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Förderung von E-Bikes – was bringt‘s?
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Politik - E-Förderung

Förderung von E-Bikes – was bringt‘s?

Auf die Verkehrswende von oben muss man wohl noch etwas warten. Doch auf Länder- und kommunaler Ebene bewegt sich was. Das Spektrum der dort angesiedelten Förderprogramme für E-Bikes und E-Lastenräder wird immer breiter. Wer da durchblicken will, muss sich meist selbst auf den Weg machen. Doch die Mühe lohnt sich.

Fahrradaktivist und Blogger Daniel Doerk forderte 2016 auf itstartedwithafight.de eine Förderung von E-Bikes und E-Lastenräder für alle. Vorausgegangen war die Ankündigung der Bundesregierung, zusammen mit der Autoindustrie eine Kaufprämie für E-Autos in Höhe von 4000 Euro auflegen zu wollen. »Keine exklusive Auto-Prämie für Besserverdienende, sondern umweltverträgliche Mobilität für alle«, begründete Doerk seine damalige Forderung.
Selbst der Bundesrat monierte die einseitige Unterstützung. In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf appellierte er an die Bundesregierung: »Im Interesse von Klimaschutz, Luftreinhaltung und nachhaltiger Mobilität verdient eine möglichst emissionsarme betriebliche Mobilität auch von Zweirädern mit Elektrounterstützung und mit Elektroantrieb noch stärkere Förderung als bisher.« Ein Appell, den die Bundesregierung schnöde zurückwies: »Die Bundesregierung erachtet eine … direkte Förderung von Zweirädern mit Elektrounterstützung und mit Elektroantrieb derzeit für nicht erforderlich. Der Markt für diese Zweiräder … befindet sich derzeit in einer guten Verfassung.«
Eine Sichtweise, die bei Heiko Müller, Gründer und Geschäftsführer von Riese & Müller, nicht gut ankommt: »Wir sehen in der einseitigen Förderung von E-Autos ein Ungleichgewicht gegenüber alternativen Mobilitätsangeboten wie dem E-Bike. Es muss bei Förderprogrammen im Mobilitätsbereich auch um die Frage gehen, welche Maßnahmen den Umweltschutz fördern und die Städte vom immer dichter werdenden Verkehr entlasten.«
Arne Behrensen, Betreiber der Webseite cargobike.jetzt, führt noch ein weiteres Argument ins Feld: »Die Hersteller von Cargobikes sind fast alle klein bis sehr klein und haben große Probleme, den qualitativen Sprung von der Manufaktur zur industriellen Produktion zu meistern.«

Förderprogramme mit unterschiedlichen Standards

Was auf Bundesebene, abgesehen vom Programm des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, nicht so recht in Gang kommen mag, funktioniert auf Landes- oder kommunaler Ebene relativ gut. Selbst Krankenkassen und Stromanbieter mischen mit Förderprogrammen mit. »Grundsätzlich sind Förderprogramme für E-Bikes und E-Lastenfahrräder positiv: Es können sich so einfach mehr Leute diese doch relativ hochpreisigen Produkte leisten, gleichzeitig ist es schwierig, die einzelnen Programme zu durchschauen. Jeder kocht sein eigenes Süppchen«, beschreibt Felix Schön, beim Lastenradhersteller Muli-cycles zuständig für den Verkauf und das Marketing, die aktuelle Lage. Unterschiede gibt es bei den Zielgruppen und Laufzeiten, bei der förderungswürdigen Bike-Ausstattung und der Höhe der Förderprämien.
Der Teufel steckt also im Detail: Die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler möchte z.B. neben anderen Bevölkerungsgruppen gezielt junge Familien mit Kindern und Familien mit gehandicapten Angehörigen unterstützen. Ähnlich agiert Stuttgart, wo dieses Jahr das Förderprogramm »E-Lastenräder für Stuttgarter Familien« mit 500.000 Euro aufgelegt wurde, um neben Familien auch Alleinerziehenden bei der Anschaffung von Elektro-Lastenrädern zu helfen. Kleine Unternehmen bis neun Mitarbeiter, Vereine und Verbände, Zusammenschlüsse von Privatpersonen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Schulen, Krankenhäuser und Kitas sind für die Stadt Köln förderungswürdig. Manche Anbieter koppeln ihre Förderung auch an die Verschrottung eines PKWs.
In Regensburg gibt es gleich zwei Programme. Neben der Stadt lockt auch der Stromanbieter Rewag mit einem speziellen Angebot: Wer das Ökostromprodukt »rewario.strom.natur+« wählt, kann sich gleichzeitig aus einer fixen Produktpalette beim Händler »Electrowheels« ein E-Bike oder E-Cargobike aussuchen und dieses per Ratenzahlung inklusive Preisnachlass erwerben. Doch damit nicht genug: Entscheidet sich der Ökostromkunde für die E-Bike-Trekkingversion oder das E-Lastenfahrradrad, kann er auch noch vom Fördergeld der Stadt profitieren.

Förderprogramme bevorzugen E-Lastenräder

98 Prozent der Fördermittel fließen derzeit in E-Lastenräder. Wer als Händler oder Hersteller den Überblick behalten möchte, kann sich auf dem Blog cargobike.jetzt von Arne Behrensen informieren. Um aktuell zu bleiben, ist Dienstleister Behrensen aber auch auf Meldungen von Händlern und Herstellern angewiesen. Felix Schön von Muli-cycles hat eine weitere Informationsquelle: »Wir bekommen relativ schnell Rückmeldungen von unseren Kunden und Händlern, sobald ein neues Förderprogramm in Aussicht steht.«
Warum E-Lastenfahrräder eher als E-Bikes gefördert werden, analysiert Anke Schäffner, Leiterin der Abteilung Politik und Interessenvertretung beim Zweirad-Industrie-Verband e.V. (ZIV): »Ein Förderprogramm für E-Bikes würde sicher deutlich besser angenommen werden als das Förderprogramm für E-Autos. Dennoch, angesichts der positiven Marktentwicklung ist eine bundesweite Subventionierung von E-Bikes in Deutschland derzeit nicht durchsetzbar.« Auch Felix Schön hält die alleinige Förderung von E-Lastenrädern für vertretbar: »E-Lastenräder bilden momentan nur einen sehr kleinen Teil des gesamten E-Bike- Marktes ab. Sie können jedoch Autos ersetzen und werden für den notwendigen Wandel der Mobilität in den Städten ein wichtiger Faktor sein.«

E-Förderungen steigern den Umsatz erheblich

Dass sich das finanzielle Engagement der Städte und Länder auszahlt, zeigen die steigenden Umsätze im Handel. So blickt Claus Blesch, Geschäftsführer des Regensburger Fahrradladens Feine Räder, auf positive Zahlen: »Die Förderung hatte und hat einen erheblichen Umsatzzuwachs im Bereich Lastenrad zur Folge. Ohne die Förderung haben wir um die fünf Lastenräder pro Jahr verkauft. Seit 1.1.2018 waren es ca. 50 Stück. Die verkauften Räder haben meist einen Verkaufspreis von 4000 bis 5000 Euro. Zusätzlich zählen als Transportrad ja auch ein Pedelec bzw. Fahrrad mit fest angebauten Vorderradträger. So wurden auch noch etliche I:SY- und Riese & Müller-Räder verkauft, bei denen dieser ab Werk möglich ist.« Auch Jochen Petzold, Geschäftsführer von Velofaktur in Münster, bestätigt, dass die Förderung von E-Cargobikes ein Erfolgsgarant ist: »Im Förderzeitraum haben wir so viele Lastenräder verkauft, wie sonst in einem ganzen Jahr.« Der Förderzeitraum betrug nur sieben Wochen.
Dies setzt natürlich voraus, dass ausreichend E-Bikes und E-Lastenräder produziert werden. »In unserer Abteilung Strategie und Kommunikation beschäftigen wir uns intensiv mit den unterschiedlichen Entwicklungen des Mobilitätangebots in unseren gegenwärtigen und zukünftigen Märkten. Dabei beziehen wir natürlich auch die unterschiedlichen Förderprogramme von Städten, Kommunen und Ländern mit ein. Auch der Austausch mit Verbänden und unseren Fachhändlerinnen und Fachhändlern unterstützt uns dabei, einen Überblick über die unterschiedlichen Angebote zu erhalten«, berichtet Heiko Müller von Riese & Müller von seiner Strategie.

Der Mehraufwand hält sich in Grenzen

Trotz sehr unterschiedlicher Programme hält sich der Mehraufwand auf Seiten der Händler in Grenzen. »Für uns gab es keinen zusätzlichen Aufwand. Der Kunde musste nur den Antrag stellen«, stellt Petzold fest. Und Blesch ergänzt: »Wir haben noch einen Link zum Förderprogramm der Stadt auf unsere Homepage gesetzt, da die Seite nur schwer zu finden ist.« Und er weise bei Beratungen zu Transporträdern auf das Förderprogramm hin. Auch in München ist die Antragstellung unkompliziert. Claudia Kagerer, Geschäftsführerin vom Fahrradhaus Schütz meint dazu: »Wir haben auf unserer Homepage einen Link zu dem Förderantrag und schreiben dem Kunden ein Angebot über das gewünschte Rad. Selten, dass mal ein Kunde kommt, der mit dem Antrag nicht klarkommt.«

Was sich Händler wünschen

Trotz guter Verkaufszahlen und überschaubarem Aufwand sehen Händler aber noch einige Potenziale, die bisher ungenutzt blieben. So seien gedeckelte Fördersummen zwar finanzpolitisch nachvollziehbar, oft aber unrealistisch. So hat die Stadt Münster einen mit 200.000 Euro gefüllten Fördertopf bereitgestellt. Gedacht war, dass damit von März bis Dezember 2019 gefördert werden kann. Doch schon nach sieben Wochen war alles vorbei, die Summe ausgegeben. Hannover ereilte dasselbe Schicksal. Hier waren aber auch nur 25.000 Euro zu vergeben, die die Sparkasse Hannover zur Verfügung stellte.
Das Münsteraner Programm hatte aber noch einen weiteren Haken: »Problematisch war, dass man im Antrag auf eine Förderung bereits die Rahmennummer des Rades oder Anhängers angeben musste. Das hatte zur Folge, dass wir als Fahrradhändler in eine enorme Vorleistung gehen mussten, denn um die Nummer angeben zu können, mussten die Produkte ja vorrätig sein. Das ist ein enormes Risiko – für einen kleinen Händler kann das sogar existenziell sein. Das müsste beim nächsten Mal anders gelöst werden«, bemängelt Jochen Petzold. Der Hersteller Felix Schön versteht seine Kritik: »Das Förderprogramm hat in der Fahrradhauptstadt hohe Wellen geschlagen und die Resonanz war riesig. Dennoch war es für uns als Hersteller relativ aufwendig, positive Bescheide für unsere Kunden zu erwirken. Wir bauen unsere E-Lastenfahrräder nach den individuellen Wünschen unserer Kunden auf und haben, gerade im Frühjahr, einige Wochen Lieferzeit. Aus diesem Grund kann bei Antragstellung auf Teilnahme an dem Förderprogramm noch gar keine Rahmennummer des Produkts angegeben werden. Das forderte aber die Stadt Münster.«
Claus Blesch von Feine Räder kritisiert zudem, dass nur Ortsansässige das Recht auf eine Förderung haben. Er wünscht sich »eine Zusammenarbeit mit dem Landkreis. Die Bürger der unmittelbar angrenzenden Nachbargemeinden Sinzing, Lappersdorf usw. gehen leer aus, obwohl viele Bürger mit einem Transportrad oder auch Pedelec öfter mit dem Rad in die Stadt pendeln würden. Eine Förderung hätte so auch einen Nutzen für die Stadt.«
Für ausbaufähig halten die meisten Händler auch das Marketing zu den Förderprogrammen. So auch Claudia Kagerer vom Fahrradhaus Schütz: »Es ist leider so, dass die Stadt München die Fördermöglichkeit nicht genug bekannt macht. Es wäre schön gewesen, wenn die Stadt den Münchner Händlern Plakate oder Online-Vorlagen zur Verfügung gestellt hätte. Wir kommunizieren die Förderung über eine Info im Schaufenster und auf unserer Homepage. Dadurch kommen schon einige Kunden extra wegen dieser Fördermöglichkeit. Die Mehrzahl jedoch weiß nichts von dieser Förderung. Das ergibt sich dann oft erst im Verkaufsgespräch.« Dass ein gutes Marketing den Erfolg eines Förderprogramms steigern kann, zeigt das Münsteraner Beispiel. Die frühe Ausschöpfung der Fördergelder »lag auch daran, dass die Stadt sie sehr gut beworben hat«, berichtet Jochen Petzold von »Velofaktur«.
Claudia Kagerer aus München hätte aber noch einen zweiten Wunsch: »Eine wesentlich schnellere Bearbeitung. Das dauert viel zu lange. Besser wäre: Die Kunden können kaufen, und dann den Antrag stellen. Wenn er genehmigt wird, ist es gut. Wenn nicht, muss der Kunde das Rad halt selbst zahlen.« Strenggenommen sind die Fördergelder auch nicht für zahlungskräftige Kunden gedacht, sondern für die, deren finanzielle Mittel begrenzt sind.
Was beiden Seiten, also Händlern und Herstellern, helfen würde und auf der Wunschliste oben steht, ist eine Liste mit allen Förderprogrammen. Eine Datenbank dafür gibt es bereits (foerderdatenbank.de). Sie ist beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie angesiedelt.

8. Juli 2019 von Dorothea Weniger
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