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Rund 1,3 Millionen Helme laufen bei D-H-G Knauer im Jahr vom Band.
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Portrait - D-H-G Knauer

Alles Kopfsache!

Ein deutscher Autozulieferer wird zum Helmhersteller und räumt auch noch den deutschen Markt auf: Die Knauer GmbH ist mit viel Know-how und innovativem Hightech für den Kopf einer der wichtigsten Anbieter geworden.

Wer die D-H-G Knauer GmbH am Neckar besucht, ist schnell davon überzeugt, dass hier keine halben Sachen gemacht werden. Dabei ist das Unternehmen gerade mal 25 Jahre auf dem Markt und die erste Hälfte dieser Zeit vorwiegend mit anderen Produkten beschäftigt gewesen. Ursprünglich spuckten die ersten Spritzgussmaschinen und Tiefziehmaschinen, die gleich um die Ecke vom heutigen Firmensitz standen, Zubehör und Kleinteile für die Automobilindustrie aus. Nicht verwunderlich in einer Region, wo Mercedes, Porsche und Audi von den Bändern rollen. Nach wenigen Jahren kam aber das Fahrrad ins Blickfeld – oder besser, der Radler: Helmhersteller mit gehobenem Anspruch ließen bei Knauer produzieren. Und zwar in einer Menge, die bald das Automotive-Geschäft übertraf. Die kleine Kunststoff-Firma wuchs rapide. Firmengründer Hans-Georg Knauer dachte weiter: Man könnte die Helme auch anders produzieren als mit dem überall angewandten Inmold-Verfahren. Und man könnte doch Fahrradhelme, die anscheinend gerade einen stark wachsenden Markt erzeugten, auch besser, vor allem sicherer und komfortabler machen. Und das alles in Deutschland? Sicher!
Vor zwölf Jahren entschied man also im kleinen Freiberger Industriegebiet: Wir machen eine eigene Helmmarke: KED. »Rückblickend kann man sagen: Das Unternehmen hat auf jeden Fall in den letzten Jahren alles richtig gemacht«, so Marcus Startek, der sich seit vier Jahren um Vertrieb und Marketing kümmert. »Eingestiegen sind wir mit günstigen Modellen über die ganze Range, Kinder und Erwachsenen-Helme; dann kam der sportive Bereich und die höherpreisige Kategorie. Das Unternehmen ist kontinuierlich gewachsen.«
Mittlerweile hat Knauer auch die Fahrradhelm-Sparte der Marke Levior übernommen und vertreibt unter der Marke Soar Motorradhelme und -bekleidung. Gerade ist außerdem die Einstiegshürde in den Reiterbereich und das nächste Ziel ins Visier genommen: Helme für Sportflieger. Mittlerweile zählt die Knauer GmbH etwa 180 Mitarbeiter.

Sonderstellung auf dem Markt

Maxshell nennt man bei Knauer den wesentlichen Unterschied zur Helm-produktion der Konkurrenz: Im heute vorherrschenden Inmold-Verfahren wird die Innenschale (also der EPS-Dämpfer) in die bereits vorhandene Außenschale des Helms geschäumt und dabei mit ihr verschweißt. Das dabei entstehende Produkt aus Unter- und Oberschale ist leicht und trotzdem stabil. Schwierig wird es aber, wenn man mehrere Teile zu einer Oberschale verbinden will. Außerdem: Durch den Guss und die Verschweißung entstehen Grate, die die Optik und Haptik des Helms negativ beeinflussen können.
Beim Maxshell-Verfahren von Knauer wird die Innenschale separat geschäumt sowie die Ober- und Unterschale beziehungsweise jeweils deren einzelne Teile produziert und be‑­druckt, bevor alles miteinander verschweißt wird. Ein Vorteil: Die Außenschalen aus PETG (Polyethylenterephtalat) können auch aus mehreren Teilen bestehen.
Das führt nicht nur zu mehr Gestaltungsmöglichkeiten für den Hersteller, sondern kann laut KED auch mehr Sicherheit bedeuten. Zum Beispiel durch den so möglichen Hinterschnitt: Die einzelnen Schalen überlagern sich und bilden dabei Winkel miteinander. So kann mehr Stoßenergie aufgenommen werden. Außerdem kann durch das Maxshell-Verfahren auch ein Unterboden den Rand des Helms schützen, was vor allem bei City- und Kinderhelmen ein besonders sinnvolles Feature ist. Daneben werden durch die spätere Anfügung der Außenteile die Kanten und Übergänge sehr genau, der Look hochwertig und sauber.
Einzigartig war bis vor Kurzem auch noch das Helmlicht am Hinterkopf, das einige KED-Helme schmückt; doch das Patent darauf ist mittlerweile abgelaufen, Leuchten gibt’s jetzt an Helmen vieler Hersteller. Nicht aber Details wie den Quicksafe: Der Drehknopf zur Regulierung des Einstellrings für den Kopfumfang am Hinterkopf kann sich nicht selbst verstellen, weil er in beide Richtungen einrastet. Im Gegensatz zu anderen Helmen lassen sich KED-Helme auch in der Höhe anpassen. Ein zusätzliches Gurtsystem sorgt für die passende Höheneinstellung der Helmschale. Und ein gepolsterter Rasterschluss am Kinn ermöglicht die zusätzliche Feinjustage – zum Beispiel, wenn der Helmträger im Winter eine Helmmütze untergezogen hat. Der letzte Hightech-Knaller ist das elektronische Verstellsystem Quicksafe Tronic, das bei Highend-Helmen das Verstellen zu einem Komforterlebnis machen soll.

Hightech made in Deutschland

Wie das technisch alles erreicht wird, ist bei KED eindrucksvoll zu erleben. Schon die Entwicklung des Designs entsteht hier: Mit Stefan Züll sitzt ein Produktdesigner am CAD-Rechner. Mit dem vierköpfigen Entwickler-Team, zu dem auch Produktmanager Jens Steinbrück gehört, werden die neuen Modelle erarbeitet. »Zunächst werden Design-Ideen aufs Papier gezeichnet. Trägt die Idee weiter, entstehen dann einfache Modelle per Hand«, erklärt Züll. Schließlich folgt die genaue Ausarbeitung mit dem CAD-Programm und ersten Prototypen. »Natürlich arbeiten wir hier eng mit den Werkzeugmachern zusammen«, so Züll, »das Design, das wir hier entwickeln, muss ja auch genauso umgesetzt werden können.«
Das ist das Stichwort für eine weitere Besonderheit in der KED-Produktion: Das Unternehmen entwickelt die Werkzeuge, also die Gussformen für die Helmteile und -schalen, selbst. Ein Vorteil des Know-hows, das man seit der Zeit als Automotive-Zulieferer noch ausgebaut hat. Eine zweite Niederlassung in Steinbach-Hallenberg beherbergt seit sechs Jahren den betriebseigenen Werkzeugbau und die Instandhaltung der Werkzeuge.
Aber damit nicht genug: »Hier geht alles den kürzesten Weg«, so Startek. »Wenn irgendwo im Workflow Unstimmigkeiten auftreten, versuche ich nicht, irgendwo in Asien jemanden ans Telefon zu bekommen, ihm die Sache mühselig zu erklären und in langen, zeitraubenden Korrekturläufen den Fehler zu beheben; ich gehe einfach rüber zur Produktionsleitung beziehungsweise in die einzelnen Abteilungen, spreche mit den Kollegen, und die Sache ist geregelt«, schwärmt er. »Etwa 97 Prozent Wertschöpfung erzielen wir hier«, so der Vertriebsleiter.
Einer der ersten Produktionsschritte ist der Siebdruck: An drei Druckmaschinen werden PETG-Platten für Ober- und Bodenschalen bedruckt – an der Unterseite. Daher können Kratzer und Abnutzung dem hochwertigen Bild oder den Farben des Helms nichts anhaben. Um besonders strahlende Farbwirkung zu erzielen, bekommt die Platte dann noch eine Sonderbehandlung … die hier nicht näher beschrieben werden soll. So wie diese Plexiglas-Platten (PETG) aus den meterlangen Trockenzeilen des Siebdruckers kommen, haben sie mit Helmen nichts als den Aufdruck gemein.
Damit ist der Moment für die Tiefziehmaschine gekommen. Denn wenn diese potenziellen Schalen nicht kurzfristig zwischengelagert werden – in Regalen, wo kunterbunte Biene-Maja-Helmschalen neben dem flammenden Sporthelm liegen, geht’s auf dieser Maschine weiter im Produktionsprozess. Hinten flach rein – vorne als Skulptur raus: Die bedruckten Platten werden dort erwärmt und dann per Druck auf die Form des Werkzeugs in der Maschine gebracht.

Viel Schaum für viel Schutz

In einer anderen Halle werden die Innenschalen – der Dämpfer – geschäumt. In langer Reihe stehen die Maschinen, es zischt und ploppt. Das zu Kügelchen vorgeschäumte Granulat wird mit Dampf erhitzt und in den Schäummaschinen zur Innenschale geformt. Nur 80 bis 100 Gramm wiegen die fertigen Innenschalen. Auch hier gilt: Die großen, weiß-blauen Maschinen werden von Knauer mitent­wickelt. In die fertige Innenschale werden Riemen und der aufwendige KED-Einstellring mit Höheneinstellung per Hand eingesetzt. Dann kann der Helm fertiggestellt werden.
Das geschieht in den derzeit modernsten Maschinen. In Reih und Glied stehen die Hightech-Monster vom Ausmaß eines Lieferwagens in der Halle. Sie setzen die Schalen aufeinander und verschweißen sie. Anschließend fräsen sie die Belüftungsschlitze aus und schneiden die Kanten sauber. Bis zu vier Helme werden gleichzeitig und vollautomatisch bearbeitet, auf zehntel Millimeter genau. »Das ist einzigartig«, erklärt Startek, als wir vor einer Maschine stehen, in der vier Fräsköpfe gleichzeitig arbeiten. Was an diesen 30 Maschinen entsteht, hat eine enorm hohe Verarbeitungsqualität. Und es steckt so viel technisches Know-how drin, dass nur Fotos an die Medien gegeben werden, die keine Details wie etwa die Fräsköpfe selbst zeigen.

Helmträger auf dem Vormarsch

Der Ausstoß kann sich sehen lassen: »Allein von der Marke KED haben wir 2011 etwa 490.000 Stück an Deutschlands Fachhandel umgesetzt – insgesamt sind es im Jahr 1,3 Millionen Helme. Tendenz steigend«, erklärt der Marketing-Mann. Davon bleiben gut 60 Prozent in Deutschland, der Rest geht vor allem ins europäische Ausland: Frankreich, Italien, Russland, Griechenland, Skandinavien, Slowakei, Spanien, Tschechien. Aber auch die Märkte in USA und Asien (Indonesien, Malaysia) wachsen. »Im deutschen Markt für Kinderhelme sind wir die Nummer eins, und auch in den restlichen Bereichen mischen wir ganz oben mit.« Dabei ist der weitaus größte Partner der Fahrradfachhandel und der kompetente Online-Handel, etwa 20 Prozent der Produktion geht an den Sportfachhandel. »Dabei ist es gar nicht so sehr der E-Bike-Boom, der uns seit langem steigende Zuwachszahlen sichert: Ganz allgemein wächst das Potenzial.« Die Fahrradfahrer und unter ihnen besonders die Helmträger nehmen zu. »Grundsätzlich sollte man besser auf die Selbstverantwortung des Einzelnen statt auf eine Helmpflicht setzen«, meint Marcus Startek, »und dazu braucht es Information. Obwohl wir nicht erwarten, dass eine Helmpflicht heute vielen Leuten das Radfahren vermiesen würde. Es fahren ohnehin immer mehr Menschen mit Helm – und das ist gut so.«

14. Juli 2012 von Georg Bleicher

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