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Branding gegen den Fachkräftemangel
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Schulung - Employer Branding

Branding gegen den Fachkräftemangel

Das Finden von Fachkräften und Auszubildenden wird im Fahrradfachhandel immer schwieriger. Fehlt professionelles Personal, können Kundenwünsche nur noch bedingt erfüllt werden, im schlimmsten Fall wandern Kunden ab. Hinzu kommt, dass potenzielle Mitarbeiter heute über zahlreiche Online-Quellen verfügen, um schon vor einer Bewerbung den Arbeitgeber unter die Lupe zu nehmen. Wer sich dabei als unattraktiv und unglaubwürdig erweist, wird schnell aussortiert. Mit der Strategie des Employer Brandings können Händler hier gegensteuern.

Nicht nur der Fachkräftemangel beschäftigt die Arbeitgeber, auch der Ausbildungsmarkt ist in Deutschland angespannt. Das untermauern auch die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit: So waren am 30. September 2017 noch 48.900 Ausbildungsstellen unbesetzt – deutlich mehr als in den beiden Jahren zuvor (2015: 41.600 offene Stellen; 2016: 43.500 offene Stellen). Da für die Zukunft keine Besserung in Sicht ist, ist das Werben um Mitarbeiter für Unternehmen zu einer zentralen Aufgabe geworden. Ein dabei häufig verwendetes Werkzeug ist das Employer Branding.

Was ist Employer Branding?

Employer Branding bezeichnet eine Strategie, die verhindern soll, dass sich Mitarbeiter und vielversprechende Auszubildende bei anderen Einzelhändlern oder in anderen Branchen bewerben. Setzt ein Händler dieses Konzept konsequent um, präsentiert er sich auf dem Arbeitsmarkt als attraktiver Arbeitgeber, bei dem es Spaß macht, zu arbeiten. Damit dies gelingt, müssen alle Schritte, die er geht, in diese Richtung führen. Oder anders ausgedrückt: Der Arbeitgeber kreiert von sich eine Arbeitgebermarke, die nicht nur neue Fachkräfte anzieht, sondern auch jene bindet, die bereits im Betrieb arbeiten. Ein wichtiges Kriterium, denn wandern Mitarbeiter ab, führt das nicht selten zu Schieflagen in Unternehmen.
Employer Branding ist ein komplexer Prozess, der Zeit und vor allen Dingen einen Perspektivwechsel voraussetzt. So haben viele Händler zwar ein sehr gutes Gespür dafür, wie ihre Kunden »ticken« und wie sie ihnen gegenüber attraktiv bleiben können. Der Gedanke, dass sie sich auch ihren (neuen) Mitarbeitern in einem positive Licht präsentieren sollten, ist vielen jedoch noch fremd. Und sollte der Gedanke doch präsent sein, fehlt es an Maßnahmen, diesen weiter in Richtung Arbeitgebermarke zu befördern. Employer Branding ist zuletzt auch ein Konzept, das in einer Wechselbeziehung zur Unternehmenskultur steht und bei dem nichts dem Zufall überlassen wird. Die Maßnahmen, die im Rahmen dieser Strategie empfohlen werden, sind vielfältig. Am Ende des Prozesses steht die Employer Brand, die Arbeitgebermarke.

Die Botschaft des Unternehmens

Um sich als Arbeitgebermarke aufbauen zu können, muss die eigene aktuelle Situation reflektiert werden. Die entscheidenden Fragen sind: Welches Konzept, welche Idee steht hinter meinem Geschäft, die alles zusammenhält? Bin ich der Allrounder vor Ort oder der Spezialist für Lastenfahrräder, kooperiere ich mit Ärzten und konzentriere mich deswegen auf Reha-Fahrräder? Die mit der Antwort jeweils verbundene Botschaft des Betriebs bildet den Kern der Marke, der sich in jedem weiteren Schritt des Employer Brandings widerspiegeln sollte. Sie dient aber auch der Abgrenzung gegenüber Mitbewerbern. Die Marke ist die Identität des Unternehmens und transportiert die Werte, die es nach innen und außen vertritt. Hierzu zählt z.B. auch das soziale Engagement vor Ort oder die Antwort auf die Frage, wie der Betrieb geführt wird: nachhaltig und mit flacher Hierarchie oder mit vertikal geordneten und streng abgesteckten Verantwortungsbereichen.
Im nächsten Schritt sollte der Händler prüfen, ob er dem Konzept folgend auch seine Personalsuche darauf ausgerichtet hat. Wenn ja, sind die Attraktivität des Unternehmens und die des Arbeitgebers bereits stimmig. Fehlt dieser Einklang, muss der Händler nachjustieren, denn nur dann wird auch die Unternehmensmarke von den Bewerbern – wie übrigens auch von den Kunden – als glaubwürdig und authentisch wahrgenommen.

Eigene Stärken und Schwächen identifizieren

Viele Arbeitgeber wissen gar nicht, was ihre Angestellten dazu motiviert, bei ihnen zu arbeiten. Eine flache Hierarchie, ein innovatives Team, flexible Arbeitszeiten: Vorteile werden oft gar nicht mehr wahrgenommen, wenn sie über lange Zeit gelebt werden. Oder ist es die kollegiale Arbeitsatmosphäre? Das gute Image? Die Möglichkeit, Familie und Beruf zu verbinden? Oder faszinieren die gemeinsamen Bike-Touren im Team? Arbeitgeber sollten ihre Stärken und die Vorteile des Betriebs kennen und damit auch werben. Um sie zu erfahren, sollten sie ihre Mitarbeiter nach einer ehrlichen Antwort fragen. Auch Bewerbungsgespräche sind gute Informationsquellen: Warum wurde die Bewerbung für diesen Arbeitsplatz initiiert? Bei wem hat sich der potenzielle Mitarbeiter noch beworben und warum?
Neben den Stärken sollten aber auch die Schwächen des eigenen Betriebs identifiziert werden. Nicht gezahltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Überstunden, fehlende Mitbestimmung oder Anleitung sind Faktoren, die Bewerber abschrecken, selbst wenn der Arbeitsplatz z.B. Sicherheit verspricht. Der jährlich erscheinende »Ausbildungsreport«, den die DGB-Jugend veröffentlicht, zeigt zum Beispiel, welche Bedürfnisse und Erwartungen Auszubildende an die Betriebe haben. So wünschten sich im vergangenen Jahr 35,4 Prozent der Azubis, dass ihnen ein betrieblicher Ausbildungsplan ausgehändigt wird, damit sie die Ausbildungsinhalte prüfen können.
Neben diesen Informationsquellen sollten Arbeitgeber auch regelmäßig auf Arbeitgeber-Bewerbungsportalen wie kununu.com, meinchef.de, jobvote.com, companize.com u.a. vorbeischauen und nach Einträgen zum eigenen Unternehmen suchen. Auch wer dort nicht als Arbeitgeber vertreten ist, findet in den Portalen wertvolle Informationen, denn das Stöbern in den Bewertungen anderer Unternehmen kann auf der Suche nach »Was wünschen sich eigentlich Arbeitnehmer?« weiterhelfen. Die genannten Portale werden von Arbeitgebern oft noch unterschätzt. Ein Fehler, denn inzwischen informieren sich dort und in den sozialen Netzwerken nicht mehr nur Digital Natives, also junge Erwachsene, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind, über ihre potenziellen Arbeitgeber.

Unternehmens- und Arbeitgebermarke kommunizieren

Händler können sich auf den gleichen Portalen gegen eine monatliche Gebühr auch als attraktive Arbeitgeber präsentieren und offene Stellen ausschreiben und damit – falls nötig – auch schlechten Einträgen entgegenwirken. Dabei sollten sie die Ansprache bei der Mitarbeitersuche dem oben genannten Perspektivwechsel anpassen. Zukünftige Beschäftigte wollen nicht mehr nur Arbeitsanweisungen ausführen. Sie wollen ernst genommen werden und auf ihre Rechte nicht pochen müssen. Dafür identifizieren sie sich dann auch mit dem Betrieb. Sie übernehmen die Funktion des Multiplikators und tragen die Stärken und Werte nach außen – auch zu den Kunden. Die Stellenausschreibung sollte deshalb auch unabhängig vom Medium immer wieder auf die Unternehmens- und Arbeitgebermarke verweisen. Die Wiederholung schärft das Profil und erhöht den Bekanntheitsgrad.
Wird die Unternehmens- und Arbeitgebermarke dann noch über Videos, Berichte und Fotos z.B. von der letzten Bike-Tour im Team mit Leben gefüllt, gewinnt sie an Authentizität. Die Botschaften, die von der Arbeitgebermarke ausgehen, müssen sowohl innerbetrieblich als auch nach außen kommuniziert werden. Artikel in den regionalen Medien, ein Tag der offenen Tür, Sponsoring eines Fahrradrennens am Ort – Möglichkeiten dafür gibt es viele.

Ungewöhnliche Kanäle für die Mitarbeitersuche

ellenausschreibung mit ein, hat dies den Vorteil, dass sich verstärkt nur die Interessenten auf die Stelle melden, die mit der Arbeitgebermarke sympathisieren. Medien für Stellenausschreibungen gibt es viele: Die eigene Homepage ist nur ein Weg, Online-Job-Portale wie sport-job.com und velobiz.de ein anderer. Ihr Vorteil: Sie sind branchenspezifisch ausgerichtet und keine internationalen Generalisten wie Xing oder LinkedIn.
Darüber hinaus empfehlen sich auch ungewöhnliche Kanäle. So gibt es im Raum München z.B. die Zeitschrift »12job.de« des Verlages »Münchner Wochenanzeiger«, die zweimal im Jahr kostenlos an 400 Schulen geschickt wird und in den Geschäftsstellen der Bundesagentur für Arbeit, in vielen Rathäusern, Stadtbibliotheken und Jugendzentren in und um München – also überall dort, wo sich potenzielle Azubis aufhalten – ausliegt. Ähnliche Produkte gibt es auch in anderen Regionen. Und wenn nicht, wer hindert Arbeitgeber daran, etwas Ähnliches ins Leben zu rufen?
Auch Kooperationen mit Schulen, die Vergabe von Praktikumsstellen und die Präsentation des Betriebes auf Azubi-Messen sind für manche Händler noch unkonventionelle Wege. Sie garantieren aber den direkten Kontakt mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Und: Die Konkurrenz, auch aus anderen Branchen, schläft nicht. So antworteten 2014 bereits 16,2 Prozent der Arbeitgeber im stationären Handel auf die Frage des Statistischen Bundesamts »Wie wollen Sie dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel im stationären Handel begegnen?«, dass sie den Weg in die Schule suchen, um Kooperationen einzugehen.
In Berlin geht man seit 2016 einen ganz neuen Weg bei der Suche nach Auszubildenden. Dort hat der Weiterbildungsträger »BildungsWerk in Kreuzberg« in Zusammenarbeit mit »mediale pfade.de – Agentur für Medienbildung« das Projekt »Berliner Berufsrouten – die Routen zur Ausbildung« (berliner-berufsrouten.de) aufgelegt, das von der Berliner Wirtschaft finanziert wird. Es handelt sich dabei um ein innovatives Instrument der Azubi-Rekrutierung und eine moderne Form des Ausbildungsmarketings, das primär Jugendliche anspricht. Zusammen mit ihnen entwickelte man eine App, die die jungen Menschen über die gewohnten Kiezgrenzen zu potenziellen Arbeitgebern führt und die Ausbildungsberufe aus der Perspektive Jugendlicher präsentiert. Bisher fehlen dort noch Betriebe aus der Fahrradbranche und die Darstellung ihrer spezifischen Ausbildungsberufe. Eine Anfrage bei der IHK könnte dies ändern. Händler, die nicht in Berlin ansässig sind, sollten Augen und Ohren offen halten. Vielleicht gibt es vor Ort ähnliche Projekte oder können mit Partnern initiiert werden.

Die Arbeitgebermarke mit Leben füllen

Ein Händler, der seine Arbeitgebermarke ernst nimmt, behandelt einen Bewerber freundlich und verbindlich. Terminabsprachen hält er ein und er pflegt den persönlichen Kontakt auch über die Vertragsunterzeichnung hinaus, denn dann steht die Mitarbeiterbindung auf der Tagesordnung. Eine Bezahlung nach Tariflohn hält das Team zusammen, Angebote zur Weiterbildung ebenso. 35,1 Prozent der stationären Händler gaben 2014 an, dass sie die Mitarbeiterbindung intensivieren wollen. 25,5 Prozent sahen ein wichtiges Instrument in Weiterbildungsangeboten. 21,9 Prozent wollen die Spielräume in Richtung Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhöhen.
So wie Employer Branding ein offen ausgetragener Prozess ist, so muss der letztlich gefundene Employer Brand, die Arbeitgebermarke, auch immer wieder hinterfragt, notfalls auch neu definiert werden. Schließlich beruht sie auf (Alleinstellungs-)Merkmalen, die über die Jahre durch den Wettbewerb nivelliert werden können.

16. April 2018 von Dorothea Weniger
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