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Ladenbautechnisch konnten die Gründer von SkiXbike aus dem Vollen schöpfen.
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Handel - Newcomer

Das erste Jahr

Vor dem Hintergrund des E-Bike-Booms finden gegenwärtig einige neue Fahrradläden den Weg in die Branche. Wir haben mit fünf sehr unterschiedlichen, neuen Fachhändlern gesprochen, wie sie das erste Jahr im Fahrradmarkt erlebt haben.

Mit dem Denglisch-Claim »pure Passion – no firlefanz« stellt sich SkiXbike in Winterberg bei seinen Kunden vor. Hinter dem Laden stehen Frank Kräling und sein Bruder Marco, die sich selbst als leidenschaftliche Ski- und Radfahrer beschreiben. Die Idee für das Sportgeschäft hatte Frank Kräling erst im Herbst letzten Jahres. Nur ein gutes halbes Jahr später war der Laden eröffnet. Allerdings bringen die beiden nicht nur Leidenschaft, sondern auch bereits kaufmännisches Know-How mit. Eigentlich war der Plan, einen Neubau für das Projekt umzusetzen, der aber nicht genehmigt wurde. Als dann kurz darauf der Geschäftsführer der Aldi-Filiale vor Ort ihnen anbot, das Stockwerk darüber zu beziehen, wurde man sich schnell einig. Nun verfügt SkiXbike über 1100 Quadratmeter Fläche, die stilvoll in Szene gesetzt wurden.
Die beiden Brüder sind zwar Ge­­schäfts­führer und Investoren, selbst aber nicht im Laden zu finden. Bei allem Enthusiasmus für das Produkt haben sich die Krälings nicht unbedacht in das Abenteuer Fahrradhandel gestürzt, sondern jemanden gesucht, der mit der Fahrradbranche bereits vertraut ist. So kam Frank Kräling mit Andreas Gernholt zusammen, der über 20 Jahre den Fahrradladen Bike-Praxis in Winterberg leitete. Kräling konnte ihn von seinen Plänen mit SkiXbike überzeugen, Gernholt gab in der Folge seinen eigenen Radladen zum Jahreswechsel auf, um als Shop-Leiter beim neuen Fahrradhändler anzufangen.
Erschwert wurde der Start durch den Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt so gut wie keine Vororder geschrieben war. Mühselig musste man sich bei Marken erkundigen, was noch kurz­fristig verfügbar ist. Dabei kam die Branchenerfahrung von Gernholt zum Tragen, der seine Beziehungen ein­bringen konnte: »Wir haben uns auf ein paar Marken verständigt und dann das gekauft, was wir kriegen konnten«, war der pragmatische Ansatz. »Wir haben noch recht viel bekommen, wenn auch nicht immer das, was wir haben wollten«, erklärt Gernholt. Eine Mitverantwortung für die Lieferengpässe dieser Saison weist er aber schmunzelnd von sich.
Stattdessen ist er immer noch begeistert von seinem neuen Arbeitsplatz. »Das ist wirklich ein toller Laden geworden«, schwärmt Gernholt. »Da haben die beiden Chefs echt tief in die Tasche gegriffen, um etwas Tolles hinzustellen. Sie haben auch keine Angst, hochwertige Marken zu präsentieren.« Das bisherige Highlight für Gernholt? »Wenn ich ehrlich sein soll, alles. Es macht Bock, hier zu arbeiten, so ein Team aufzustellen. Es ist ja bekannterweise schwierig, gute Leute zu finden. Wir sind ein super Team, haben uns zusammengerauft und das ist echt klasse. Im Moment sind wir sieben Festangestellte. Dazu kommen viele Aushilfen und Schüler. Wir müssen erst einmal abwarten, was im ersten Jahr passiert. Und dann wollen wir im nächsten Jahr schauen, was wir benö­tigen.«
Als erfahrener Bike-Händler hat er die typischen Herausforderungen der Fahrradwelt im Blick. Von den Lieferanten wünscht er sich, dass sie sich ihre Handelspartner genauer aussuchen würden, insbesondere im Hinblick auf deren Preisgestaltung. Ansonsten dürften sie gerne auch mal jenseits der Ordertermine vorbeischauen, um die Beziehung zu pflegen. Es gäbe Lieferanten, die noch nicht wüssten, wie der Laden von innen aussieht.
Der Standort Winterberg bietet zu­dem eine Besonderheit, von der viele andere Destinationen nur träumen: »Wir haben 90 Tage Schnee im Jahr«, erklärt Gernholt die Vorzüge des Hochsauerlands. Entsprechend liegt es nahe, die Sommersaison mit Fahrrädern durch eine Wintersaison mit Ski zu ergänzen. Im Oktober sollen zudem die Skiservice-Maschinen von Wintersteiger in der Werkstatt einziehen. Zu diesem Zeitpunkt erfolgt erstmals die Umstellung auf das zweite Standbein des Betriebes. Hier will man sich ebenfalls mit frischen Ideen etablieren. Neben dem klassischen Verkauf und Verleihgeschäft wird es beispielsweise die Option geben, eine Dauermiete für Ski abzuschließen.

Fahrrad statt Auto-Hifi

Einen erfolgreichen Start mit dem neuen Ladengeschäft haben auch Werner aus der Fünten und Karl-Josef Pinger hingelegt, die als Geschäftspartner einen E-Motion-Store in Oberhausen betreiben. Dass der Laden läuft, zeigt sich auch daran, dass sie kaum jemals Zeit für ein Gespräch mit der velobiz.de-Redaktion fanden, da stets ein neuer Kunde ihre Aufmerksamkeit benötigte.
Die beiden haben bereits vorher gemeinsam einen Laden für Auto-Hifi geführt. Aufgrund eines Unfalls von aus der Fünten waren die beiden aber bereits auf der Suche nach einer Tätigkeit, die körperlich weniger belastendend ist als die Installation von Audio- und Navigationslösungen. Mit dem Anschluss an die E-Motion-Gruppe eröffnete sich diese Option. Als leidenschaftliche Radfahrer haben die Unternehmensgründer bereits Bezug zum Produkt, nutzen aber gerne die Unterstützung der Gruppe bei Ladeneinrichtung und Marketing.
Das Geschäft wurde bereits im März 2018 eröffnet und bietet auf 300 Qua­dratmetern Fläche Raum für sieben Marken. Insbesondere haben sich die beiden auf den Schwerpunkt Trekking­-Bikes festgelegt, doch auch Gesundheits- und Lastenräder laufen gut. Durch die Lage im Industriegebiet ergibt sich der Vorteil, dass man ausreichend Fläche für Probefahrten habe. Im zweiten Jahr freut sich aus der Fünten über die gestiegene Kundenfrequenz und die erwartete Umsatzsteigerung.
Kritisch sieht aus der Fünten eines der klassischen Probleme des Radhändlers. »Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Die Produkte sind schon gut, aber die Liefersituation könnte ich mir ein bisschen besser vorstellen.« Fest steht für die beiden dennoch, dass ein eigener Radladen die richtige Entscheidung war. »Wir würden das auf jeden Fall wieder machen«, erklärt aus der Fünten.

Auslöser Husqvarna

Einen besonderen Weg in die Fahrradbranche hat das Familienunter­nehmen Piehler in Kemnath gefunden. Eigentlich hat der 1860 gegründete Betrieb seine Wurzeln in einer anderen Branche, wie Sonja Piehler erklärt. »Wir betreiben Handel mit Garten- und Forstgeräten im eigenen Fachmarkt und haben eine große Service-Werkstatt.« Seit über 20 Jahren setzt das Unternehmen im Sortiment stark auf die Garten- und Forstgeräte von Husqvarna. Von den Schweden findet sich im eigenen Fachmarkt nahezu die vollständige Produktpalette. Als nun jüngst vom Lizenznehmer Pexco erstmals E-Bikes unter diesem Markennamen angeboten wurden, entschloss sich die Geschäftsführung, das Sortiment um das Thema E-Mobilität zu erweitern. »Es ist ein Markenname, der Bestand hat«, erklärt Piehler das eigene Engagement. Seit Dezember wird das neue Segment nun auf 80 Quadratmetern im eigenen Fachmarkt präsentiert. »Das erste halbe Jahr ist besser als erwartet gelaufen. Wir haben nicht gedacht, dass wir so viele Bikes verkaufen, da wir nur relativ wenig bis gar nichts für Werbung getan haben.«
Angetan zeigt sich Piehler von der Branche selbst. »Ich finde die Branche sehr jung, dynamisch, aufgeschlossen. Sofort wird hier mit einer sehr großen Offenheit gearbeitet. Es macht Spaß, mit den motivierten Leuten, die ich ­bisher kennengelernt habe, zusammenzuarbeiten.« Einen Verbesserungsvorschlag bringt sie allerdings aus dem Forst- und Gartensegment mit: »Die Ersatzteilzeichnungen von den Rädern müssten verbessert werden. Es gibt hier keine Explosionszeichnungen. Man findet schlecht die verbauten Teile. Wenn es zu jedem Rad eine Zeichnung mit den dazugehörigen Teilen geben würde, wäre der Service leichter zu machen.«
Eine neue Erfahrung ist für sie auch die Sogwirkung, die E-Bikes im Verkauf erzeugen. So habe sich beispielsweise jüngst eine ganze Familie nach und nach mit E-Bikes ausgestattet. »Das ist anders als bei unseren Mährobotern. Den braucht der Haushalt nur ein Mal.« Die frühen Erfolge will man nun ausbauen. »Wir wollen das Segment definitiv in der nächsten Saison stärker betonen. Wir haben schon einen Überblick, was in unserer Region geht. Und darauf werden wir uns fokussieren. Wir werden nicht das komplette Sortiment hier ausstellen, da wir den Platz nicht dafür haben. Ebenso wird es keine anderen Marken neben Husqvarna und Raymon bei uns geben.«

Hobby zum Beruf gemacht

Mathias Rosenkrantz ist der klassische Fall eines Unternehmensgründers, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat, wie er selbst erklärt. Die 300km-Runden auf dem Rennrad wie etwa bei der Mecklenburger Seenrunde gehört genauso wie die mehr­fache Alpenüberquerung auf dem MTB zu seinem Erfahrungsschatz. Die im Laden genutzten großformatigen Wandbilder stammen überwiegend von ihm. »Ich habe diese Erfahrungen als Bilder in den Laden mit reingenommen«, erklärt er seinen Bezug zum Radfahren. Als gelernter Mechaniker bringt er nicht nur bereits Fahrrad-Stallgeruch mit, sondern auch technisches Verständnis. Und nicht zuletzt besitzt er als ehemaliger Aktienhändler auch eine Portion wirtschaftlichen Sachverstand.
In Hanau hat er am 10. Mai 2019 die E-Motion E-Bike Welt Hanau eröffnet. Auf 650 Quadratmetern Fläche bedient er mit seinem Team die Kundschaft. Im Moment arbeiten drei Mitarbeiter im Verkauf, zwei in der Werkstatt plus eine Mitarbeiterin im Büro. Damit ist Rosenkrantz vom Start weg mit solider Personalstärke unterwegs, sucht aber immer noch Verstärkung für die Werkstatt. »Ich glaube, wenn ich vorne gut verkaufe, muss auch im Hintergrund die Werkstatt mitziehen.« Sein Anspruch ist es, den Mitarbeitern ein angenehmes Betriebsklima zu bieten. »Wir haben einen tollen Laden und ich schaue darauf, dass die Mitarbeiter geregelte Arbeitszeiten haben. Es wird keiner ausgenutzt, es gibt Obst und Gemüse. Und wenn der Andrang wie am Tag der offenen Tür besonders groß ausfällt, dann hilft auch die Familie mit Frau und Kindern im Laden mit aus.«
Zu den Highlights seines neuen Alltags gehören beispielsweise die Momente, wenn er skeptische Kunden für eine Probefahrt auf ein E-Bike setzt und diese dann mit einem Lächeln zurückkommen. »Oder wenn man eine Familie zu den Lastenrädern führt und die Kinder begeistert sind. Oder die behinderte junge Dame, die durch ihr elektrifiziertes E-Dreirad wieder beweglich wurde und gelacht hat.« Gleich­zeitig musste er bereits die Erfahrung machen, dass nicht jeder Kunde sein Engagement zu schätzen weiß. »Da will man jemandem etwas Gutes tun und bekommt dann trotzdem eine miese Bewertung auf Google, weil man einfach nur nett war.« Auch würde er sich wünschen, dass allen Kunden bewusst wäre, dass der gebotene Service letztendlich Geld kostet. »Wir beraten gut und nehmen uns die Zeit, aber dann muss man den Kunden anschließend erklären, dass man nicht riesige Prozentsätze an Rabatt gewähren kann. Das verstehen die wenigsten«, bedauert er die immer noch vorherrschende »Geiz-ist-geil«-Mentalität. Würde er noch einmal einen Radladen eröffnen? »Bisher ja, Vollgas voraus, auch wenn es Höhen und Tiefen gibt.«

Kein Selbstläufer

Nicht immer läuft es allerdings für den Neuhändler gut. In Montabaur hat der neue Fahrradhändler Böckling E-Mobility Center schon nach wenigen Monaten wieder das Handtuch geworfen. Das Ladengeschäft wurde offiziell am 20. April 2019 eröffnet. Die Stand­ortanalyse zeigte, dass man ein gutes Einzugsgebiet mit wenig Konkurrenz hatte. Gerade bei den E-Rollern von Kumpan sah man viel Potential. Doch im Juli war bereits wieder Schluss. Am Sortiment hat es eher nicht gelegen. Neben Rädern von Giant und Gazelle wurden die besagten E-Roller von Kumpan geführt. Auch wenn man sich im Unternehmen, dessen Hauptgeschäftsfeld im Bereich Haustechnik liegt, im Nachgang etwas wortkarg gibt, führte man vor allem interne Gründe an, warum das Experiment mit der Elektro­mobilität so schnell wieder beendet wurde. Den endgültigen Ausschlag für das abrupte Ende gaben dann baurechtliche Vorgaben der Stadt, die man nicht mehr erfüllen konnte. Der an­schließende Baustopp führte dazu, dass das Ladengeschäft schließen musste. In dieser Situation entschied sich die Geschäftsführung, für einen schnellen Schnitt. So frustrierend das für das Unternehmen sein mag, zeigt es, dass die E-Mobilität trotzdem kein Selbstläufer ist.

5. August 2019 von Daniel Hrkac
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