velobiz.de Magazin 6-16 Thema: Handel
Keine Zukunft ohne Respekt
Ich hatte nun gerade die Gelegenheit, mit rund 20 Fahrradhändlern eine Woche lang durch Taiwan zu reisen und dabei einerseits viel über die zahlreichen Aufgaben zu lernen, mit denen ein Fachhändler heutzutage konfrontiert ist, aber auch zu erfahren, welche Themen diese bislang noch kaum auf dem Schirm haben. Wie etwa den immer größer werdenden Einfluss digitaler Prozesse auf die Kaufentscheidung und die Wahl des Vertriebskanals durch die Kunden (Report ab Seite 8 und Epilog Seite 82).
Was sich bei der Reise für mich darüber hinaus einmal mehr bestätigt hat, ist mein großer Respekt vor Fahrradhändlern, die ihr Unternehmen im Griff haben. Ich glaube, es gibt kaum eine andere berufliche Aufgabe, die so viele verschiedene Talente und Fertigkeiten verlangt, wie die eines Fahrradhändlers. Wer in dem Job gut sein will, muss technisch und handwerklich ein Ass sein, aber auch ein Könner in der Personalführung und -suche, ein überzeugender Verkäufer und ausgefuchster Einkäufer, ein kreatives Genie bei der Ladengestaltung und nicht zuletzt auch ein kaufmännisches Ass, um im schwierigen Metier Fahrradhandel auf schwarze Zahlen zu kommen. Dazu gesellen sich noch Arbeitszeiten, die andernorts als pure Selbstausbeutung betrachtet würden. Wer sich das bewusst macht, sieht den Fahrradhandel mit anderen Augen.
Gleichzeitig haben die Teilnehmer unserer Taiwan-Reise einen tiefen Einblick bekommen, wie einige der Produkte, mit denen sie tagtäglich im Laden umgehen, entstehen (Report ab Seite 60). Die Wertschätzung für diese Produkte, so unisono die Rückmeldung der mitgereisten Fahrradhändler, ist infolge dieser Erfahrung deutlich gestiegen. Ein zunächst unscheinbarer Fahrradsattel, ein Aluminiumrahmen oder ein Fahrradpedal ist für diese Händler kein Produkt mehr, das von namenlosen Menschen in einem unbekannten Land vermeintlich lieblos zusammengeschustert wurde. Und auch die globalen Zusammenhänge und Herausforderungen unserer Branche, zum Beispiel die langen Vorlaufzeiten, bis ein Fahrrad im Laden steht, erscheinen in einem anderen Licht.
Viele der Aufgaben, die den Fahrradmarkt in den nächsten Jahren erwarten, werden Handel und Industrie nur gemeinsam lösen können. Ohne Respekt und Verständnis für den Anderen werden wir dabei jedoch scheitern.
Markus Fritsch
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