Veränderungen in Las Vegas
Amerikanische Fachmesse: Neuer Schwung für die Interbike
Aus dem Sattel gesehen ist Las Vegas der denkbar ungünstigste Ort für eine internationale Velomesse: Der Verkehr in der Casinostadt gilt als einer der fahrradfeindlichsten in den USA, das trockene heiße Wüstenklima bremst die Lust, in die Pedalen zu treten zusätzlich. Und doch hat die Interbike in Las Vegas Tradition, und das hat seine Gründe: Kein anderes Ziel wird aus so viele nordamerikanischen Städten direkt angeflogen wie Las Vegas, und mit geschätzten 150.000 Hotelbetten bietet die Stadt ideale Voraussetzungen, die rund 25.000 Fachbesucher der Interbike zu beherbergen.
Denkt man an die überlastete örtliche Infrastruktur rund um die Eurobike, versteht man gut, weshalb sich das neue Veranstalter-Team um den Industrie-Insider Pat Hus (u.a. früher Manager bei Cannondale, Titus und Easton Bell Sports) bei solchen Voraussetzungen trotz Umzugsgelüsten nach Kalifornien für den Verbleib in Las Vegas entschieden hat. Doch auch ohne die Rückkehr nach Anaheim wurde die Interbike tüchtig umgekrempelt: Aus dem etwas verstaubten Sands Convention Center zog die Messe ins Expo Convention Center des glänzenden Mandalay Bay Hotels um, und erstmals wurden ein Außengelände inklusive Teststrecke mit dem Namen „The Paddock“ (englischer Begriff für Fahrerlager im Rennsport) betrieben. Eine weitere Premiere war auch, dass am letzten Messetag auch Endverbraucher eingelassen wurden, wenn auch nur ausgewählt auf Einladung eines Händlers, der selbst die Messe besuchte. Die Reformen waren notwendig, denn in den letzten Jahren hatte die Interbike an Bedeutung verloren: Immer mehr große Bikemarken hatten der Messe in den letzten 10 Jahren den Rücken gekehrt und präsentierten ihre Neuheiten an eigenen Ausstellungen oder an einem der verschiedenen jüngeren, kleineren Test- und Präsentationsterminen quer über den Kontinent verteilt.
Zugkräftige Marken kehren zurück
Unter der neuen Leitung gelang es der Interbike, verschiedene zugkräftige Namen wie Giant, Felt, Fox Shox oder Chris King zurück zu holen, teilweise zum ersten Mal nach längerer Pause. Andere bekannte Marken suchte man hingegen nach wie vor vergebens. Allen voran glänzten die Marktgrößen Trek und die Cannondale Group mit ihren Tochtermarken durch Abwesenheit, aber auch andere namhafte US-Anbieter wie Hayes, Salsa oder Yeti fehlten in Las Vegas. Unter dem Strich konnten die Veranstalter 1400 ausstellende Marken begrüßen und die gesamte Ausstellungsfläche leicht auf 29.729 qm steigern. Damit war die diesjährige Messe die größte Interbike seit dem Start vor 31 Jahren.
Auch der vorausgehende Outdoor Demo konnte zulegen: Gegenüber dem Vorjahr verzeichnete der zweitägige Test-Event in der Wüste Nevadas ein beachtliches Wachstum von 10 % auf 220 Aussteller. Verschiedene Marken wie Marin, Giant oder Fuji präsentierten sich am Outdoor Demo größer als an der eigentlichen Messe, wo sie aus Kostengründen nur mit einem kleinen Stand präsent wären. Die Händler danken es mit Interesse: Gemäß den offiziellen Zahlen konnte der vorgelagerte Anlass 6 % mehr registrierten Besuchern anlocken. Dies ist umso beachtlicher, wenn man es mit den übrigen Besucherzahlen der Interbike vergleicht: Bei der diesjährigen Austragung zählten die Veranstalter rund 7 % weniger Besucher als im Vorjahr. Sie führen das aber weniger auf ein gesunkenes Interesse an der Messe zurück und verweisen darauf, dass insgesamt Vertreter von 350 Fachgeschäften mehr als im Vorjahr die Interbike besuchten. Viele Shops seien aber mit weniger Personal angereist als im Vorjahr. Wie in Europa blieben in Nordamerika die Verkäufe in der laufenden Saison wetterbedingt unter den Erwartungen, was verschiedene Händler dazu veranlasst hatte, das Reisebudget für die Mitarbeiter zu kürzen.
Angespannte wirtschaftliche Lage
Dass die wirtschaftliche Lage auf dem amerikanischen Bikemarkt angespannter ist als in früheren Jahren, merkte man auch an den Ständen. Die früher üblichen originellen Give-Aways wurden deutlich spärlicher verteilt, und von den leicht bekleideten Hostessen, für die welche die Messe in „Sin City“ einst bekannt war, fehlte in diesem Jahr jede Spur. Ihren eigenen Charme hat die Interbike aber trotzdem behalten. Die Veranstalter tragen dazu besonders Sorge, indem sie neben der eigentlichen Messe ein breit gefächertes Rahmenprogramm organisierten.
Der geschäftliche Aspekt wurde mit dem Industriefrühstück inklusive Marketingreferat abgedeckt, zudem fanden laufend technische Workshops und Vorträge zu Markt und Betriebsführung statt. Vor und nach der der Arbeit auf der Messe wurde zum Ausgleich die Gemeinschaft gepflegt, ein Aspekt, den Messemanager Hus besonders hoch gewichtet. So wurde in diesem Jahr zusätzlich zum hochkarätig besetzten Querrennen Cross Vegas erstmals auch das Finale der amerikanischen Kriteriumsserie USA Crits im Umfeld der Messe ausgetragen. Mit der Eröffnungsparty, bei der der Altrocker George Thorogood rund 1000 Brancheninsidern einheizte, belebte die Interbike eine alte Messetradition neu.
Trotz knapperen Messebudgets in diesem Jahr tragen nach wie vor auch die Aussteller viel zur ungezwungenen Stimmung an der Interbike bei. Bei den größeren Anbietern gehören Standpartys gegen Ende Messetags praktisch zum Pflichtprogramm, und verschiedene Marken setzten sich stimmungsvoll mit aufwändig gestalteten Ständen in Szene. Bei den Velos holten neben den rein schon optisch auffälligen Fatbikes auch Elektroräder viel Aufmerksamkeit ab. Sie waren in diesem Jahr zum ersten Mal im größeren Stil an der Interbike präsent und gelten in ihrer sportlichen Ausprägung als einer der großen Hoffnungsträger für den nordamerikanischen Markt. Momentan die angesagteste Neuheit mit marktrelevanten Verkaufszahlen sind aber Gravel Road Bikes. Ohne diese Mischung aus Quervelo und Randonneur getraut sich zurzeit kaum ein bedeutender Anbieter noch auszukommen. Sogar ausgewiesene Mountainbike-Spezialisten wie Niner Bikes und Pivot Cycles erweitern zur nächsten Saison ihre Modellpalette mit Gravel Racern – den ersten Modellen überhaupt außerhalb ihres Kernsegments.
Positives Fazit
Zusammengefasst scheint das neue Rezept der Veranstalter aufzugehen. Entsprechend erleichtert zeigten sie sich auch am Ende der Messe: „Die allgemeinen Rückmeldungen auf die diesjährige Interbike waren sehr positiv“, fasst Pat Hus zusammen „Wir hatten in diesem Jahr einiges Neues zu stemmen, doch wir hörten von Ausstellern und Händlern, dass es ihnen gefallen hat.“ Sollte in der nächsten Saison das Wetter der Fahrradbranche wieder freundlicher gesinnt sein, sollte sich dies auch wieder in steigenden Besucherzahlen niederschlagen. Der Termin für die nächste Interbike ist bereits gesetzt. Sie beginnt mit dem Outdoor Demo am 8. und 9. September, knapp eine Woche nach Ende der Eurobike, gefolgt von der eigentlichen Messe vom 10. bis 12. September am neuen, bereits bewährten Standort im Mandalay Bay Convention Center in Las Vegas.
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