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Seitdem der ADFC vor 33 Jahren gegründet wurde, haben sich Image und Aufgabenspektrum des Radfahrerverbands gewandelt.
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Portrait - ADFC

ADFC – Ein Verband stellt sich neu auf

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club sorgt in letzter Zeit für einiges Aufsehen. Der neue Geschäftsführer Burkhard Stork versucht den ADFC mit sanftem Druck in eine neue Richtung zu lenken: Der Fahrrad-Club soll zur Interessensvertretung für jeden werden, der aufs Fahrrad steigt – und sei es nur für den Weg zum Bäcker.

Also, der Mann vom ADFC hat mir am besten gefallen«, sagt der Blogger Wolfgang Scherreiks. »Ja, das sagen in letzter Zeit viele«, antworte ich.
Das Symposium »Fahrrad und Urbane Mobilität« in der niederländischen Botschaft in Berlin, auf dem wir uns trafen, bot einige spannende und einige weniger spannende Vorträge. Lehrreiches über Amsterdam und Utrecht, ihre Radfahrer und ihre Verkehrspolitik. Doch irgendwie hatte es »der Mann vom ADFC« geschafft, die Hörerschaft wirklich zu fesseln. Er sprach über Verkehrssicherheit und davon, dass das Thema viel zu sehr geprägt sei von der Perspektive männlicher Ingenieure, die mit Vernunft und Statistik argumentieren. Es fehle schlicht der Blick für das subjektive Sicherheitsgefühl der radelnden Mama mit Kind auf dem Fahrradsitz und Einkauf im Korb. Das waren Worte! Unisones Nicken ging durch den – überwiegend mit Männern besetzten – Raum.

Neue Wege

»Der Mann vom ADFC«, das ist der neue Geschäftsführer des ADFC-Bundesverbandes Burkhard Stork. Seit Dezember 2011 ist er offiziell im Amt und bringt spürbar frischen Wind in den mittlerweile 33 Jahre alten Radfahrerverband. Bei der Gründung des ADFC im Jahr 1979 in Bremen haftete dem Fahrrad noch deutlich das Image des Fahrzeugs für arme Leute und Ökospinner an. Entsprechend gering war denn auch die Akzeptanz des Radfahrers im Straßenverkehr – ganz zu schweigen von der politischen Beachtung. Das sollte sich ändern und so gründeten unter der Federführung des Verkehrsberaters Jan Tebbe 17 engagierte Radfahrer den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club in Bremen. Binnen zweier Wochen verzehnfacht sich die Mitgliederzahl und noch im ersten Jahr wurden der ADFC Dortmund und ADFC Erlangen gegründet. Ganz offensichtlich hatte man den Nerv der Zeit getroffen.
Seit dem hat sich das Image des Fahrrads – nicht zu Letzt wegen der Arbeit des ADFC – gewaltig gewandelt. Doch während sich das Fahrrad immer größerer Beliebtheit erfreute, nicht nur als Sportgerät, sondern als sinnvolle Alternative zum motorisierten Individualverkehr, haftete dem ADFC weiterhin der Ruf des Altbackenen, moralisch Überlegenen und irgendwie Kauzigen an. Viele Alltagsradler nahmen den Verband gar nicht als einen Vertreter ihrer Interessen wahr. Und immer wieder wurde auf verschiedenen Ebenen auch die Professionalität des ADFC bemängelt.
Doch nun wandelt sich dieses Bild. Ein erster wichtiger und deutlich sichtbarer Schritt war die Einweihung des Hauptstadtbüros im September 2011, die sowohl in der Politik, als auch in der Branche äußerst positiv aufgenommen wurde (siehe Statements). Einprägsam war dort der Zwischenruf des Grünen Verkehrspolitikers Anton Hofreiter auf die begrüßenden Worte des ADFC-Vorsitzenden Ulrich Syberg »Ihr wundert Euch vielleicht, warum wir hier sind...«: »Wir wundern uns, dass es erst jetzt ist.«
Der zweite wichtige Schritt war die Einstellung Burkhard Storks als Geschäftsführer des Bundesverbandes. Der studierte Theologe kam als Branchenfremder, der allerdings in Sachen politische Lobbyarbeit über viele Jahre Praxis verfügt. »Als ich beim ADFC anfing, war ich wirklich überrascht über die mangelnde Präsenz des Fahrrads im politischen Alltag«, so Stork. »So viele Menschen fahren Fahrrad, für so viele ist das Rad nicht aus dem Alltag wegzudenken und doch findet sich dies im politischen Alltag faktisch nicht wieder.« Dies zu ändern ist er angetreten. Die Voraussetzungen dafür bringt er mit.

Der richtige Mann

Während und nach seinem Theologiestudium an der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt/Main arbeitete er eine Zeit lang für die Katholikentage, bis er zur Deutschen Morbus Crohn Vereinigung (DCCV e. V.) wechselte, wo er seine Erfahrungen in Sachen Lobbyarbeit sammelte. »Als ich 2004 bei der DCCV anfing, hatte gerade die deutsche Gesundheitsgesetzgebung den Selbsthilfeorganisationen ziemlich über Nacht ein sehr weitreichendes Mitspracherecht eingeräumt«, erzählt Stork über den Beginn seiner Lobby-Karriere. Plötzlich hätten die Verbände mit an den Tischen gesessen, an denen die Entscheidungen getroffen wurden und mussten sich quasi zwangspolitisieren. »Die Verbände waren damals alle damit überfordert und einige sind daran auch kaputt gegangen. Ich konnte bei der DCCV diesen Prozess als Leiter der Bundesgeschäftsstelle miterleben und mitgestalten.« Und die Fragen, die sich die Selbsthilfeorganisationen damals stellen mussten - Wollen wir die Entscheidungen überhaupt mittreffen? Wie viel wollen wir da mitgestalten? – die hätten nun auch den Bereich Fahrrad erreicht. Als er sich auf die Stelle als ADFC-Geschäftsführer bewarb, war er überzeugt, dass der Fahrrad-Club genau das benötigt: die Professionalisierung im Alltags-Lobby-Geschäft. Und zugleich die Öffnung des Verbandes für den »normalen Alltags-Radfahrer«, der eben im Durchschnitt 3 km mit dem Rad zurücklegt. »Ich habe während des Bewerbungsprozesses immer wieder gefragt, ob sie das wirklich wollen, denn sonst wäre der Job nichts für mich. Und die Antwort war immer ein deutliches ›Ja‹.« Schließlich hat es sich der 2010 neu gewählte Vorstand unter der Leitung Ulrich Sybergs zur Aufgabe gemacht, den ADFC bekannter zu machen.
Und so ist er nun Geschäftsführer des ADFC, bringt frischen Wind und das Quäntchen Professionalität, das ihm den Respekt und die Anerkennung seiner Gesprächspartner sichert. Die Resonanz gibt ihm und seinem Stil recht: Es ist genau das, was der ADFC derzeit benötigt, um den bisherigen Einfluss des Verbandes auf Politik und Medien auszubauen. »Herr Stork hat bewiesen, dass er mit diplomatischem Geschick Personen für den Radverkehr gewinnen kann«, lautet etwa die Einschätzung Bernhard Spechts vom Umweltbundesamt. Auch Bernhard Lange, Geschäftsführer der Paul Lange & Co. OHG, ist überzeugt, »dass Burkhard Stork der richtige Mann ist, den ADFC im Schulterschluss mit der deutschen Fahrradindustrie zu einer schlagkräftigen Mitglieder- und Interessenvertretung auszurichten, die dem Fahrrad als ernsthaftem Verkehrsmittel bei Politikern wie in der Gesellschaft Einfluss verschafft.«
Auch seitens der ADFC-Aktiven erhielt Stork bisher viel positives Feedback und Zuspruch. »Aber jetzt fängt das Haarige ja erst an«, sagt er mit einem wissenden Lachen in den Augen. »Der Welpen-Bonus ist jetzt verbraucht und nun geht es darum, tatsächlich Ergebnisse vorweisen zu können. Jetzt müssen den Worten Taten folgen.« Doch was sind diese Taten, die er für den ADFC plant? Was sind seine Ziele? Wo sieht er den »ADFC 2020«?

Professionalität und Gelassenheit

Wenn man sich mit Burkhard Stork unterhält, fallen zwei Worte ganz besonders häufig: Gelassenheit und Professionalität. »Ich bin ein großer Fan vom Blog ›cycle chic‹. Nicht, weil ich alles da wichtig oder richtig finde... Aber es hat diesen Ansatz zu sagen, ›Ich kleide mich so, wie ich mich kleiden möchte, und nicht, wie es mein Verkehrsmittel von mir will‹. Das bringt das Fahrradfahren wieder in die normalen Kategorien zurück und das finde ich spannend daran.« Und das ist auch sein Ziel für den ADFC: das Fahrrad Fahren gelassen zu sehen. Es gehe nicht darum, die richtige Einstellung beim Radfahren zu haben, sondern Rad zu fahren. Stork will dafür sorgen, dass die Bedürfnisse der breiten Masse von Radfahrern erkannt und vom ADFC vertreten werden. Sein Traum? »Wenn man jemanden auf der Straße fragt, ob er im ADFC ist, so muss die Antwort lauten: ›Ich fahre Fahrrad, natürlich bin ich im ADFC!‹.«
Und schon sind wir bei der Professionalisierung gelandet: »Das Herz unseres Verbandes sind die ehrenamtlich Aktiven vor Ort«, so seine feste Überzeugung. »Ihnen müssen und wollen wir das Handwerkszeug an die Hand geben, mit dem sie bei sich vor Ort die Arbeit und den Einfluss üben können, die es dort benötigt.« Denn wie es schon im Nationalen Radverkehrsplan manifestiert wird: Ein Großteil der Radverkehrspolitik geschieht auf lokaler Ebene. Was nütze es, das Fahrrad auf Bundesebene hoch zu loben, wenn der Kämmerer vor Ort durchs Dorf getrieben werde, weil er Geld für Radinfrastruktur ausgibt? Es gehe um den gesamtgesellschaftlichen Dialog. Genau dafür will der ADFC künftig Tools und Hilfen anbieten, denn natürlich werden die lokalen Aktiven zu den aktuellen Themen vor Ort befragt. »Unser Ziel ist es, dass für unsere Mitglieder die Verbandsmeinung schnell und leicht auffindbar ist, um insgesamt ein geschlosseneres Bild des ADFC zu bekommen.« Das Ziel sei es, auf allen Ebenen und in allen Bereichen ausreichend gute Profis zu haben, die den Verband repräsentieren. Mit anderen Worten: Raus aus dem Hobbybereich, ohne das Ehrenamt aufzugeben.
Auf Bundesebene ist das Feld für die politische Interessensvertretung des Fahrrades mittlerweile bereitet: »Politiker auf allen Ebenen haben mir gegenüber immer zum Ausdruck gebracht, wie gut es ist, dass das Fahrrad endlich in Berlin angekommen ist«, sagt Stork. Dabei gehe es ihnen weniger darum, dass ausgerechnet der ADFC nun in Berlin vertreten ist. »Sie wollen einfach einen Ansprechpartner vor Ort, an den sie sich unkompliziert wenden können. Hier leisten wir Pionierarbeit für die gesamte Branche und vertreten natürlich ihre Interessen mit.« So lautet denn auch sein Wunsch an die Fahrradbranche, eine starke Zusammenarbeit aufzubauen, damit politisch an einem Strang gezogen werden kann. »Letztlich haben wir doch alle dasselbe Ziel: mehr Radfahrer.«

15. Februar 2013 von Markus Fritsch

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