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Roller mit Elektromotor sollen unter anderem die Lücke zwischen Haustür oder Arbeitsplatz und dem öffentlichen Nahverkehr füllen.
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Markt - E-Roller

Auf kleinen Rädern durch die große Stadt

Produkte für die urbane Mikromobilität und hier insbesondere elektrounterstützte Tretroller sind schon seit längerem auf dem Radar der Branche. Aktuell stehen noch rechtliche Hindernisse im Weg, bevor solche Kleinelektrofahrzeuge eine ernstzunehmende Rolle im Nahverkehr spielen können. Doch schon bald soll sich das ändern.

Die Idee, einen Tretroller mit einem Elektroantrieb zu versehen, ist nicht gerade neu. Die damit verbundene Phantasie, aus diesen Fahrzeugen einen wichtigen Bestandteil der städtischen Mobilität zu machen, ist es allerdings. Obwohl oder vielleicht gerade, weil dieses Konzept noch frisch ist, beflügelt es die Phantasie des Marktes. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die kleinen, handlichen Roller ergänzen sich vorzüglich mit PKW, öffentlichem Nahverkehr und überhaupt allen zurückzulegenden kurzen Strecken. »Zu weit, um zu laufen, zu kurz, um zu fahren«, lautet eine Definition für den Einsatzbereich dieser Fahrzeuge. Reizvoll sind sie für diese Strecken, weil sie mit minimalem Aufwand genutzt werden können.
Von der Elektro-Mikromobilität erhofft sich auch Lauri Jouhki, Geschäftsführer von Metz Mecatech, ein großes Zukunftspotenzial: »Der Verkehr in unseren Innenstädten wird immer dichter, die Luftverschmutzung höher. Mittlerweile drohen Fahrverbote für Diesel-Autos. Die großen Städte brauchen dringend alternative Fortbewegungsmittel.« Auch mit dem öffentlichen Nahverkehr sind laut Jouhkis Meinung nicht alle Probleme gelöst. »Für das Busfahren muss ich mich an Fahrplanzeiten und Standardstrecken halten – und auch ein Bus kann im Stau stecken bleiben. Mit dem Metz Moover sind die Stadtbewohner unabhängiger und kommen in den meisten Fällen schneller von A nach B.«
Zielgruppen sieht Jouhki zum einen im Privatkundenbereich. Stadtbewohner sollen mit den Produkten seines Unternehmens Kurzstrecken schnell und einfach zurücklegen können, ohne dafür ein schweres E-Bike aus dem Keller schleppen zu müssen (»Only-Mile«-Konzept). Pendler können die erste oder letzte Meile zum Büro (»First Mile« und »Last Mile«) mit dem E-Tretroller bewältigen und profitieren davon, dass sie das Zweirad kompakt zusammenklappen und so ganz einfach in Bus und Bahn transportieren können. »Anders als ein E-Bike muss der Metz Moover nicht vor dem Bürogebäude abgestellt und gesichert werden, sondern kann zusammengeklappt mit ins Büro genommen und dort bequem aufgeladen werden«, erklärt er einen weiteren Vorteil. »Neben den Privatkunden sehen wir aber auch Potenzial im B2B-Geschäft. Der E-Tretroller ist ideal, um längere Wegstrecken auf großen Werksgeländen schnell und praktisch zurückzulegen und damit Mitarbeiterkosten zu sparen.«
Doch der ganz große Siegeszug lässt noch auf sich warten. »Das Problem an der Sache ist, dass der elektrische Tretroller nicht in der Straßenverkehrsordnung vorgesehen ist«, erklärt Marie Schmidt, Marketing-Managerin bei Brake Force One (BFO), wo man selbst mit dem E-Tretroller Flynn in den Startlöchern steht. »Deswegen gibt es keine Regelungen, wo man mit diesen Fahrzeugen fahren darf, wie schnell man damit fahren darf und einiges mehr. Es ist die gleiche Thematik, wie es sie vor Jahren auch mit dem E-Bike gab.«

Die (nicht so) schwierige Gesetzeslage

Wer sich auf die Suche nach einer leicht verständlichen Erklärung bezüglich der geltenden Gesetzeslage macht, wird im Wust der Informationen kläglich scheitern. Ein großer Teil der Verwirrung rührt daher, dass interessierte Hersteller in der Vergangenheit durchaus ideenreich nach Mitteln, Wegen und Schlupflöchern gesucht haben, um ihre Gefährte auf irgend–einem Wege legal auf die Straße zu bringen. Dabei war es wenig hilfreich, dass mitunter sehr optimistische Einschätzungen bezüglich der Rechtslage abgegeben wurden. Bei nüchterner Betrachtung ist schlicht festzustellen, dass auf dem deutschen Markt noch kein legaler Betrieb im Straßenverkehr möglich ist.
Beispielsweise hat sich Metz mit seinem Produkt Moover viel Mühe gemacht, um vor dem Gesetz zu bestehen, doch die Fragezeichen können noch nicht vollständig ausgeräumt werden. Auch wenn sich Metz von einem deutschen Prüfinstitut bestätigen ließ, dass der Metz Moover der Pedelec-Norm DIN EN 15194 entspricht, mit der ein Fahrzeug wie ein Fahrrad auf Straßen und Radwegen fahren darf, erklärt Geschäftsführer Jouhki: »Bis wir eine konkrete Aussage von der Regierung haben, können wir noch nicht genau sagen, ab wann der Moover im öffentlichen Straßenverkehr in Deutschland eingesetzt werden darf«. Anders übrigens als im benachbarten Ausland: »In Österreich und in der Schweiz dürfen unsere Kunden bereits auf Straßen und Radwegen mit dem Metz Moover fahren«, sagt der Metz-Geschäftsführer.
Ein anderer Ansatz, die E-Tretroller auf die Straße (bzw. genauer: den Fußweg) zu bringen, läuft über die Spielzeugkategorie: Wenn die Roller nur bis 6 km/h unterstützen, gehen sie vor dem Gesetz als Spielzeug durch. Findige Hersteller haben einen eigenen Modus für diese Geschwindigkeit implementiert. Doch auch hier muss man davon ausgehen, dass eine solche Lösung der genaueren Prüfung nicht standhält. Wirklich relevant ist das für die Hersteller ohnehin nicht, denn der ganze Sinn der Übung ist, auf die ­üblichen Fahrradgeschwindigkeiten zu kommen. Statt auf Schlupflöcher setzen die Hersteller ihre Hoffnungen inzwischen auf Europa.

Das Warten auf PLEV

Der Bundesrat hat sich bereits 2016 dahingehend geäußert, dass die Bundesregierung den rechtlichen Rahmen für die neue Fahrzeugkategorie der elektromotorisierten Roller, Skateboards und Konsorten setzen sollte: »Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich die verhaltens- und zulassungsrechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb von selbst­­balancierenden Fahrzeugen und Fahrzeugen mit Elektroantrieb, die nicht mindestens einen Sitzplatz haben, im öffentlichen Verkehr – unter Beteiligung der Länder – zu regeln«, hieß es damals.
Ganz offensichtlich sind sich die Länder der Marktentwicklungen seit längerem bewusst. »Selbstbalancierende Fahrzeuge, die nicht unter die Mobilitätshilfenverordnung fallen (wie z. B. elektrische Einräder oder Elektroboards), werden – ebenso wie unterschiedliche Modelle von Elektrorollern und -scootern – vom Handel bereits massenhaft angeboten. Obwohl diese nach derzeitiger Rechtslage zum Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr in der Regel nicht zugelassen sind, werden sie dort bereits vielfach sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern genutzt. Einheitliche ­verbindliche Regelungen zum Betrieb dieser Kraftfahrzeuge sind daher nicht nur aus Gründen der Verkehrs­sicherheit, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Förderung der Elektromobilität und der Nutzung innovativer Mobilitätskonzepte ­erforderlich.«
Obwohl im gleichen Beschluss darauf hingewiesen wird, dass nationale Lösungen möglich wären, haben die verantwortlichen Stellen noch keine Ergebnisse vorgelegt. Während Österreich, Frankreich und auch das Nicht-EU-Land Schweiz gesetzliche Optionen aufgezeigt haben, setzt man hierzulande offensichtlich auf eine europäische Lösung. Und diese ist sogar in Sicht. Unter dem Namen PLEV (Personal Light Electric Vehicles) erarbeitet ein EU-Gremium derzeit die Kriterien und Normen, die diese neue Produktgruppe erfüllen muss, um mit dem Segen des Gesetzgebers auf den Straßen Europas bewegt werden zu dürfen.
Verschiedene Akteure arbeiten an PLEV, aber noch ist unklar, wie die Regelungen im Detail aussehen werden. Zur Erarbeitung der dazugehörigen Normen wurden nur wenige Eckdaten genannt: Ziel der Anstrengungen ist es, Fahrzeuge mit und ohne feste Sitzposition, die bestimmt sind für den Transport von einer Person in städtischer Umgebung mit Höchstgeschwindigkeiten unter 25 km/h und Nennspannungen bis 50 Volt Wechselstrom oder 75 Volt Gleichstrom zu beschreiben und für diese alle Gefährdungen abzudecken.
Seit geraumer Zeit ist bekannt, dass diese neue Fahrzeugklasse schon in absehbarer Zeit fertig definiert und vorgestellt werden soll. »Auf der Grundlage dieser Normen kann ein Fahrzeug dann zugelassen werden«, erklärt BFO-Managerin Schmidt. »Die Ergebnisse dieser Arbeiten werden maßgeblich dafür sein, wann eine Regelung für Deutschland kommt. Wir erhoffen uns, dass das schon Ende des Jahres erfolgt.«

Welche Rolle kann der ­Fachhandel spielen?

Obwohl noch nicht genau feststeht, was in Deutschland und damit wohl europaweit mit der PLEV-Norm erlaubt und zugelassen sein wird, tummeln sich bereits jetzt zahlreiche Marken und Hersteller auf diesem Feld. Dabei handelt es sich längst nicht nur um fachhandelsaffine Anbieter. Diese mögen zwar die vermeintlich hochwertigsten und attraktivsten Produkte offerieren, viel häufiger sind jedoch günstige Anbieter aus Fernost und Direktvertreiber zu finden, die sich bereits jetzt in diesem Segment tummeln. Selbst Smartphone- und Elektronikhersteller wie Xiaomi finden dieses Segment spannend und verkaufen dem Vernehmen nach in Ländern wie Spanien bereits bemerkenswerte Stückzahlen. Dazu kommt noch die Vielfalt innerhalb der Produktgruppe. PLEV-Fahrzeuge gibt es als E-Roller mit Kick-Ausführung, aber auch mit Gasgriff, als selbstbalancierendes Einrad oder als klappbares Mini-E-Bike mit Sitz.
Die Entwicklung der Mikromobilität bleibt damit spannend. Auch das Elektrofahrrad hat einmal mit der gleichen rechtlichen Unsicherheit angefangen und ist nun eine unersetzliche Umsatzsäule für den Handel. Ob diese E-Tretroller den gleichen Weg gehen werden, ist allerdings keineswegs eine ausgemachte Sache. Die geringere Komplexität der Produkte hat bereits jetzt zahlreiche Hersteller inspiriert, auf diesen Zug mit günstigen Produkten aufzuspringen. Damit unterscheidet sich die Situation zur Entwicklung des E-Bikes deutlich. Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Fahrradfachhandel von dieser Produktgruppe profitieren kann. Beobachten sollte er die E-Roller auf jeden Fall.

2. Juli 2018 von Daniel Hrkac
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