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Schulung - Marketingstrategie

Wie finde ich meine Marketingstrategie?

Eine gute Marketingstrategie ist die Basis jeder Existenzgründung. Aber auch für alteingesessene Fahrradhändler ist sie die Richtschnur des Erfolgs. Händler sollten ihre Strategie regelmäßig auf den Prüfstand stellen und an einigen Schrauben drehen, um auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. Ziel jeder Marketingstrategie ist eine höhere Rentabilität.

Bevor ein Händler ein Fahrradgeschäft eröffnet, sollte er sich unter anderem darüber klar sein, was seine besonderen Stärken sind, was er verkaufen möchte, welche Kunden er erreichen und wie er sie ansprechen möchte«, fasst Dirk Sexauer, Geschäftsführer der VSF Service GmbH und zuständig für das Marketing, die Grundlagen einer professionellen Marketingstrategie hinsichtlich einer Existenzgründung zusammen.
Spricht man vom weitgefassten Marketingbegriff, zählen die Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Vertriebspolitik ebenfalls zu den sogenannten Marketinginstrumenten. Doch auch die Personalpolitik und alle Maßnahmen, die die Außendarstellung optimieren sollen, sind wichtige Aspekte einer Marketingstrategie.
»Eine gute Marketingstrategie folgt einem Stufenmodell, das sich aus kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen zusammensetzt«, erklärt Sexauer. »So kann sich ein Händler relativ schnell und ohne größeres Risiko z.B. von einer Marke trennen, wenn diese nicht mehr zu seinem Gesamtkonzept passt. Möchte er sein gesamtes Sortiment neu aufstellen, sprechen wir von einer mittel- bis langfristigen Maßnahme – je nach Stärke der Veränderung –, die mehr Planung und Zeit benötigt. Ein kompletter Strategiewechsel, den ich zu den langfristigen Maßnahmen zähle, sollte genau überlegt sein, da er sich z.B. auch auf die Standortfrage auswirken kann.« Ein so tiefgreifender Strategiewechsel dürfe nämlich nicht zulasten der eigenen Glaubwürdigkeit gehen.
Bei der Weiterentwicklung ihrer Marketingstrategie sollten Händler ihr bisheriges Portfolio auch hinterfragen und überlegen, ob sie auf aktuelle Trends reagieren möchten. »Um einschätzen zu können, ob diese auch tragfähig sind, sind z.B. Messen wie die Eurobike interessant. Hier kann man einen allgemeinen Überblick über Entwicklungen und Trends gewinnen – abgesehen von den eigenen Marken und Produkten und sich mit Kollegen austauschen.«
Um am Ende keinen Baustein der Marketingstrategie aus den Augen zu verlieren, sollte der detaillierte Plan bezüglich Termine, Aktionen, Ziele und Budget an einer für alle im Betrieb gut sichtbaren Stelle platziert werden.

Nichts dem Zufall überlassen

Aufeinander abgestimmte Maßnahmen einer Marketingstrategie wirken im Idealfall nach außen als stimmiges Bild. Sie dienen vordergründig der Kundengewinnung und -bindung sowie der Umsatzsteigerung, verstärken aber auch die Durchsetzungskraft gegenüber Mitbewerbern, Warenhäusern, Sportgeschäften und Onlinehandel. Das kaufmännische Ziel sollte dabei klar sein: Jeder Euro, den der Händler investiert, sollte um den Faktor X erhöht in das Unternehmen wieder zurückfließen.
Um diese Wirkung entfalten zu können, sollten die Strategieziele realistisch, klar formuliert, von allen Mitarbeitern im Unternehmen akzeptiert und messbar sein. Wie wichtig darüber hinaus eine vorausschauende Terminplanung ist, weiß Dirk Sexauer: »Sie ist Teil einer professionellen Marketingstrategie. Antworten auf die Fragen ›Wann sind Straßenfeste?‹, ›Welche Kampagne soll wann initiiert werden?‹ sollten mit Vorlauf bereits für das gesamte Jahr in den Kalender eingetragen werden. Selbst die Schaufensterplanung und -gestaltung – übrigens auch des digitalen Schaufensters – sollte dabei eine Rolle spielen. Wer z.B. als Rennradhändler während der Tour de France das Thema nicht bespielt, hat eine einzigartige Chance verpasst.« Ein gesponsertes Stadtradrennen oder die Teilnahme an einer regionalen Fahrradmesse sind neben vielen anderen Aktionen Gelegenheiten, um die eigenen Produkte erlebbar zu machen und auch bei potenziellen Kunden Präsenz zu erlangen. Außerdem sind sie Gesprächsanlässe, die von den Medien vor Ort nur allzu gerne aufgegriffen werden. Um medienwirksam zu agieren, bieten sich auch eigene Veranstaltungen und geführte Radtouren an, die in Stadtteil- oder Lokalzeitungen angekündigt werden können. Die Teilnahme an fahrradspezifischen, öffentlichen Diskussionen, z.B. zur Entwicklung eines Mobilitätskonzepts vor Ort, machen Lokaljournalisten ebenfalls hellhörig.

Die Außendarstellung – alles aus einem Guss

Die einzelnen Aspekte der Marketingstrategie sollten bei allen Entscheidungen mitgedacht werden. Eine besondere Rolle spielt dabei die Außendarstellung, und zwar analog wie digital. Um eine schlüssige und einheitliche Corporate Identity (CI) nach außen präsentieren zu können und bei den Kunden den Wiederkennungswert und damit ihre Bindung an das Geschäft zu erhöhen, sollten hier alle Maßnahmen aus einem Guss sein.
Zur analogen Außendarstellung zählen das Design des Firmenschilds, die Gestaltung der Schaufenster, die Ladenausstattung, das Logo, die Kleidung der Mitarbeiter, das Briefpapier usw. Selbst eine Anzeige in der lokalen Presse ist Teil der analogen Kommunikationspolitik eines Unternehmens.
Beim Online-Marketing sind der E-Mailverkehr, ein interessanter Blog oder Newsletter, der Internetauftritt in Form einer Homepage oder das Bespielen digitaler, sozialer Medien wie Facebook, Instagram usw. relevant. »Heute muss das Händlermarketing analog und digital vorangetrieben werden. Bezüglich Werbeausgaben rate ich Händlern, 1 bis 1,5 Prozent des Jahresumsatzes dafür einzuplanen«, resümiert Dirk Sexauer. »Wer hierbei die digitalen Kanäle vernachlässigt, könnte in zehn Jahren vom Markt verschwunden sein. Wichtig ist auch, dass digitale Inhalte auch auf mobilen Endgeräten abrufbar und gut lesbar sein müssen. Da haben noch viele Händler Nachholbedarf.«
Der auf den Fahrradfachhandel spezialisierte Unternehmensberater Andreas Lübeck, der auch mehrere Erfa-Gruppen (Erfahrungsaustauschgruppen) moderiert und berät, pflichtet ihm bei und sieht bei den Themen Außenwirkung und Kundenakquise auf den Fahrradfachhandel einen großen Umbruch zukommen, ausgelöst durch die Entwicklungen bei den Werbemedien, die weg von den Printmedien hin zum digitalen Marketing laufen. »Es gibt zwar noch Standorte mit guten und interessanten Printmedien wie z.B. Stadtteilanzeigern. Händler, die von Kunden vor Ort profitieren, fahren vielleicht auch noch mit geschalteten Anzeigen gut, weil diese hier zum Teil relativ günstig sind. Doch ansonsten entfalten Printanzeigen kaum noch eine Wirkung. Früher oder später kommen also auch diese Händler nicht um das digitale Marketing herum: Das Ranking bei der Google-Suche, die Gestaltung der Homepage und der Facebook-Auftritt sind nur drei digitale Möglichkeiten, wie Kunden über das Internet erreicht werden können.«

Online-Marketing – eine Herausforderung

»Viele Händler glauben noch, die Herausforderungen, die mit der digitalen Werbung einhergehen, selbst stemmen zu können. Doch ich rate ihnen davon ab. Um mit digitalem Marketing gute Erfolge erzielen zu können, muss man in die Tiefe gehen. Das dafür nötige Knowhow haben die meisten Händler nicht. Selbst Digital Natives, die mit digitalen Medien aufgewachsen sind, sollten hier vorsichtig sein, denn die digitale Entwicklung schreitet sehr schnell voran«, analysiert Lübeck die aktuelle Lage. »Deshalb rate ich immer dazu, eine professionelle Agentur zu beauftragen.«
Bei der Agentursuche ist die Frage entscheidend »Welche Agentur passt zu mir und welche ist seriös?«. Kein leichtes Unterfangen, wie Händler immer wieder bestätigen. »Außer Spesen nichts gewesen«, melden diese häufig in die Erfa-Gruppen zurück. Ähnlich vernichtend ist das Resümee, dass es kaum Agenturen gibt, die kleine Händler als Kunden schätzen. »Unter 30.000 Euro nehmen die mich nicht«, klagen die von den Absagen betroffenen Händler. »Aus Agentursicht ist diese Ablehnung schon verständlich. Es dauert einfach, bis beide Parteien, also Agentur und Händler, zusammenfinden. Die dahingehend geführten und notwendigen Vorgespräche rechnen sich für die Agentur nicht, wenn das Auftragsvolumen beispielsweise nur 5.000 Euro beträgt«, erklärt der Unternehmensberater Lübeck die Absagen der Agenturen. »Geht der Händler aber mit der Botschaft ›Ich beabsichtige, Euch mein Werbebudget der nächsten fünf Jahre zu geben‹ zur Agentur, sieht die Welt schon anders aus.« Auch ein Auftrag, der die Entwicklung einer kompletten Corporate Identity (CI), also analog wie digital, umfasst, signalisiert, dass der Händler nicht nur eine isolierte Marketingmaßnahme tätigen will, sondern die Ausarbeitung einer ausgeklügelten Strategie im Sinn hat.
Gute Agenturen findet man, indem man sich bei Mitbewerbern, oder besser noch bei »fremden« Branchen umsieht. Mit der zuletzt genannten Möglichkeit vermeidet der Fahrradhändler, dass die eigene CI der des Mitbewerbers zu sehr ähnelt. Das Impressum einer Homepage, die gefällt, liefert manchmal schon die notwendigen Kontaktdaten zur Agentur. Ein Anruf bei dem Eigentümer der ansprechenden Homepage liefert sicher auch noch weitere wichtige Informationen.
Die Prüfung, ob sich eine Investition in digitales Marketing ausgezahlt hat, unterliegt im Vergleich zu einer in einem Printmedium geschalteten Anzeige anderen Kriterien: »Der Erfolg des digitalen Marketings hat einen viel längeren Vorlauf. Das sind oft viele Monate«, gibt Lübeck zu bedenken. Dagegen stellt sich die Wirkung einer gedruckten Anzeige in der Regel unmittelbar ein. Eine Auswertung der Klickraten auf allen digitalen Kanälen ist allerdings auch ein Indiz dafür, ob und wo nachgebessert werden sollte.
Andreas Lübeck hält die aktuelle Lage im Fahrradhandel für optimal, um – falls noch nicht vorhanden – eine digitale Marketingstrategie in Angriff zu nehmen, auch wenn viele Händler derzeit argumentieren, dass sie dafür keine Zeit hätten, da sie gerade »auf der lukrativen Welle der E-Mobilität mitschwimmen müssen. Mit dem Ergebnis, dass wir in den Erfa-Gruppen feststellen, dass die Marketingausgaben bei den Händlern stagnieren, bei vielen sogar rückläufig sind, obwohl es ihnen derzeit finanziell gut geht. Das Geld für eine digitale Marketingstrategie ist also da. Es jetzt nicht dafür einzusetzen, ist gefährlich, denn eine digitale Marketingstrategie greift oft erst nach einem, oder sogar mehreren Jahren.«
Wer jetzt nichts unternimmt, manövriert sich also in die Situation, dass ihm später – sollte der Hype der E-Mobilität eine Delle abbekommen – die Zeit und das Geld für digitale Werbemaßnahmen fehlt. Andreas Lübeck appelliert deshalb an die Fahrradhändler: »Wenn Kunden nicht mehr kommen, fehlt auch das Geld, um in die digitale Marketingstrategie investieren zu können. Jetzt ist die richtige Zeit für derartige Investitionen und wer jetzt investiert, hat in absehbarer Zeit einen fundamentalen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern.«

5. August 2019 von Dorothea Weniger
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