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Zum zweiten Mal in Lauchringen durchgeführtt: Die Spezialradmesse Spezi
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Spezialradmesse 2024 – Teil 2

Immer mehr Räder – wohin rollt die Spezialradbranche?

Die Spezialradbranche ist lebendiger denn je – aber auch in der Nische gibt es Veränderungen, die über Neu- und Weiterentwicklungen von Produkten hinausgehen.

Blinker am ZoxAdrian Davies (links) und Kirk SeifertC-Bike MiniVelomobile auf der SpeziQuadveloCixi

„Die Spezialrad-Messe ist in Lauchringen angekommen“, so Franz Furmaniak aus dem Team der Spezi. Das zeigte sich am Messewochenende auch darin, wie und mit welcher Motivation Vereinen und Privatpersonen beim Catering, aber auch als Messeordner und Assistenten bei der Sache waren. Die Orga stimmte: Aus kleinen Fehlern der Premiere konnte man lernen. Pech war, dass es trotz strahlenden Himmels in Ausstellungs- und Catering-Halle noch empfindlich kühl war, was viele Besucher vor allem Samstagnachmittag nach draußen auf das sonnenverwöhnte Testgelände trieb. Auch fanden manche Aussteller die alte Halle doch etwas renovierungsbedürftig, was andere als den Charme des Alternativen abtaten. Grundsätzlich ist die Spezi aber in diesem Areal wohl gut aufgehoben.

So freute sich Paul Hollants, einer der Geschäftsführer vom Liegeradhersteller HP Velotechnik: „Die Messe hat ihre Hausaufgaben gemacht; das Team vor Ort ist klasse und die Location passt. Der Zulauf auch – wer hierhin kommt, ist interessiert und oft vorinformiert. Unser neues Dreirad Delta TX ist erstmals auf der Spezi und sehr gut angekommen.“ Die Neuheiten präsentiert man bei HP seit Jahren allerdings auf der Eurobike, nicht mehr auf der Spezi, wie es die Tradition bei den größeren Unternehmen der Radbranche ist. Ähnlich positiv äußert sich auch Dario Valenti vom Marketing bei Hase Bikes, auch wenn er die Location etwas kritischer sieht. Hase Bikes ist der zweite große Spezialradhersteller in Deutschland und der Reha-Bereich ist für Valenti nach wie vor der eigentliche Zugang zum Spezialrad. „Aber die Grenzen brechen auf“, sagt er. „Vor allem in puncto neue Mobilität“ sagt auch er. Wer auf die Verkehrswende setzt, braucht den Spezialrad-Sektor. Eine interessante Neuheit hat Hase nach Lauchringen mitgebracht: Ein neues Spezialpedal mit Fersenschlaufe. Tatsächlich stellt das selbst entwickelte Produkt eine einfache Lösung für ein altes Problem dar: Am Rad mit Liegesitz tritt man tendenziell nach vorne; die Gefahr, mit dem Fuß nach unten vom Pedal zu rutschen, ist dadurch relativ hoch. Wer sich mit Klickpedalen oder Reha-Pedalen zu eingeschränkt fühlt, der kann jetzt mit den neuen großen Plattform-Pedalen von Hase glücklich werden. Ganz simpel verhindern die verstellbaren Fersen-Riemen ein Herunterrutschen, auch wenn man keinen Druck aufs Pedal ausübt. Und die Angst davor, in Gefahrensituationen der festen Verbindung zwischen Rad und Clickpedal ausgeliefert zu sein, ist damit hinfällig.
www.hasebikes.com

Türen und Scheiben machen das Auto


Neue Mobilität hat das Lastenrad als zentralen Darsteller, aber auch Pedelcars. Das bereits 2023 auf der Spezi gezeigte ungarische Quadvelo machte jetzt nach einigen Updates, unter anderem in Sachen Bremsen und Türen, noch mehr den Eindruck, auf dem richtigen Pfad zwischen Fahrrad und Auto zu sein. Jetzt will man es wissen: Eine ganze Batterie an Exemplaren zischte zwischen den alten Gemäuern auf dem Testparcours hindurch. Glasfaser-Karosserie, ZF-Motor, Kettenschaltung. Von „das macht richtig Spaß“ bis „für die mittellange Strecke brauche ich damit doch kein Auto mehr!“ reichten die Kommentare.
www.quadvelo.com

Podbike stellte seinen aktuell schon in Serie produzierten Frikar zu Testfahrten zur Verfügung. Vor allem das gelungene Karosseriedesign aus einem Guss sowie der kettenlose Antrieb – der Serielle Hybrid – dürfte dabei bei einem breiten Publikum Interesse geweckt haben.
www.podbike.com

Auch Cixi, ein französisches Unternehmen, ist auf den seriellen Hybrid spezialisiert. Es liefert kettenlose Antriebe für OEMs. Golo Bike, die auf der letzten Spezi ihr ausgetüfteltes Container-E-Bike vorgestellt haben, ist Partner von Cixi. Die Hardware, präsentiert am Demo-Rad mit Look-Label, das Cixi selbst am Stand hatte, ist relativ simpel: Ein Generator gewinnt beim Pedalieren Strom und treibt damit den Nabenmotor im Heck an. Wer Unterstützung will, kann sie sich zusätzlich vom Akku regulierbar geben lassen – wie das beim klassischen E-Bike mit den verschiedenen Unterstützungsstufen ist. Ein Rückwärtsgang oder Rekuperation ist mit diesem System kein Problem. Bei einer kurzen Proberunde mit einem Golo-Lastenrad konnte man feststellen, dass das Cixi-System sehr authentisch arbeitet, sprich: Das Gefühl, in eine Kette zu treten, welche die Kraft direkt in den Vortrieb übersetzt, ist deutlich stärker ausgeprägt, als man das von anderen seriellen Hybriden kennt. Laut Unternehmen vor allem eine Sache der ausgeklügelten Software.
www.cixi.life

Das C-Bike-Mini erinnert an einen modernisierten Vespa-Kabinenroller ohne rückwärtige Ladefläche – allerdings gibt es hierfür eine einfach zu befestigende Kofferbox. Auch hier leistet ein Serieller Hybrid Vortrieb, gleichzeitig kann man mit einem Gasgriff das Anfahren erleichtern. Das C-Bike-Mini hat einen Fahrersitz und eine Rückbank für einen Erwachsenen oder bis zu drei Kindern. Die Ausstattung ist auch hier nahe am Auto: Lüftung, Scheibenwischer, Rückwärtsgang, verschließbare und abnehmbare Türen, Federung. Entwickelt wird es vom Göttinger E-Bike-Händler Olaf Gerling. Die Idee dahinter erklärt auch die Form des Bikes: Klassische Kabinenroller, meist aus chinesischer Herkunft, werden zu Pedelcars umgebaut, also zu Pedelecs mit Karosserie. Auf der Spezi waren einige dieser Prototypen zu sehen und zu fahren, meist zischten sie vollgepackt mit zwei oder drei johlenden Kindern auf dem Rücksitz über die Teststrecke. Noch 2024 will man in Serie gehen und das C-Bike-Mini für 7.700 Euro anbieten. Daneben gibt es auch 45er-E-Bikes vom Unternehmen mit reinem Motorantrieb.
www.e-bike-family.de

Sind Quads die neuen Spezialräder?

Sie ist also lebendig wie eh und je, die Nische, und sieht sich zusätzlich mit der Aufgabe betraut, ihren Anteil an der Verkehrswende zu tragen. „Ganz analog zur Radbranche allgemein“, so Paul Hollants von HP Velotechnik “hatte das Spezialrad aber mit Herausforderungen wie etwa den hohen Lagerbeständen zu kämpfen.“ Doch die Basis stimme jetzt wieder. Auch bei Hasebikes sieht Dario Valenti das so. Der Ansicht, kleinere Anbieter würden auch wegen ihres spezifischen Klientels weniger mit den Post-Corona-Herausforderungen zu tun haben, stimmt hier niemand zu.

Bekommt das Spezialrad einerseits Zuwachs jenseits der New-Mobility-Grenze, fällt auf der anderen Seite ein immer kleiner gewordenes Segment allmählich weg. „Liegezweiräder werden immer weniger produziert“, so Sergio Gomez von Zoxbikes. Der Erlanger entwickelt und baut mittlerweile selbst fast nur noch Trikes und Vierräder. Selbst bei deutschen Liegezweirad-Marktführer HP Velotechnik werden die Einspurer weniger. Übrig bleiben Tieflieger-Rennmaschinen und wenige Tourer wie im Programm von Messeveranstalter Wolf & Wolf.

Noch eine Branchennews: Icletta, einst auch ein größerer Anbieter, der Räder der britischen Marke ICE für den deutschen Markt individualisierte und in Deutschland montierte, kümmert sich wie angekündigt nur noch um den weiteren Ausbau des Zubehör-Webshop. Vertrieb und Montage gehen an die Mutterfirma ICE unter dem letztjährig ernannten CEO Adrian Davies zurück.
Was sich ebenfalls entwickelt wie beim „Normalo“ sind – leider, aber verständlicherweise – die Preise, denn wieso sollten ansteigende Komponenten- und Zuliefererpreise Halt vor kleinen Anbietern machen? Die 10.000-Euro-Grenze für hochwertige, etwas speziellere E-Räder ist auch hier schon lange gefallen.

Wer resümierend über die Messe guckt, erkennt: Der Spezialrad-Begriff weicht auf. Für viele ist der Zugang nach wie vor die speziellen, individuellen Anforderungen an ein Fahrrad – der Reha-Bereich – oder der Spaß am liegenden Fahren; das Cargobike, einst beim Spezialrad zuhause, ist eine eigene Klasse geworden, das Vierrad mit verkehrswenderischen Eigenschaften war das wohl schon immer, scheint aber heute zusätzlich einen kleinen Trend auszumachen. Auch wenn die Ränder ausfransen: Einer erfolgreichen Spezi dürfte das in Zukunft keinen Abbruch tun. Eher im Gegenteil.

Hier geht es zum ersten Teil des Messeberichts von der Spezi .

Internationale Spezialradmesse Lauchringen

Veranstaltungsort: Lauchringen
Bespielte Fläche (Ausstellung und innerer Testparcours): 7.500 qm in der Ausstellungshalle, Areal insgesamt 20.000 qm.
Zusätzliche Bergstrecke als Praxistest-Möglichkeit (ca. 2 km).
Ausstellerzahl: 90 (120 Marken).
Besucherzahl: über 6.000.
Nächster Termin: 25. und 26. April 2025 in Lauchringen.
www.spezialradmesse.de

3. Mai 2024 von Georg Bleicher
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