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Struktur pur: Der Kunde muss sich auch allein im Laden zurechtfinden
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Report - Ladengestaltung

Ordnung muss sein

Ein paar Regale, ein paar ­Fahrräder, fertig ist der Laden? Nicht ganz. Wer Kunden ­gewinnen und halten möchte, sollte ein paar Regeln der Laden­gestaltung kennen.

Das Internet ist nach wie vor ein Anziehungspunkt wenn es darum geht, Fahrradbekleidung und Accessoires oder sogar komplette Bikes zu kaufen. Manche potenzielle Kunden greifen da häufiger zur Maus statt zum Fahrradhändler vor Ort zu gehen. Es ist bequem und die Auswahl in den Weiten der Online-Shops riesig. Dabei wäre es gerade bei funktioneller Fahrradbekleidung wichtig, sie einmal angefasst, einmal anprobiert zu haben, um zu fühlen, ob sie gut sitzt, zu verstehen, wie sie funktioniert. Noch mehr gilt das beim Fahrrad selbst. Anhand eines Bildes im Internet lässt sich kaum beurteilen, ob es die richtige Größe für den jeweiligen Interessenten hat oder überhaupt für den Einsatzzweck geeignet ist, den der Kunde im Kopf hat. Der Einzelhandel kann mit Beratung und Service punkten. Aber erst, wenn der potenzielle Kunde einmal im Laden ist und bestenfalls wiederkommt.

Accessoires nach vorn

Damit er sich im Laden wohlfühlt und gerne wiederkommt, muss die Ladenfläche entsprechend gestaltet sein. Denn dunkle »Höhlen« wirken ebenso wenig einladend wie unübersichtlich vollgestopfte Verkaufsräume. Außerdem ist es nicht unbedingt zielführend, in den Schaufenstern und im Eingangsbereich Fahrräder zu präsentieren. »Ein Fahrrad kauft ein Kunde nur einmal, danach hat er nur einen Grund, wiederzukommen, wenn er Accessoires oder Zubehör braucht. Genau das müssen potenzielle Kunden gleich sehen, wenn sie in den Laden kommen oder daran vorbeigehen«, erklärt der Hamburger Architekt Professor Holger Moths, der unter anderem das viel gelobte Innenausbau-Konzept der Globetrotter-Megastores und des Sporthauses der Firma L&T in Osnabrück entwickelt hat. Das heißt, wenn der Kunde auf der Suche nach einer Klingel ist, muss er sie schnell finden. Das Gleiche gilt für ein neues Trikot. Ideal ist es, wenn der Kunde auch gleich noch den Eindruck einer großen Auswahl vermittelt bekommt. Das gelingt, so Moths, indem der Händler nicht nach Marken präsentiert, sondern nach Segmenten. Der Kunde möchte schließlich verschiedene Trikots, Regen­hosen etc. miteinander vergleichen und nicht wissen, was eine Marke so alles anbietet.
Dazu ist natürlich ein großer ­Verkaufsraum von Vorteil, aber auch auf kleinen Flächen lässt sich eine gewisse Struktur schaffen. Es kommt auf die sogenannte Qualität der Fläche an, also die Positionierung innerhalb des Raumes. Und was wo steht, darf und sollte sich durchaus auch mal ändern. So bekommen potenzielle Kunden immer wieder einen neuen Impuls, wenn sie ins Schaufenster oder den Laden selbst schauen. Eine neue Inspiration, was sie vielleicht doch noch brauchen könnten. »Wir haben mal mehr mal weniger Räder zur Reparatur da. Deshalb ­disponieren wir immer nach Bedarf um«, bestätigt Florian Schubert vom Fahrradcafé in Hannover. Die Grundstruktur seines Geschäfts hat er mit einem Freund, der Interfacedesigner ist, entwickelt. Zunächst als 3D-Modell am Computer. »Es gibt ein richtiges Corporate Design«, sagt Schubert. »Aber das finale Aussehen ist nach und nach gewachsen.« Die Anordnung der Ware ist flexibel. Gerade gehören die Schaufenster und eine Wand den gut 100 Fahrrädern, an einer anderen sind Helme ordentlich, fast schon wie in einer Ausstellung aufgebaut – und dann gibt es da noch das Café: gemütliche Sitzgelegenheiten, Bikes in Bilder­rahmen, Barista-Kaffeespezialitäten. »Die Idee war, dass die Kunden ­Kaffee trinken können, während sie warten. Ich wollte ein Alleinstellungsmerkmal haben«, erklärt ­Florian Schubert.

Den Kunden bei Laune halten

Ein Kaffee, ein Glas Wasser, etwas zum darauf Sitzen usw. sollten selbstverständlich sein. Der Kunde möchte und muss bei Laune gehalten werden. Denn der Händler, sein Laden und die Atmosphäre dort beeinflussen auch immer die Wirkung der Marke(n) auf den Endkunden. Was dieser sympathisch findet, wird er eher kaufen – und wenn er Verkäufer und Geschäft ebenfalls mag, wird er nicht nur der Marke, sondern auch dem Laden eher treu bleiben. Dabei ist ein besonders wichtiger Moment, wenn der Kunde den Laden betritt, wie Mirjam Horz 2016 in ihrer Bachelorarbeit über »Multisensorische Shop-in-Shop-Konzepte für den Point of Sale – am Beispiel der Fahrradbranche« feststellt. Die optische Wahrnehmung ist die erste und damit wichtigste. Dazu zählt die zuvor angesprochene strukturierte Innenraumgestaltung, aber auch Bilder oder Videosequenzen. »Bilder sind wichtig zur Emotiona­lisierung«, erklärt Architekt Holger Moths, wobei es wichtig ist, dass sich alle Kundengruppen, die man als Händler bedienen möchte, angesprochen fühlen. Also nicht nur Rennradposter aufhängen, wenn man auch Pendler oder E-Biker ansprechen will. Oder sich genau überlegen, welche Zielgruppe man bedienen möchte und dann genau darauf eingehen.
Abbildungen und Filme können außerdem als erklärendes Element dienen: Wenn ein Reifen besonders pannensicher ist, eine Jacke über eine besonders clevere Taschen- oder Reißverschlusslösung verfügt, dann muss der Kunde darauf hingewiesen werden. Ohne, dass er erst auf einen Mitarbeiter warten muss, der es ihm erklärt. »Kleine Fahrradhändler sind oft allein im Laden und müssen von Verkauf über Telefon bis Reparaturen alles alleine machen. Deshalb muss der Kunde im Verkaufsraum auch allein zurechtkommen. Wenn er lange herumsteht, obwohl er nur eine Frage hat, ist er ganz schnell wieder weg«, erläutert Moths. Die Ladengestaltung muss den Kunden inspirieren und wenn er sich für ein Produkt interessiert, muss es in verschiedenen Größen auch sofort zu finden sein, zum Beispiel die Hose, die an der Schaufensterpuppe präsentiert wird, muss direkt daneben oder darunter im Regal hängen. »Bestenfalls hat sich der Kunde schon orientiert und positioniert, bevor er den Verkäufer anspricht und hat dann nur noch kurze Fragen.« Das entlastet den Mitarbeiter, er kann sich die Zeit für die kompaktere Beratung eher nehmen und der Kunde fühlt sich aufgehoben.

Image aufbauen und pflegen

Ein Markenimage aufzubauen, mit dem die (potenziellen) Kunden sich identifizieren können und sich mit der Brand verbunden fühlen, hat Rapha perfektioniert. Auch wenn es »nur« um die eigene Fahrradbekleidungs-Range geht. In den sogenannten Clubhouses, die es mittlerweile weltweit von Los Angeles über Seoul, Kopenhagen und London bis Berlin gibt, präsentiert der Hersteller nicht nur Jacken, Trikots, Hosen und Schuhe so als befände man sich in der Garderobe einer High-Fashion-Show: cleane Designerregale, viel Raum zwischen den Möbelstücken, viel Licht und Radsportfotos in Schwarz-Weiß, die sich harmonisch in die restliche Ladengestaltung einfügen. Aber es gibt dort auch »Kaffeespezialitäten, leckere Speisen, und außerdem organisieren wir ein umfangreiches Programm mit geführten Ausfahrten, Events und Live-Radsport-Übertragungen«, beschreibt Raphas Counry Manager Dirk Kaufmann das Konzept, das in Zusammenarbeit mit Retail-Design-Studios entstand und nun von internen Retaildesignern und Projektplanern ständig weiterentwickelt wird. Es funktioniert. Auf verschiedenen Ebenen, wie Kaufmann berichtet: »Manche kommen in der Mittagspause auf einen Salat, andere trinken nach der gemeinsamen morgendlichen Ausfahrt noch einen schnellen Kaffee, bevor es ins Büro geht, wieder andere interessieren sich gar nicht für Radsport, sondern finden nur das Café schön. Und natürlich gibt es auch diejenigen, die gezielt kommen, um unsere Produkte anzuprobieren.« Noch verkauft Rapha in erster Linie im Online-Direktvertrieb und über die Clubhouses, möchte künftig aber auch mit ausgesuchten Handelspartnern arbeiten, wenn »unsere Produkte kohärent und im Sinne der Marke präsentiert werden.«

Zusammen stark machen

Doch nicht alle Einzelhändler wollen und können sich einen Profi in Sachen Ladengestaltung leisten und auch die Verkaufsfläche ist oft genug über die Jahre zu klein geworden, um für alle der vielen Typen Fahrrad­fahrer ein ansprechendes Sortiment anzubieten und übersichtlich zu präsentieren. Hier hat Holger Moths eine Idee: Zusammenarbeit. »Um diese Vielzahl von unterschiedlichen Fahrradfahrern, die alle individuelle Persönlichkeiten sind und somit auch unterschiedliche Bedürfnisse haben, bedienen zu können, kann man mit einer ca. 500 bis 800 m² großen Ladenfläche mit verschiedenen Start-ups individuelle Wünsche erfüllen. Bei diesem Geschäftsmodell würden einzelne Kleinunternehmer sich nur die benötigten Quadratmeter mieten. Als Beispiele könnten neben dem klassischen Fahrradsortiment und Angebot dies sein: Designer von Satteltaschen oder von Sattelschonbezügen, ausgefallene Klingeln, Fahrradanhänger für ­Kindertransport oder Vintage-Custom-Made-Bikes bzw. individualisierte Fahrräder aller Art. Fester Bestandteil sollte eine Selbsthilfewerkstatt mit Servicepersonal sein, ein Café zum Verweilen und gegebenenfalls als Treff für eine Community unter Fahrradfahrern. Aber nicht nur unter Fahrradfahrern, sondern auch für kreative Köpfe und Start-ups. Diese Art der Community kreiert eine besondere Atmosphäre.« Ähnliche Beispiele finden sich bereits in anderen Branchen, wie etwa das Werkhaus für Inneneinrichtung im oberbayrischen Raubling.
Mit einem solchen Konzept kann man auch dem Online-Business eher Konkurrenz machen, da es sich beim Angebot um etwas Einzigartiges handelt, ein Unikat im Hinblick auf Angebot, Service und Atmosphäre. Und das lässt sich nicht so leicht durch einen Mausklick ersetzen.

2. Dezember 2019 von Carola Felchner
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