Ein Englishman in Quakenbrück
USED-Macher Bob Giddens: "Schräg passt zu uns"
Irgendwann Anfang der Siebziger Jahren fing Bob Giddens an, sich in seiner englischen Heimat zu langweilen. Und wie viele junge Menschen, denen zu Hause langweilig wird, wollte auch der junge Giddens für ein Jahr ins Ausland gehen. Zur Wahl standen Frankreich oder Deutschland. Doch Französisch zu lernen, reizte ihn nicht besonders. Und außerdem hatte Giddens eine deutsche Freundin, die ihm bei ihrem Arbeitgeber einen Job am Fließband besorgte. Der Arbeitgeber war Kynast und aus dem geplanten Jahr sind inzwischen über 30 geworden. Giddens kam nicht mehr weg von Kynast, der Fahrradbranche und auch von Quakenbrück, dem schmucken Städtchen im Artland, das ihm als Heimat ans Herz gewachsen ist.
Die Karriere Giddens vom einfachen Bandarbeiter zum Einkäufer und später zum Marketingleiter bei Kynast nahm ihren Aufschwung in den frühen Achtziger Jahren, als erstmals Computer in der Verwaltung des Fahrradherstellers eingeführt wurden. Der Engländer war der einzige Mitarbeiter im Unternehmen, der die Sprache der neuen Geräte – nämlich Englisch - verstand und der zudem eine Ahnung davon hatte, wie die Dinger zu bedienen waren. Dass er seinen Weg vom Fließband ins Management gemacht hatte, gab ihm später, als Kynast zwischen Unternehmensberatern und Fremdinvestoren zerrieben wurde, ein sicheres Gespür dafür, wie die Basis im Unternehmen tickt. Nicht, dass Kynast dadurch gerettet worden wäre, aber er weiß sehr gut, welche emotionalen und meist auch existenziellen Bindungen die Menschen in Quakenbrück zu Kynast hatten.
Auch bei Giddens hört man zwischen den Zeilen, wie sehr ihn der Niedergang des einst größten deutschen Fahrradherstellers auch noch nach Jahren bewegt. Dabei seien es nicht nur Fehler von Management und Beratern gewesen, die das Unternehmen in den Ruin getrieben hätten: „Wir waren auch der Einkaufsmacht der Verbände und der großen Händler damals nicht gewachsen“, sagt Giddens. Wenn der USED-Chef heute über Verhandlungsgeschick und Preis-Poker der damaligen Kynast-Kunden spricht, ist er rückblickend zwischen Faszination und Verärgerung hin und her gerissen. Doch in diesen Zeiten wurde auch Giddens heutige Einstellung zum Fahrradmarkt geprägt. „Ich merkte, wie wichtig das Thema Marke ist und dass Firmen ohne Profil sehr wenig Chancen auf dem Markt haben.“
Von Kynast zu Used
2003, nach der der zweiten Insolvenz von Kynast, wagte Giddens zusammen mit zwei Partnern den Sprung in die Selbständigkeit. Die Partner waren sein Kollege Andreas Frechen, der bei Kynast im Vertrieb tätig war, und seine Lebensgefährtin Daniela Ackmann, die bei Kynast die Produktion steuerte und auch bei Used immer noch alle Zahlen unter Kontrolle hat. Andreas Frechen ist hingegen im vergangenen Herbst als Gesellschafter ausgeschieden, um aus familiären Gründen einen etwas ruhigeren Job beim benachbarten Fahrradanbieter Pfiff anzutreten.
Mit an Bord war am Start auch Klaus Schröder, der mit dem Scooterbike das erste Produkt zum Portefeuille von Used beisteuerte. Das sollte zuvor von Kynast in Lizenz auf den Markt gebracht werden, doch Schröder hatte sich – wohl in weiser Voraussicht – eine Ausstiegsklausel für den Fall einer Insolvenz bei Kynast in den Vertrag geschrieben.
Rund um die Welt ist Giddens gezogen, um auf Messen Produkte zu suchen, die zum Konzept von Used passen und um das Sortiment neben dem Scooterbike erweitern. Der Name ist Programm. Nicht etwa dahingehend, dass Used mit gebrauchten Artikeln handelt, sondern mit Produkten, die gebraucht werden. Giddens: „Wir wollen Produkte verkaufen, die benutzt werden. Wenn du es nicht brauchst, kauf es nicht. Das ist unsere Botschaft.“ In dieses Schema passen etwa die Lastenanhänger des Schotten Nick Lobnitz, das kalifornische „Long-Tail-Konzept“ Xtracycle oder der BionX-Antrieb aus Kanada. Wenn ein Produkt auch noch „etwas schräg ist“, so wie das Bandee aus Berlin, „passt es umso besser zu uns“, erklärt Giddens.
Zwischen Subkultur und Industriefahrrad
„Dass wir oft missverstanden werden, daran habe ich mich schon längst gewöhnt. Wir sehen das Fahrrad als Subkultur, als Alternative, als Macht der kritischen Masse, das nicht nur Menschen bewegt, sondern auch Ideen und Vision transportiert. Es ist meine feste Überzeugung, dass Fahrräder unsere Welt verschönern. Meine kalifornischen Freunde von Xtracycle nennen es die Pleasant Revolution, was könnte man sich mehr wünschen? USED wäre natürlich dabei", sagt Giddens.
Doch der hohe Anspruch und die Mischung aus oft ungewöhnlichen und meist hochpreisigen Produkten sind schwer im Markt unterzubringen. Vor allem das Scooterbike „ging komplett am Handel vorbei“, wie Giddens erzählt. Bei unzähligen Messeteilnahmen stießen die Sessel-Fahrräder immer wieder auf reges Verbraucherinteresse, „doch das letzte Glied in der Kette“, so der Used-Macher, „ist die Probefahrt im Handel“. Auch heute noch, fünf Jahre nach der Markteinführung, tut sich Used mit der Vermarktung des Scooterbikes schwer.
Dafür haben andere Aktivitäten eine zunächst ungeahnte Dynamik entwickelt, vor allem die Zusammenarbeit mit dem schwedischen Fahrradhersteller Monark. Der Vertrieb dessen Lasten- und Industrieräder stellt inzwischen die wirtschaftlich wichtigste Säule des Unternehmens dar. Jüngst hat beispielsweise ein bundesweit tätiger Pizzalieferdienst seine Boten mit Rädern von Monark ausgestattet. Und wenn Giddens, wie gerade erst, nach Hannover zur Cebit fährt, sieht er dort ebenfalls viele Messearbeiter mit einem Monark-Fahrrad auf dem weitläufigen Gelände rumfahren.
Nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit Monark hat Used inzwischen die kritische Gründungsphase hinter sich gelassen. Das Unternehmen, das im Wohnzimmer eines alten Artländer Bauernhauses gegründet und einige Jahre auch betrieben wurde, ist im vergangenen Jahr in weitläufige Räume neben dem Quakenbrücker Bahnhof umgezogen. In dem Gebäude war früher das Bahnspeditionslager untergebracht, von dem aus Kynast Jahrzehnte lang seine Fahrräder in die Welt verschickte. So schließt sich der Kreis.
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