Interview - Maloja
Anders sein
Peter, als ihr den Entschluss gefasst habt, Maloja zu gründen, wieso habt ihr euch damals ausgerechnet den Bikewear-Markt ausgesucht? Dein persönliches Erfahrungsspektrum hätte ja auch noch einige andere Segmente wie Surfen oder Snowsports beinhaltet.
Peter Räuber: Letztendlich war der Ausschlag, dass meine Leidenschaft für Biken und für Fahrräder insgesamt am größten war. Zudem hatte ich noch viele Kontakte in die Branche aus der Zeit als ich bei Sunshine Products für den Bike-Bereich zuständig war. Nach Sunshine war ich zwar sechs Jahre in anderen Unternehmen der Textilbranche tätig, den Gedanken einer eigenen Bikewear-Marke hatte ich aber immer in mir getragen. Irgendwann hatte ich dann das Gefühl, jetzt ist es an der Zeit, selber was zu machen.
Als Maloja gegründet wurde gab es bereits viele gut etablierte Bikewear-Marken. Hat euch das nicht abgeschreckt?
Peter Räuber: Nicht wirklich. Ich hatte damals immer noch ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu vielen Händlern, von denen ich wusste, dass sie mich mit einer neuen Marke unterstützen würden. Das gab mir bereits eine große Sicherheit. Und eine Marke wie Maloja gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, jemand der Fahrradbekleidung technisch, aber auch modisch weiterentwickelt. Es gab auch kaum eine Marke, die alle Bike-Sportarten abgedeckt hat, die also genauso glaubhaft Bikewear fürs Freeride-Biken wie fürs Rennrad gemacht hat. Und es gab vor allem auch keine Marke, die den Lifestyle des Fahrradfahrens in Streetwear übersetzt hat.
Kannst du dir einen Reim darauf machen, wieso es eine Marke wie euch damals noch nicht gab? Die Bikewear-Branche war zu dieser Zeit ja bereits durchaus prominent besetzt.
Peter Räuber: Wahrscheinlich, weil unser Weg nicht ganz einfach ist.
Klaus Haas: Für eine Marke, die schon seit vielen Jahren in einem bestimmten Segment angesiedelt ist, ist es sehr schwierig, eine Brücke zu neuen Segmenten wie Streetwear oder Freeride zu bauen. Das ist für eine neue Marke, die ihren Auftritt von vorneherein entsprechend gestaltet, etwas einfacher.
Auf welche Schwierigkeiten stößt man, wenn man Lifestyle und Technik bei der Bikewear verbinden will? Auf welche Herausforderungen seid ihr gestoßen?
Peter Räuber: Für uns war am Anfang die Produktion die größte Herausforderung. In den ersten Jahren haben wir nur geringe Stückzahlen verkauft. Wir mussten Produzenten finden, die bereit waren, uns diese zunächst kleinen Mengen in hochwertiger Qualität und zu wirtschaftlichen Konditionen zu liefern. Die Produktion ist heute immer noch der Bereich, der von uns mit die meiste Aufmerksamkeit erfordert.
Eine alte Scheune in Rimsting am Chiemsee ist das kreative Umfeld, in dem Maloja entsteht.
Peter, du hast vorher die Rolle der Fahrradhändler bei eurem Start positiv hervorgehoben. Gleichzeitig sagt man den Fahrradhändlern oft nach, dass sie neuen Marken gegenüber sehr reserviert sind. War das eine Erfahrung, die auch ihr gemacht habt?
Peter Räuber: Natürlich sind wir auch von solchen Erfahrungen nicht verschont geblieben. Aber es gab auch viele Gegenbeispiele. Wie zum Beispiel den Bikeshop Carpentari am Gardasee oder Sport Conrad in Garmisch. Das sind Händler, die uns sogar ausdrücklich ermutigt haben, die Gründung von Maloja in die Tat umzusetzen. Ohne diese Händler, die uns toll unterstützt haben, hätte es Maloja vielleicht nicht gegeben. Am Anfang waren es rund 100 Händler, von denen wir Unterstützung bekommen haben.
Klaus Haas: 2004 war für den Markt eine sehr schwierige Zeit. Deutschland steckte noch mitten in einer Wirtschaftskrise. Viele Unternehmen in der Branche hatten sich eingeigelt und versuchten, so wenig Kosten wie möglich zu verursachen. Viele haben uns gefragt, wieso wir ausgerechnet in so einer Zeit eine neue Firma aufmachen. Aber das war genau die richtige Zeit, um mit einer neuen Marke aufzufallen. Viele Händler haben uns damals gesagt: »Endlich mal was Neues!«
»Schönes Design, schöne Produkte. Aber auch eine sehr schöne Philosophie, die dahintersteht«
Habt ihr euch bei der Gründung von Maloja trotzdem auch ein bisschen mutig gefühlt? Oder war euch von Anfang an klar, dass euer Konzept aufgeht?
Peter Räuber (lacht): Wir haben uns schon mutig gefühlt. Und so klar, war da gar nix. Wir sind da vor allem auch mit einer Riesenleidenschaft ans Werk gegangen. Unsere Vision waren keine großen Renditen, sondern vor allem auch ein Unternehmen, mit dem wir Leben und Arbeiten verbinden konnten. Wir wollten deshalb zunächst eigentlich nur jeweils eine Sommerkollektion herausbringen und den Rest des Jahres dann in den Bergen verbringen.
Ist dieser Plan aufgegangen?
Peter Räuber: Das hat genau zwei Winter lang funktioniert, in denen ich dann in irgendwelchen Tiefschneehängen mit den Produzenten telefoniert habe, um wichtige Details zu klären. Es kam dann aber auch relativ bald der Druck von den Händlern, dass wir auch eine Winterkollektion entwickeln.
Stimmt das Gleichgewicht zwischen Leben und Arbeiten trotzdem noch?
Peter Räuber: Das ist schwer zu sagen. Wir arbeiten schon sehr hart und oft auch zeitintensiv. Aber wir versuchen, die Arbeit für uns und unsere Mitarbeiter so angenehm wie möglich zu machen. Wenn du bei uns durch die Büros gehst, wirst du eine sehr entspannte Atmosphäre spüren. Ich glaube schon, dass wir uns ein vernünftiges Verhältnis von Leben und Arbeiten bewahren konnten.
Maloja war in den acht Jahren seit der Gründung der Shooting Star unter den Bikewear-Anbietern. Kannst du den Grund für diesen Erfolg auf einen einfachen Nenner bringen?
Peter Räuber: Schönes Design, schöne Produkte. Aber auch eine sehr schöne Philosophie, die dahintersteht. Das ist etwas, worauf wir unheimlich stolz sind, dass viele Menschen wissen, was unsere Werte sind und sich mit unserer Philosophie identifizieren können.
Peter Räuber (oben) ist der kreative Kopf von Maloja, Klaus Haas (unten) der kaufmännische.
Und vielleicht auch, dass modebewusste, bikende Frauen mit Maloja einen Grund gefunden haben, sich öfter mal ein schickes neues Bikewear-Teil zu kaufen?
Peter Räuber: Das ist ein ganz wichtiger Ansatz für unsere Marke. Wir waren von der Stunde null an sehr erfolgreich bei Frauen. Männer sind sehr technikaffin. Die geben ein Vermögen für ihr Bike aus, aber die Bikewear spielt für sie keine so große Rolle. Frauen wollen hingegen auch beim Sport hübsch ausschauen. Dass wir von Anfang an schöne Teile für Frauen gemacht haben, war und ist ein wichtiges Erfolgskriterium für Maloja.
Seid ihr vielleicht auch in eine Zeit reingerutscht, in der viele Frauen den Bike-Sport neu für sich entdeckt haben?
Peter Räuber: Das war sicher so. Manche Frauen haben uns sogar erzählt, dass sie wegen der schönen Bekleidung von Maloja mit dem Biken angefangen haben.
Klaus Haas: Die Männer ziehen aber nach. Wir hatten am Anfang ein leichtes Übergewicht bei der Frauenbekleidung. Das ist auch heute noch in manchen Ländern so, insbesondere wenn wir Märkte neu erschließen. Insgesamt ist der Männeranteil in unserer Kollektion inzwischen deutlich höher.
»Da stecken Glaubhaftigkeit, Tradition und auch Stolz auf den Lebensraum drin.«
Ihr habt eure Kollektionen bisher immer sehr stark an Themen festgemacht. Euer letztes Thema lautete HiSociety als Anspielung auf das bergbäuerliche Leben in den Alpen. Wie findet ihr eure Themen?
Klaus Haas: Das kann ich vielleicht besser beantworten. Die Antwort sitzt hier neben mir in der Person von Peter Räuber. Wir haben vorher darüber gesprochen, was uns als Marke nach oben gebracht hat. Und ein Teil des Erfolgsgeheimnisses ist sicher auch, dass wir immer versuchen, eine Kollektion aus einem Guss zu machen. Die entsprechenden Themen werden von Peter Räuber und einem sehr guten Team entwickelt. Das ist richtig harte Arbeit.
Peter Räuber: Die letzten zwei Jahre wollten wir Themen entwickeln, die mehr mit uns selbst zu tun hatten, mit Heimat und dem Leben in den Bergen. Daraus wurde dann zunächst die Kollektion Alp Appeal. Mit HiSociety als Kunstbegriff für das Leben der Bergbauern wurde dieses Thema nochmals verfeinert. Da haben wir dann auch angefangen, die Kollektionsthemen noch mehr mit Tiefe zu belegen. Wir haben zum Beispiel eine Woche lang die Firma geschlossen und haben in dieser Zeit mit den Mitarbeitern bei der Südtiroler Bergbauernhilfe Sozialarbeit geleistet, haben Ställe ausgemistet und Bäume umgeschnitten.
Für 2013 verlasst ihr nun quasi die Alpen und sattelt auf Südamerika um. Was ist der Grund dafür?
Peter Räuber: Die alpinen Themen haben sich sehr stark Richtung Mainstream entwickelt. Als wir mit den alpinen Themen anfingen, hat man viele junge Leute mit Jeans, Sneakers und Trachtenstrickjacke gesehen. Das war cool, jung und ehrlich.
Oktoberfest-Look…
Peter Räuber: Nein, genau das Gegenteil von Oktoberfest-Look. Da steckten Glaubhaftigkeit, Tradition und auch Stolz auf den Lebensraum drin. In den letzten zwei Jahren sind aber immer mehr schlechte Einflüsse dazugekommen. An der Tankstelle gibt es inzwischen Dutzende Zeitschriften über den Landleben-Stil; Radhosen werden mit Lederhosen-Motiven bedruckt und Oberteile im Dirndl-Look mit rosa Herzchen. Viele haben versucht, auch uns in diese Schublade »Alpin und Traditionell« zu stecken. Da hat es dann für uns nicht mehr gepasst, so ein Thema weiterzuführen. Es ist also höchste Zeit für Maloja, die Alpen zu verlassen. Gleichzeitig sind wir aber weiterhin eine Marke, die sehr stark von den Bergen und dem einfachen Leben beeinflusst ist. Also haben wir mit der neuen Pachamama-Kollektion zwar den Kontinent, nicht aber unsere Identität gewechselt. Ich glaube, wir haben damit die modernste Kollektion entwickelt, die Maloja jemals gemacht hat. Pachamama hat ganz starke Ethno-Einflüsse, die derzeit auch in Metropolen wie London, Amsterdam oder Tokio in der Streetwear spürbar sind. Wir haben uns unsere Ethno-Einflüsse in Bolivien und Peru geholt und haben die Lebensphilosophie der Andenbewohner aufgenommen.
Einfachheit ist ein wichtiger Einfluss für das Unternehmen, sagen die Maloja-Macher.
Wo geht es noch hin mit Maloja? Wie wird sich euer Unternehmen in Zukunft weiterentwickeln?
Peter Räuber: Das lässt sich schwer voraussehen. Ich weiß aber, dass wir weiterhin mit viel Leidenschaft arbeiten werden, dass der Wahnsinn aber nicht zu groß werden soll.
Klaus Haas: Es gibt keinen Masterplan, in dem steht, wo wir in zehn Jahren sein wollen. Das ist auch nicht notwendig. Es gibt bei Maloja keine Finanzinvestoren, denen wir einen solchen Plan vorlegen müssten. Wir denken von Schritt zu Schritt. Aber der Markt ist für Maloja sicher noch nicht gesättigt. Und es gibt sicher auch noch einige Märkte mit viel Potenzial, wo wir gerade erst anfangen, wahrgenommen zu werden. Wir müssen deshalb nur schauen, dass wir die Entwicklung in die richtige Richtung lenken.
Größe oder rasches Wachstum wäre vielleicht auch für die Kultur eurer Marke nicht unproblematisch…
Klaus Haas: Du musst aber gerade auch im Textil-Segment eine gewisse Größe haben, um effizient produzieren zu können. Wenn du zu klein bist, wirst du es auf Dauer nicht schaffen. Wir konnten unsere Produzenten auch nur mit der Aussicht, dass Maloja weiterwachsen wird, bei der Stange halten. Hätten wir bei dem Volumen von 2008/2009 stagniert, dann wären uns die Produzenten irgendwann abgesprungen. Eine Mindestbetriebsgröße ist notwendig, um etwas zu schaffen, das qualitativ und wirtschaftlich vertretbar ist. Wir werden aber sicher auch nicht im Massenmarkt zu finden sein. Wir wollen eine kleine, feine Marke bleiben, die zusammen mit dem Fachhandel weiterwächst. //
Verknüpfte Firmen abonnieren
für unsere Abonnenten sichtbar.