markenzeichen“, so der Marketing-Mann. Einleuchtend: Hebie bietet zum Beispiel zwei Kunststoff-Kettenschutzringe, die so breit einsetzbar sind, dass sie etwa 20 verschiedene Original-Schützer ersetzen können.

Die Image-Politur

„Die Öffentlichkeit muss uns mehr wahrnehmen“, so auch der Tenor von Dominik Peitsch. Der Bootbag, den es seit 2011 zu kaufen gibt, ist dafür ein gutes Beispiel: Das ungewöhnliche Design fällt auf, es wird vom Endverbraucher wahrgenommen und das Produkt ist – wieder Stichwort Universalität – vielseitig, weil als Fahrradkorb wie als Umhängetasche zu verwenden. Mit der neuen, variablen Adapter-Platte ist der Bootbag auch an fast allen Trägern zu befestigen. Noch ein besonderer Beitrag zum Urban Bike. „Modern. Urban. Mobil“ lautet entsprechend auch der aktuelle Hebie-Slogan. Profilierter als das langjährige „Makes your bike complete“, das allerdings auch die Kompetenz des Herstellers klar bezeichnete: Alltags- und Schutzfunktionen für Fahrräder zu verkaufen. Man hatte tatsächlich schon früh den Urban-Bereich im Fokus.
Natürlich gab es auch früher öffentlichkeitswirksame Erfolge. So wird die Firma 2010 für verschiedene Umwelt schützende und Energie sparende Maßnahmen mit dem Ökoprofit-Siegel des Landes NRW zertifiziert – eine Photovoltaik-Anlage etwa gibt es schon seit dem Jahr 2000. Das Steckblech wurde sogar schon vor 25 Jahren von Hebie kreiert; damals lernte also erstmals der Endkunde Hebie kennen als Unternehmen, das sein sportlich orientiertes Bike zum Alltagsbike machte.
Eine weitere Umwelt-Auszeichnung: Das erste überhaupt vom VSF vergebene „Goldene Ritzel“ erhielt 1994 Hebie: für Nachhaltigkeit, zum Beispiel dem Heizen mit Abluft.
Branchenintern war das Unternehmen für Händler und vor allem im OEM-Geschäft ohnehin schon fast immer einer der ganz Großen. Das will man natürlich auch weiterhin bleiben. Und sich dabei stark am neuen Leitbild orientieren: „Immer schön sauber bleiben“ (Schutzblech). „Einfach gut dastehen.“ (Ständer) und „Ordentlich was mitnehmen.“ (Transportlösungen wie Bootbag und Gepäckträger). Dann wird wohl auch bald der Endverbraucher Hebie bald stärker als die innovative Firma im Fokus haben, die sie heute ist.

8. April 2011 von Georg Bleicher

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