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Touristische Zentren, wie hier Leogang im Pinzgau, werden immer einfallsreicher, um Fahrradurlauber anzulocken.
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Report - Trends im Radtourismus

Neue Wege zu neuen Zielen

Radreise boomt nach wie vor, doch der Markt ist hart umkämpft. Wohin geht die Reise 2016 – und auf welchem Rad?

Mit dem E-Bike geht’s los von Leogang aufwärts, unterwegs wird noch im Dorfladen eingekauft. Auf der 1.000 Meter hohen Abergalm findet dann der Kochkurs statt, bei dem die Teilnehmer das Eingekaufte zu Leckerbissen der Pinzgauer Küche verarbeiten: Modernes Event-Radeln in den Alpen. Regionale Anbieter wie das Aktiv-Hotel Salzburger Hof versuchen, mit kombinierten Bike- und Genuss-Angeboten Menschen aufs Rad und auf den Geschmack zu bringen. Ein anderer Gasthof in Leogang bietet »shape your own bikepark«: Mit Unterstützung von Mitarbeitern des örtlichen Bikeparks können Kids hier ihre eigenen Steilkurven und Drops kreieren. Damit die Nachwuchsbiker den selbst angelegten Park auch wirklich fahren können, gibt’s Training inklusive. Moderner Bike-Tourismus?

Reisen mit dem kleinen Extra – nur scheinbar angesagt?

»Wir nehmen den Trend Event-Radreisen in der Praxis deutlich geringer wahr, als die Medien ihn widerspiegeln«, meint Jan Gathmann, Chefredakteur der Zeitschrift Radtouren. »Grundsätzlich kann man aber sagen, dass immer mehr Regionen für sich den Fahrradtourismus entdecken. Oft mit Unterstützung von Verleihen – die haben gerade Hochkonjunktur. Der Niederrhein beispielsweise entdeckt sich aktuell als radtouristische Hochburg.«
Mehr Schwung in den touristischen Markt bringen dagegen die vielen E-Bike-Angebote – ganz klar mit dem Versuch, sich eine neue Klientel zu schaffen. »Allerdings gibt es unserer Erfahrung nach auch viele Angebote und Konzepte, die noch nicht optimal ausgearbeitet sind«, meint Gathmann. Dabei ist die Zahl der überregionalen Anbieter kaum gewachsen – aber die Zahl der Vermarktungsplattformen, insbesondere im Internet. In Europa legt vor allem der Nachbar Frankreich radtouristisch stark nach; dort sieht man Deutschland eindeutig als Vorbild, aber auch Kroatien hat mittlerweile diesen Tourismuszweig für sich entdeckt. International stark im Trend sieht man bei dem Kölner Radmagazin Länder wie die USA. »Die Klientel wird hierbei aber jünger«, so Gathmann, »das Ganze geht auch mehr in Richtung Adventure Touring.“

Der Radreisende wird erwachsen

Grundsätzlich kann man von einem Trend hin zu mehr Individualität und weg von geführten Radreisen sprechen – das heißt nicht, dass es nicht auch »ein bisschen pauschal« sein darf, was zum Beispiel Gepäcktransport, fixe Unterkünfte und Zusatzleistungen angeht.
Ähnlich wie bei der Radtouren sieht Armin Herb vom Magazin Trekkingbike das: »Die Kombi aus Event und Radfahren sind fast grundsätzlich eher lokale Angebote in touristischen Regionen, eher mit Gimmick-Charakter als für Reiseradler von besonderem Interesse.« Der für das Ressort Reise zuständige Redakteur zählt aber Genusstouren auch für 2016 zu den Trends: Weinprobe-Touren oder Gourmetreisen mit Mehr-Gänge-Menüs haben Konjunktur. Ein weiteres »Trendchen«: Nachhaltigkeit, beispielsweise Pauschalradreisen mit Unterkünften, die mit dem österreichischen Umweltzeichen zertifiziert sind. Anbieter wie Alpine Pearls sehen den Urlauber vor allem auf dem E-Bike statt im Auto – und haben Erfolg damit.
»E-Bike-Tourismus ist gerade noch im Entstehen«, so Herb. »Die Zielgruppe ist heute noch sehr heterogen, das muss sich erst noch herausbilden.« Trotzdem erkennt er einen Schritt Richtung E-Mountainbike: »Viele Gemeinden müssen sich heute eine Alternative zum Wintersport suchen, da steht das E-MTB bereit.« Das bedeutet auch einen Schritt weg von der klassischen Radtour hin zur Fun-Tour. Mehr Action, mehr Spaß. Auch beim zweiten Radreise-Magazin in Deutschland sieht man die Fernreise auf nicht zu hohem, aber hochwertigem Niveau. Die radtouristische Entdeckung Australiens und auch Afrikas scheint sich anzubahnen. Eine Reise mit dem Rad durch Uganda bietet etwa der Veranstalter Wikinger an. Dazu gehören auch Safari-artige Einlagen in Wildreservaten – dann allerdings im Auto.

Österreich mit mehr Stollen-Touren

Auch der sportliche Bereich wird weiter ausgebaut. »In Österreich erleichtert das eine neue gesetzliche Regelung, die vor allem Singletrails betrifft. Hier wird in Zukunft zum Beispiel das Angebot an geführten Touren noch erweitert werden«, erklärt Manuela Mörtenbeck vom Tourismusmarketing Tirol. »Hier gibt es viele neue Projekte. Allerdings bezieht sich das Wachstum nicht unbedingt auf Pauschal-Pakete.« Die gibt es natürlich im Rahmen der neuen Bike-Schaukel, einer insgesamt 670 Kilometer langen Route quer durch Tirol in 15 Teiletappen. Kombi-Angebote gibt es beispielsweise mit Seilbahnnutzung, um lange, sehr schwere Anstiege zu umgehen, Übernachtungen und Gepäcktransport.
Aber auch Packages wie »Rad+Genuss« sollen mehr werden. Bei »Rad+Genuss« bucht man etwa neben drei Übernachtungen und der TirolWest-Card mit Inklusivleistungen auch eine Schokoladenverkostung und eine Schlossführung. Der touristische E-Bike-Sektor ist Mörtenbeck zufolge in der Alpenregion Österreich auf einem sehr guten Weg, was insbesondere auch am Verleihpartner Movelo liegt. »Wichtig sind für uns aber auch die großen Events wie das E-Bike-Festival in den Kitzbühler Alpen inklusive Fachkongress und Neuheiten-Show nebst Testmöglichkeiten.«
Mit einem neuen, für viele reizvollen Radtyp sind einige regionale Veranstalter wie zum Beispiel Hotels eingestiegen: Sie bieten im Winter Fatbike-Touren an. Meist sind es Ausflüge zur nächsten Alm mit Schnuppercharakter, oft inklusive Bike-Verleih.

Über alle Berge

»Die Faszination Alpen ist immer noch riesig«, weiß auch Kerstin Bierl von Alp Biketours. Das mit Anke Peters 1989 gegründete Unternehmen war eines der ersten, die Mountainbike-Reisen in den Alpen anboten. »Die Alpen sind mehr im Trend denn je! Früher war der Alpencross eine Hardcore-Sache. Heute machen auch Leute, die sonst gar nicht in die Berge kommen, Alpenüberquerungen.« Grundsätzlich wächst der Kundenstamm von Alp Tours – auch wenn das langsam vor sich geht, denn Crossen ist angesagt, und es sind in den letzten Jahren enorm viele Anbieter hinzugekommen. Events gehören auch bei Alp Tours zum Biken dazu; Kombis mit Gourmet-Veranstaltungen etwa. Auch Händler-Events wie etwa für Shimano laufen hier sehr gut – Testen, Biken und Schulung in einem. Vor allem in diesen Test-Events, die für Unternehmen veranstaltet werden, sieht Bierl einen Trend – egal ob Händler oder Endkunden die Teilnehmer sind. Zum Bike-Tourismus kann man das allerdings nur am Rande zählen.

Mit voller Ladung querfeldein

Mit dem Bike-Urgestein Uli Stanciu glaubt ein weiterer passionierter Alpenüberquerer an die große Zukunft des Alpencrossings als touristische Unternehmung. Allerdings eingebettet in einen für ihn noch weit größeren Trend: E-Mountainbike-Touren. Auch wenn es heute noch wenig Angebote in diese Richtung gibt: »Ich bin mir 100-prozentig sicher, das wird eine ganz große Sache.« Stanciu hat selbst schon vor fünf Jahren seine ersten Transalp mit einem E-Mountainbike gemacht und glaubt, dass E-Mountainbiking »ein noch größerer Trend als das Mountainbike damals« werden kann. Die Gründe liegen für ihn auf der Hand: »Das MTB hat damals die Freiheit geschaffen, Natur wirklich unmittelbar zu erleben, abseits vom Asphalt und mit viel Fahrspaß.« Der Nachteil: Man musste trainiert sein. Das E-MTB aber erweitert nach Stanciu diese Freiheit noch einmal, indem sie durch die Motorunterstützung für alle zugänglich wird. Dazu kommt: eine riesige Zielgruppe. Angefangen von jungen Freeridern, die abseits der Seilbahnen jetzt auch ganz einfach ihren Spaß erleben können, bis hin zum älteren, untrainierten Menschen, der das Naturerlebnis sucht, aber über nur wenig Kraft verfügt.
Eine Voraussetzung für den Run aufs E-MTBing sieht Stanciu aber noch nicht erfüllt: »Die Batterien müssen eine Kapazität von mindestens 800 Wattstunden haben«, meint er. »Denn 1.200 Höhenmeter mit einer Ladung reichen da einfach nicht aus.«
Alle MTB-Regionen werden nach Stanciu auf den Trend aufsteigen. Selbst solche, die jetzt auf MTB-Beförderung mit Seilbahnen setzen, auch wenn das bislang vielleicht noch nach einem vorsichtigen Herantasten aussieht.

Unterirdische Exotik

Event- und Wellness-Touren beziehungsweise -Routen sind auch im Fahrradbereich keine Neuheit mehr, und nach den eingangs genannten Spezialisten vielleicht auch nicht ohne Einschränkung als Trend zu bezeichnen.
Trotzdem zeichnet sich in den Angeboten der Radreiseanbieter ein Hang zum Crossover-Einsatz ab; vor allem Rad und Schiff beziehungsweise Segelboot ist beliebt; so bietet Radissimo unter anderem derartige Kombi-Reisen auf und zwischen Ostsee-Inseln an. Das hat mehr Event-Charakter als die klassischen »kulinarischen« Reisen wie etwa Radreisen mit Wein-Verköstigung oder Mehrgänge-Menüs. Event-Charakter verbunden mit Exotik wird wohl auch in Zukunft eher eine feste touristische Nische bleiben – wie die Mountainbike-Touren des »Erlebnis Bergwerk Merkers«: Hier gibt’s geführte Tagestouren durch ein Kali-Bergwerk.
Wo das E-Bike im nächsten Jahr im Spiel ist, da spricht man vorwiegend noch nicht den klassischen Reiseradler an; solche Angebote fungieren eher als Schnupperkurse für Seiteneinsteiger in den Rad- oder vielleicht sogar auch den Event-Tourismus. Bis die versprochene E-MTB-Welle heranrollt.

17. August 2015 von Georg Bleicher

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