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Albert Herresthal
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Drei Schwerpunkte formuliert

Vivavelo-Erklärung: Branche setzt Ausrufezeichen in Richtung Verkehrspolitik

Der zweite Vivavelo-Kongress ist bereits wieder Geschichte. Nach zwei inhaltsreichen Tagen dürfte die große Mehrheit der rund 300 Kongressteilnehmer mit einem sehr guten Gefühl wieder nach Hause gefahren sein. In vielen Vorträgen und Diskussionen wurde deutlich: Das Fahrrad hat als Lösungsalternative für allgegenwärtige Verkehrs- und Umweltprobleme viele Trümpfe in der Hand. Höhepunkt und Abschluss der Veranstaltung war die Verabschiedung der Fahrradbranche einer gemeinschaftlichen Vivavelo-Erklärung, die ohne Gegenstimme beschlossen wurde.

Im Gegensatz zum Vivavelo Kommuniqué 2010 , das ein 10-Punkte Programm enthielt mit verschiedenen verkehrspolitischen Aspekten des Radverkehrs und auch weiterhin Gültigkeit hat, beschränkt sich das Vivavelo-Statement 2012 auf drei Schwerpunkte, denen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden soll und die in den beiden Kongresstagen auch immer wieder thematisiert wurden.

Diese drei Schwerpunkte lauten

  • Sicherheit & Geschwindigkeit
  • Raum & Infrastruktur
  • Marketing & Image

Im folgenden lesen Sie die ausführliche Vivavelo-Erklärung:

{b}Sicherheit & Geschwindigkeit{/b}

Die Sicherheit des Radverkehrs ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass das Fahrrad seine Systemvorteile ausspielen kann. Wenn sich laut aktuellem Fahrrad-Monitor 48 Prozent der Radfahrer (eher) nicht sicher fühlen, dann wird das zum teilweisen Verzicht auf die Nutzung des Verkehrsmittels Fahrrad führen. Wir wollen die Verbreitung des Fahrrads und den Radverkehr fördern – deshalb muss seine Sicherheit (subjektiv und objektiv) verbessert werden!

Eine Gefährdung der Radfahrer geht vor allem von den unterschiedlichen Geschwindigkeiten der verschiedenen Verkehrsteilnehmer aus. Eine Verringerung dieser Geschwindigkeitsdifferenz macht den Verkehr insgesamt sicherer. Fußgänger bewegen sich mit 4-5 km/h vorwärts, Radfahrer meist mit 15-20 km/h. Der Kfz-Verkehr hingegen ist innerorts mit 50km/h oder schneller unterwegs und birgt faktisch die größte Gefährdung für alle Verkehrsteilnehmer (Unfallzahlen!). Wir fordern daher die Umsetzung der Empfehlung des EU-Parlaments zur Verbesserung der Verkehrssicherheit, nämlich die Einführung von innerorts Tempo-30 als Regelgeschwindigkeit. (Tempo 50 oder schneller wäre dann nur noch in begründeten Ausnahmefällen erlaubt).

Eine solche Maßnahme – und wirkungsvolle Geschwindigkeitskontrollen – würden das Klima und die Sicherheit auf deutschen Straßen für alle Verkehrsteilnehmer deutlich verbessern, zu weniger Unfällen führen und deren Auswirkungen signifikant vermindern helfen. Sie wären zudem kostenneutral, würden den Schilderwald in unseren Städten und Gemeinden abbauen helfen – und sie dienen dem Lärmschutz. Weiterhin würden sie sich positiv auf die Akzeptanz des Fahrrads als sicheres Verkehrsmittel auswirken. Zugleich wären die Zeitverluste für einen verlangsamten Kfz-Verkehr unerheblich (40sek. pro km).

{b}Raum & Infrastruktur{/b}

In unseren Städten und Gemeinden ist eine Veränderung der Raumverteilung überfällig, denn seit mehr als 50 Jahren wird in deutschen Städten und Gemeinden der Raum vor allem in eine Richtung umverteilt: Mehr Platz für Autos und weniger Platz für Fußgänger und Radfahrer. Erst in den letzten zehn Jahren findet punktuell ein Umdenken statt und die Rückeroberung der Straße durch den Menschen erhält immer mehr Anhänger. Um die Ziele einer menschenfreundlichen Stadt zu erreichen, fordern wir eine Raumoffensive für Radfahrer und Fußgänger zulasten der Flächen des Autoverkehrs, und zwar sowohl für den fahrenden wie auch für den ruhenden Verkehr. Sichere Fahrrad-Abstellanlagen sind eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Radverkehrs.

In diesem Zusammenhang muss auch zügig die Radwegepraxis in Deutschland verändert werden. Die Radwegebenutzungspflicht wurde bereits mit der StVO-Novelle von 1997 deutlich relativiert. Aber: Viele Kommunen setzen hier geltendes Recht nicht um und sehr viele Autofahrer haben ein völlig falsches Rechtsbewusstsein. Markierte Radverkehrsstreifen in entsprechender Breite, großzügige Aufstellflächen an Kreuzungen und klar erkennbare Markierungen in Kreuzungsbereichen sind schnell und kostengünstig umsetzbare, zielführende Maßnahmen zur Umwidmung des vorhandenen Raumes.

Ergänzend ist eine Informationskampagne erforderlich, die die Kfz-Lenker über die aktuelle Rechtslage aufklärt und für Akzeptanz wirbt.

{b}Marketing & Image{/b}

Der Radverkehr hat nach wie vor ein Imageproblem. Er wird noch viel zu oft verniedlicht. Schluss mit niedlich! Radverkehr ist die effizienteste Art der Fortbewegung im Nahverkehr, die der Mensch bisher erfunden hat. Und der Elektromotor erweitert den Aktionsradius des Fahrrads nochmals: Hügel sind keine Hindernisse mehr, Entfernungen von über zehn Kilometern auch für Ungeübte unproblematisch. So lassen sich auch größere Stadträume oder ländliche Räume problemlos individuell erschließen. Radfahren steigert die Gesundheitswerte der Menschen drastisch. Auch das oft thematisierte Unfallrisiko der Radfahrer wird durch die positiven Gesundheitseffekte bei weitem übertroffen.

Fahrräder sind die zentrale Lösung für die Klimaprobleme und für die Staus des städtischen Verkehrs. In fast allen Städten Deutschlands lässt sich mehr als die Hälfte des Nahverkehrs vom Auto auf das emissionsfreie Zweirad verlagern. Dieses Image als Problemlöser ist bei Entscheidern und Meinungsbildnern in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Medien bisher zu wenig angekommen.

Deshalb fordern wir eine substanzielle, vom Bund finanzierte Image- und Öffentlichkeitskampagne für den Radverkehr! Im Vermitteln der Lösungskompetenz des Fahrrades liegt eine zentrale Kommunikationsaufgabe in Städten und Gemeinden für die nächsten zwei Jahrzehnte.

Hier werden alle Formen und Mittel der Werbung, PR, Multiplikatorenschulung und Information gebraucht, um die Potenziale zu heben. Nur so erreichen wir die notwendige Bewusstseinsveränderung. Städte sind für Menschen da!"

Ein weiterer Bericht zum Kongress auf velobiz.de folgt in Kürze.

29. Februar 2012 von Jürgen Wetzstein

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