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Online Marketing Workshop
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Online-Marketing-Workshop

Der bessere Onlinetext

Wenn Online-Anbieter die Conversion-Rate, also den Anteil der kaufenden Seitenbesucher, optimieren wollen, schauen sie dabei am liebsten auf Grafik und Layout. Dabei ist der Text in der Website nicht nur genauso bedeutend für den letzten Klick, sondern auch viel leichter und kostengünstiger zu bearbeiten.

Online Marketing WorkshopVorher und ...... und Nachher: Eine CR-Steigerung von 12 auf 21 ProzentTrennschärfe zwischen den Navigationsbegriffen ist ein wichtiges Kriterium für gute UsabilityNeckermann verlässt sich bei der Produktbeschreibung ausschließlich auf technische InformationenFahrradversand24 zeigt schon auf der Übersichtsseite auffordernde, emotionale Texte

Produkttexte sind die Stiefkinder der Shop-Gestalter. Während Grafiken, Fotos, Zoombildern, Videos oder Flash-Animationen jede Menge Aufmerksamkeit in der Produktion gewidmet wird, und auch Nutzer-generierte Texte im Fokus der Beobachtung stehen, sind die Produkttexte allzu häufig nur 1:1-Kopien der Lieferungen durch den Hersteller, oder sie werden durch lieblos erstellte Standardtexte ersetzt.

Dass das falsch ist, wissen auf jeden Fall die Suchmaschinen-Optimierer. Christoph Brenner, früher CEO von Seolytics, hält die Produkttexte aus Google-Sicht sogar für das wichtigste Inhaltselement der Produktseiten. „Letztlich kommt es darauf an, in den Seiten guten Content zu haben, vor allem gute Texte, um bei Google ein gutes Ranking zu bekommen“, erklärte der Suchmaschinenexperte.

Aus dieser Perspektive schneidet beispielsweise der Fahrradshop von Neckermann nicht besonders gut ab. In der Produktbeschreibung konzentriert sich der Anbieter ausschließlich auf technische Fakten. Immerhin bieten die ebenfalls eingeblendeten Nutzerbwertungen die Möglichkeit einer emotionalen Ansprache.

Auch Michael Bernhard, Geschäftsführer des Onlineshops Der Gepflegte Mann, der sich mit Kosmetikartikeln für die Herren der Schöpfung auseinandersetzt, sah Handlungsbedarf. Vom Rasierschaum bis zur Anti-Aging-Creme für Männer ist dort alles zu finden, was das Herz des Metrosexuellen anspricht, sogar ein Rasierer mit verlängertem Griff zum Einsatz bei starker Rückenbehaarung.

Da der Shop zahlreiche Marken vereint, waren die Produktbeschreibungen sehr heterogen, sowohl hinsichtlich Länge als auch in puncto Stil. Da die Internationalisierung des Angebots anstand, entschied sich Bernhard für die Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister.

Fünf Monate lang durften die Texter der Stuttgarter Agentur Aexea an den Produktseiten arbeiten und analysieren, ob die Veränderung der Texte einen Wandel der Kaufbereitschaft nach sich zieht. Das Ergebnis ist eindeutig: Gute Produkttexte können signifikant zur Steigerung der Abverkäufe beitragen.

Das Wichtige zuerst

„Wie man gute Web-Texte schreibt, wussten wir schon. Was wir aber vor allem gelernt haben, ist, dass man vor der Optimierung sehr genau analysieren muss, was die Bedürfnisse der Zielgruppe bei einem bestimmten Thema sind. Diese Bedürfnisse dann mit den Produktvorteilen in Verbindung zu bringen, ist die eigentliche Kunst“, erläutert Heike Häfele, Beraterin und Trainerin bei Aexea.

Die Aufmachung der neuen Texte entspricht gängigen Erkenntnissen aus zahlreichen Usability-Tests und Studien. Kurze Sätze, prominente Schlagworte, Aufzählungen als Stilform und eine Unterteilung der Texte zur Erleichterung des schnellen Erfassens der Inhalte beim „Querlesen“ sind allesamt Forderungen, die Usability-Pabst Jakob Nielsen schon vor Jahren formulierte.

Aexea-Chef Rolf Saim Alkan fordert Sitebetreiber dazu auf, die wichtigsten Bedürfnisse der Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen. Er favorisiert dabei ein Modell aus dem Nachrichtenjournalismus: „Wer, Wie, Was, Wann, Wo, Warum, Woher“? Und zwar in genau dieser Reihenfolge.

Emotionen sind genauso wichtig wie Fakten

Spannender als diese „technischen“ Einblicke waren die qualitativen Erkenntnisse. Auf welche Stichwörter reagiert der sich pflegende Mann besonders gut. Welche Prioritäten hat er, bei der Informationsgewinnung? Welche Sprache spricht er? Im Endeffekt ging es beim Projekt auch darum eine Corporate Language für den Shop zu finden, die auch über die Zeit der Zusammenarbeit hinaus von Bernhards Mitarbeitern gepflegt werden kann.

Das Ergebnis des Feldtests kann sich sehen lassen. Bei einem Produkt – einer Anti-Aging-Creme – erzielte die Textoptimierung eine Verdoppelung der Abverkäufe bei gleichbleibendem Traffic.

Die Optimierung der Seiten erfolgt in vier Schritten:

  • Consumer Benefit heraus stellen
  • USP (Unique Selling Proposition) formulieren
  • Reason Why (Kaufgrund) gründlich belegen, vielleicht mit Studien
  • Tonality anpassen

Als einer der wichtigsten Treiber der Conversion bei der Creme wurde ein Testimonial von Mel Gibson identifiziert. Ungeachtet der SEO-Wirkungen die der prominente Namen zweifellos auch hat, sorgte die Hervorhebung des berühmten Stars offensichtlich für mehr Involvement bei der Zielgruppe und daher höhere Abverkäufe.

Auch negative Ergebnisse konnte das Aexea-Team beobachten. Ein signifikanter Conversion-Rate-Verlust entstand nach der „Optimierung“ bei einem sehr teuren Nassrasierer. Hier konnten die Texter registrieren, dass sich offensichtlich die Bedürfnisse der Zielgruppe verändern, wenn die Entscheidung eine größere Tragweite hat. „Bei High-Involvement-Produkten muss man im beschreibenden Text mehr Wert auf Sicherheit legen, um die Kaufentscheidung zu unterstützten“, erklärt Häfele.

Konversion-Experte André Morys von der Agentur WebArts predigt seit Jahren die Analyse der tiefen emotionalen Bedürfnisse der eigenen Zielgruppe. „Konversionrate-Optimierung darf nicht nur mit A/B-Tests oder anhand der Zahlen der Webanalyse erfolgen, sonst zieht man eventuell die falschen Schlüsse“. Wie Häfele stellt auch Morys fest, dass die letzte Kaufentscheidung in der Regel eine emotionale ist. Neurologen können anhand von Aktivitäten bestimmter Gehirnareale Entscheidungen bereits erkennen, bevor sich die Probanden derer bewusst werden.

Unter den Onlinehändlern macht das zum Beispiel Fahrradversand24 richtig. Schon in den Übersichtsseiten sind nicht nur Produktbilder, -preis und –titel zu sehen, sondern auch ein kurzer, emotional aktivierender Text.

Button-Texte testen

Neben den Fließtexten und Aufzählungen bei der Produktbeschreibung gilt natürlich ein Hauptaugenmerk den Texten auf Navigationselementen. Sie müssen folgenden Prinzipien gehorchen:

  • Klarheit: Der User muss schnell erfassen können, was der Button macht.

  • Eindeutigkeit/Konsistenz: Verwenden Sie über die ganze Site hinweg die gleichen Bezeichnungen.

  • Einfachheit: Der User muss die Reaktion der Website erahnen können. Die Amerikaner sprechen von der „perceived affordance“, der wahrgenommenen Aufforderung, die dem Nutzer signalisiert, was das System von ihm erwartet.

Was sich vermeintlich banal anhört, ist steter Quell von Conversion-Problemen. Christian Sauer, Webanalyst von Webtrekk, weiß zu berichten, dass eine Hotelwebsite die reine Verfügbarkeitsabfrage mit dem Button „Jetzt Buchen“ beginnt. Das könnte User abschrecken. „Nutzen Sie unverbindliche Begriffe für unverbindliche Funktionen“, fordert der Conversion-Experte.

Fehler tauchen auch gerne dort auf, wo sich im Entwicklerteam die Kluft zwischen Programmieren und Designern auftut. Das ist häufig bei Formularen der Fall, bei denen dann Button-Texte einfach „vergessen“ werden, weil zum Beispiel das Veröffentlichungsdatum drängt. Im ansonsten guten Schuh-Shop von Reno hieß der finale Bestellbutton eine ganze Zeit lang schlicht „Weiter“. Und bei Sportscheck gibt es zwei Wege zum Checkout. Wählt man links, so drückt man den Knopf: „Zur Anmeldung“, geht man hingegen nach rechts – was der Lesekonvention halber der natürliche Weg ist, so klickt man bei Scheck auf den Button „Neu anmelden“.

5 Tipps von Saim Rolf Alkan

Tipp 1: Formulieren Sie den Kundennutzen
Das ist nicht nur der Nutzen des Produktes oder der Firma sondern im Zweifel auch der einzelnen Seite.

Tipp 2: Bringen Sie das Wichtigste nach vorne
Dazu müssen Sie allerdings zuerst herausfinden, was das Wichtigste aus Nutzersicht ist. Es ist eben nicht unbedingt das, was der Produktmanager meint. Auch Alkan geht hier auf das Thema Betriebsblindheit ein.

Einer der häufigsten Fehler ist es, mit technischen Daten aufzumachen. Der Nutzen für den Leser ist nicht das technische Datum, sondern was er mit der technischen Leistung mehr oder besser machen kann. Alkan nennt das Beispiel einer mikroskopischen Linse mit sehr hohem Vergrößerungsfaktor. Erst auf Nachfrage, wer das wozu benötigt, formulierte der Produktmanager, Handchirurgen können damit Hände wieder herstellen, die zu 60 Prozent zerstört sind. Das, so Alkan, ist die Geschichte.

Tipp 3: Schreiben Sie mehr als Fließtext
Beispiel aus gedrucktem Dokument: Maßanzug für den Sportler. Die Rede ist vom edlen Lederinterieur des neuen Mercedes SL. Was aber versteht Google darunter? Abendgarderobe für Gewichtheber.

Teaser, Listen, Zwischenüberschriften und Schlüsselbegriffe helfen bei der Strukturierung der Texte. Sie bieten Orientierung schon vor dem Klick auf den Artikel selbst. Und sie bieten „Scanbarkeit“, also das schnelle Erfassen des Seiteninhalts, das Querlesen.

Tipp 4: Verwenden Sie die Schlüsselwörter richtig
Ein Kunde von Alkan, der große weiße Geräte entwickelt, die in fast allen Haushalten zu finden sind und die die Lebensmittel frisch halten sollen, optimierte seine Website auf Anraten seiner Ingenieure auf den Begriff „Kühlgeräte“. Dort ist er auf der ersten Position, mit weitem Abstand, nur das sucht keiner.

Tipp 5: Streichen Sie Überflüssiges
Lange Texte werden nicht gelesen und guter Stil im Text schafft Platz. Das Streichen von Passivkonstruktionen verdichtet den Text bereits um die Hälfte. Alkan betont, dass Online-Schreiben modulares Schreiben sei, also einfach Grundtexte und dann weitere Informationshäppchen auf „freiwilligen“ Abruf.

23. September 2011 von Frank Puscher
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