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Bike-Systems-Mitarbeiter contra Lone Star:

Der Kampf der Werksbesetzer gegen den Investor aus Texas

Ein stark gewinnorientierter Hedge-Fonds aus Texas, Arbeiter, die ihre Fabrik besetzen und nun mit Protestplakaten vor die Deutschland-Niederlassung des Investors im Frankfurter Bankenviertel zogen: Der Kampf der Bike-Systems-Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze ist für linksgerichtete und gewerkschaftsnahe Medien das Thema des Sommers. Gleichzeitig lassen die Berichte wenig Zweifel, dass ein Weiterbestand von Bike Systems in den letzten Wochen immer unwahrscheinlicher geworden ist.

Medien, in denen der Arbeitskampf bei Bike Systems thematisiert wird, sind etwa Neues Deutschland, das ehemalige Zentralorgan der SED, die nach eigenen Angaben marxistisch orientierte Junge Welt, das dem linken Gewerkschaftsflügel nahe Labournet, aber auch die gemäßigt linksalternative taz. Das große Medieninteresse mag damit zusammenhängen, dass das Thema Bike Systems alles mitbringt, was im linken Meinungsspektrum das Blut in Wallung bringt: Ein ehemaliger DDR-Staatsbetrieb, der sich nach der Wende zu einem der Marktführer in Deutschland aufschwingt, wird von einem texanischen Investor übernommen, dem es jedoch „von vorneherein nur um ein finanzielles Ausquetschen“ (Neues Deutschland) gegangen sei. Inzwischen bewegt der Kampf der Mitarbeiter von Bike Systems regelmäßig aber auch die Gemüter in überregionalen Tageszeitungen wie die Thüringer Allgemeine.

Vom aufsteigenden Stern zu Lone Star

Zur Vorgeschichte: Der 1985 gegründete, frühere DDR-Staatsbetrieb Bike Systems, wurde 2000 von der Biria-Gruppe übernommen und in ihre Bike Allianz eingereiht, wo der auf große Stückzahlen ausgelegte Produktionsstandort fortan vor allem die Aufträge von Discountern wie etwa Aldi fertigte. Die Pläne der Bike Allianz waren ambitioniert: Mit einer nie in die Tat umgesetzten „All-Kanal-Marke“ hatte sich die Biria-Gruppe ein Absatzziel von über einer Million Fahrräder in ihre Strategiepapiere geschrieben. Allerdings erreichte das Unternehmen dieses Ziel nie auch nur annähernd.

Offiziell aus Altersgründen wurden kurz vor Ende des Jahres 2005 dann die zentralen Bestandteile der Biria-Gruppe von Inhaber Mehdi Biria mit ihren Werken Bike Systems und Sachsen Zweirad an den texanischen Hedge-Fond Lone Star verkauft. Der präsentierte sich im Folgejahr auf der Ifma noch als aufsteigender Stern am Fahrradhimmel, wohl aber im Hintergrund schon Pläne schmiedend für einen teilweisen Ausstieg aus dem Fahrradbusiness: Kurz vor Weihnachten 2006 wurde den Mitarbeitern bei Sachsen Zweirad die Schließung ihres Werks bekannt gegeben. Aufträge und Warenbestände wurden von Mitbewerber Mifa AG übernommen, Lone Star bekam im Gegenzug 25 % der Anteile der börsennotierten Aktiengesellschaft.

Bike Systems als drittes Rad am Wagen

Bike Systems sollte, so die ursprüngliche Ankündigung, als rechtlich unabhängiger Betrieb im Auftrag von Mifa weiter Fahrräder fertigen. Widersprüchliche Aussagen gab es damals, wer Inhaber von Bike Systems sei. Manche Marktteilnehmer vertraten die Auffassung, Mehdi Biria sei weiterhin Eigner des Unternehmens. Tatsächlich gehört Bike Systems jedoch seitdem offenbar zu einem Holding-Ableger von Lone Star. Fakt ist jedenfalls, dass den Mitarbeitern im vergangenen Juni die Schließung auch ihres Werks verkündet wurde.

Als dann Verhandlungen für einen Sozialplan nach wenigen Tagen scheiterten, entstand bei den Mitarbeitern der vielleicht nicht ganz ungerechtfertigte Eindruck, dass sich der Investor nur schnell aus der Verantwortung für das Unternehmen und dessen Mitarbeiter verabschieden wolle. Als am 9. Juli dann in einer Betriebsversammlung von der Unternehmensleitung nur ein – aus Arbeitnehmersicht - unzureichender Sozialplan angeboten wurde, „sind bei vielen die Sicherungen durchgeknallt“, wie ein Bike-Systems-Mitarbeiter in einem Bericht der taz vom 18. August zitiert wird. Die Mitarbeiter verlegten die Betriebsversammlung daraufhin kurzerhand auf die Straße vor das Werkstor, die wahrscheinlich erste Besetzung einer Fahrradfabrik in Deutschland hatte begonnen.

Seitdem halten die Bike-Systems-Arbeiter vor dem Werk Wache. In der Zwischenzeit scheiterte am 12. Juli ein Versuch der Geschäftsführung, das Werk per Gerichtsbeschluss räumen zu lassen. Die Parteien verhandelten daraufhin ergebnislos bis zum 1. August über einen Sozialplan, am 10. August meldete dann die Geschäftsführung beim Amtgerücht Mühlhausen für Bike Systems Insolvenz an. Jüngst machten noch Gerüchte die Runde, der langjährige Biria-Berater Gerhard Urbannek könne als Retter in der Not auftreten.

Kaum noch Perspektiven

Schlussendlich mussten wohl nun auch die Bike-Systems-Mitarbeiter erkennen, dass ihr Arbeitsplatz nicht zu retten sein wird. Auch wenn von den Werksbesetzern immer noch offiziell gefordert wird, die Produktion weiter zu führen, geht es wohl inzwischen eher darum, für den Verlust des Arbeitsplatzes von Lone Star eine angemessene finanzielle Kompensation zu erhalten.

Doch dass auch dieser Wunsch wenig Hoffnung auf Erfüllung beinhaltet, mussten rund 80 Mitarbeiter erfahren, die am 6. September nach Frankfurt a.M. zogen, um dort vor der deutschen Zentrale von Lone Star zu protestieren. Zwar wurde auch eine dreiköpfige Delegation vom texanischen Unternehmen angehört, Zugeständnisse seitens Lone Star soll es aber nicht gegeben haben. „Die Fronten sind verhärtet“, schreibt die Thüringer Allgemeine. Die Mitarbeiter von Bike Systems richten sich unterdessen auf weitere Wochen der Werksbesetzung ein. Das Holz für die Feuertonnen reiche noch bis Weihnachten, heißt es.

10. September 2007 von Markus Fritsch

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