8 Minuten Lesedauer
Erfolgreich unterwegs: Mitgründer und Sales Manager Teet Praks und Sven Bernhardt (Business Development) auf der Eurobike 2017.
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Portrait - Comodule

IoT macht das Fahrrad smart

Die Light-Electric-Vehicle-Revolution durch smarte Technologie zu beschleunigen ist das Ziel des deutsch-estnischen Unternehmens Comodule seit dem ersten Tag der Gründung im Jahr 2014. Wir haben das junge Team besucht und uns ein Bild gemacht.

Tallinn? Wo liegt das doch gleich? Und in welchem Zusammenhang hat man den Namen schon mal gehört? Eurovision Song Contest? E-Government? Skype? Alles richtig. Tallinn ist mit rund 430.000 Einwohnern die größte Stadt des gerade einmal 1,3 Millionen Einwohner zählenden EU-Mitgliedstaats Estland. Zwar klein, aber 100 Prozent digital: In internationalen Rankings gehört die baltische Republik zu den führenden Ländern beim E-Government und laut Medienberichten gibt es aktuell kaum ein Land, in dem die Bedingungen für junge Gründer aus der Tech-Szene so gut sind, wie in Estland. Übrigens dem Heimatland der Erfinder von Skype, das monatlich 300 Millionen Menschen verbindet.

Internet der Dinge

Die Beschäftigung mit neuen Technologien und digitalen Lösungen scheint dem jungen Team des Unternehmens Comodule, das heute über Büros in Tallinn, Berlin und Taipei verfügt, somit in die Wiege gelegt. Näher kommt man dem Unternehmen auch, wenn man weiß, dass die Gründer sich bei Universitätswettbewerben mit leichten Elektro-Rennautos kennengelernt haben. Die Tüftler verbindet also bereits vor der Unternehmensgründung eine jahrelange Erfahrung mit der Entwicklung von Elektrofahrzeugen inklusive Steuerungselektronik und Batterietechnik. Aber was hat das Ganze mit dem Thema Fahrrad zu tun? Laut Teet Praks, Mitgründer und verantwortlich für den Bereich Sales & Product. »Einige sagen, dass das Internet of Things alles verändert und andere sagen, dass dies nur ein weiterer Hype sei. Wenn es um Fahrräder und Roller geht, glauben wir, dass das IoT ein großes Potenzial hat, die Fahrrad- / Rollerindustrie zu verändern.« Internet of Things, kurz IoT oder
auf denglisch Internet der Dinge, beschreibt die Vernetzung von Geräten oder virtuellen Gegenständen mit oder ohne Interaktion mit einem menschlichen Nutzer. Genau daran arbeitet das schnell wachsende Unternehmen mit heute 25 Mitarbeitern, das in diesem Bereich Pioniere und Branchenführer aus den USA, Europa und Asien zu seinen Kunden zählt. Zentral geht es nach Teet Praks dabei darum, mehr Menschen für nachhaltige Transportmittel zu gewinnen, bessere (Kunden-)Dienste anzubieten, neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen und für Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu generieren.

Bessere Mobilität durch Digitalisierung

»Wir fördern die Mobilität von morgen, indem wir Digitalisierungswerkzeuge für die Leichtfahrzeug-Industrie bereitstellen«, heißt es selbstbewusst in der Unternehmensdarstellung. Tatsächlich werden Systeme von Comodule inzwischen bei immer mehr Unternehmen eingesetzt. Darunter Systemanbieter wie BMZ, Antriebshersteller wie Brose, E-Bike-Produzenten wie Coboc oder Ampler, E-Roller-Hersteller wie Kumpan und Sharing-Anbieter wie Clean Motion oder goUrban. Vor allem im letzten Bereich, bei Sharing-Systemen mit Fahrrädern, E-Bikes, E-Rollern und anderen Light Electric Vehicles ergeben sich neue Marktchancen. Hier fungiert Comodule als Technologieanbieter, der Netzbetreibern ein schlüsselfertiges und adaptierbares Komplettsystem aus Hardware, Software und einer Plattform zur Verwaltung ihrer Flotten zur Verfügung stellt. In den letzten 18 Monaten hat das junge Unternehmen nach eigener Aussage beispielsweise dabei geholfen, Sharing- und Flottenprogramme in Indien, Deutschland, der Schweiz und Österreich zu starten.

Komplettlösungen für verschiedenen Einsatzgebiete

Für die vier Zielgruppen Komponentenzulieferer, Fahrzeughersteller, Sharing-Systeme und Flotten-Management bietet Comodule verschiedene Module, die jeweils eine Hardwarelösung mit Bluetooth am Fahrzeug (fakultativ inklusive Display), eine App sowie eine Cloud-Lösung umfassen. Damit können zum Beispiel Rückmeldungen des Fahrzeugs erfasst und ausgewertet, das Fahrzeug geortet und navigiert oder das Antriebsverhalten individuell angepasst werden – bis hin zur Steuerung des Drehmoments (zum Beispiel beim Brose-Antrieb). Der Vorteil des Systems: die Konfiguration der Hardware und der Software erfolgt individuell je nach Einsatzgebiet und angepasst an den Bedarf und die individuellen Wünsche – zum Beispiel im Hinblick auf das Branding der Lösung. Weitere, insbesondere bei Flotten- und Sharing-Fahrzeugen wichtige Lösungen, wie GSM/GPS, Anmelde- und Pay-Services, Unfallerkennung und Notruffunktion sowie ein Zweiwege-Support lassen sich je nach Bedarf ebenfalls integrieren.

Das Gute liegt so nah: Smartphone als Bordcomputer

Über die Flexibilität des Systems freut sich Jörg Schmidt, Department Manager E-Bike Sales des Systemanbieters BMZ Group. »Comodule hat die Anforderungen von BMZ verstanden und ist in der Lage diese umzusetzen. Wir freuen uns über eine gute Zusammenarbeit.« Im Vergleich zu vielen marktüblichen Komplettlösungen sieht Schmidt den Hauptvorteil des neuen BMZ Connect C-Systems darin, dass es sich hier um eine schlanke und kostengünstige Lösung handelt. »Der Fokus liegt auf dem Thema Bordcomputer – mit Navigation und Personalisierung/Einstellung des E-Bikes. Für uns wichtig: ein bewusst reduzierter Umfang und einfaches Handling.« Vorteil für den E-Bike-Nutzer: »Er bekommt in Verbindung mit seinem Smartphone einen E-Bike-Bordcomputer mit Reichweiten und Navigation und er kann die Fahrstufen auf seine Bedürfnisse einstellen.« Alles Zukunftsmusik? Keineswegs. »Die Projekte zur Einführung der BMZ Connectivity-Lösungen laufen. Zur Eurobike werden entsprechend ausgerüstete Serienmodelle präsentiert«, betont Jörg Schmidt.
Interessant sind solche Smartphone-gesteuerten Lösungen sicher vor allem für reduzierte E-Bike-Modelle wie von Coboc oder neu auch von der estländischen Firma Ampler Bikes. Sie wenden sich an jüngere Kundengruppen, für die der Griff zum Smartphone eher die Regel als die Ausnahme ist. Ein übergroßes Display am Lenker ist da ein No-Go. Gleiches gilt heute wohl auch für E-MTBs und auch hier gibt es eine clevere Lösung: Mit der eingegebenen Route berechnet das Comodule-System automatisch anhand des Höhenprofils die tatsächliche Reichweite. »Zur Konfiguration und Personalisierung des E-Bikes ist das Smartphone mit Sicherheit das richtige Device«, betont dazu Jörg Schmidt. »Es macht aus unserer Sicht wenig Sinn diese Funktionalität für das Rad anders zu realisieren. Inwieweit das Smartphone auch als Display seinen Weg machen wird, bleibt abzuwarten.«

Neue Geschäftsmodelle für die E-Bike-Industrie?

ng bei Ampler Bikes, liegen die Vorteile des Comodule-Systems auf der Hand: »Wir können unseren Kunden ein besseres Erlebnis bieten, indem wir ihnen die volle Kontrolle über das Fahr-erlebnis und die Einstellungen ihres Bikes geben. Dies erhöht die Kundenzufriedenheit. Darüber hinaus hilft uns das System technische Probleme drahtlos zu diagnostizieren, bestimmte Funktionen zur Behebung dieser Probleme zurückzusetzen und Firmware-Updates zu senden. So können wir Kosten senken und gleichzeitig unsere Kunden zufriedenstellen.«
Sven Bernhardt, der nach Jahren bei der Winora-Gruppe und einer Station bei Brose seit 2016 als Business Development Manager für Comodule tätig ist, beschreibt die Einführung digitaler Systeme beim E-Bike als einen Umbruch. »GSM-Systeme sind für spezielle Anwendungsgebiete wie das Bike-Sharing und generell für die Zukunft hochinteressant. Aber auch per Bluetooth und App lässt sich heute schon jede Menge realisieren. Hersteller können zum Beispiel direkt und ungefiltert mit ihren Kunden über die App kommunizieren.« Beispiele sind laut Sven Bernhardt Verbesserungen im Produkterlebnis, unter anderem durch Chats bei Problemen, Update- oder Servicehinweise aber auch aktives Marketing. Dadurch, dass die Kundendaten bekannt sind, können beispielsweise Herstellerversicherungen angeboten und mit wenigen Klicks online abgeschlossen werden. Vielfach unterschätzt würde auch der Datenrückfluss, der direkt für die Produktentwicklung und andere Aktivitäten genutzt werden könne. »Das tatsächliche Nutzungsverhalten der Kunden zum Beispiel in Bezug auf die Akkukapazität oder die Motorperformance bietet eine hervorragende Grundlage für weitere Entwicklungen.«

Die Zukunft hat bereits begonnen

Insgesamt könnte sich damit die Rolle des Herstellers im Privatkundenmarkt fundamental verändern. Denn er verkauft potenziell künftig nicht nur einmal ein Produkt an den Händler, sondern er bleibt mit dem Endkunden verbunden. Er kann von ihm lernen, Vorteile im Wettbewerb generieren und ihn durch verschiedenste Maßnahmen an sich binden. Das beste Beispiel im Mobilitätsmarkt, das dies erreicht hat, ist für den Comodule-Mitgründer Teet Praks das Unternehmen Tesla. Ohne Händlerkontakt können hier beispielsweise zum Teil kostenpflichtige Updates aufgespielt werden, die neue Funktionen, oder mehr Leistung liefern. Und der Nutzer bekommt automatisch eine freundliche Einladung zum Händlerbesuch, wenn durch Diagnosetools Probleme entdeckt werden oder wieder ein Serviceintervall fällig wird. Die Zukunft hat also schon längst begonnen – und Comodule ist eines der Unternehmen, die sie als Pionier und Innovator gestalten wollen.

4. Juni 2018 von Reiner Kolberg

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