Report - Fahrradcomputer
Anpassungsfähiges Zubehör
Moderne Fahrradcomputer haben mit den Tachos vergangener Jahrzehnte wenig gemeinsam. Dieses Zubehörsegment ist heute ausdifferenziert und hat große Entwicklungssprünge hinter sich. Kein Wunder also, dass die Hersteller auch den Begriff »Tacho« in den meisten Fällen hinter sich gelassen haben. Das Portfolio der Hersteller unterscheidet sich bereits strategisch betrachtet stark, was sicher auch an unterschiedlich großen Unternehmen liegt, die hinter den Geräten stecken. Anbieter Wahoo etwa bietet drei verschiedene Fahrradcomputer an. Der Karoo 2 ist gar das einzige Gerät im Angebot der Firma Hammerhead, die mit dem Smartphone-Betriebssystem Android und einem Sim-Karten-Slot eigene Wege geht. Das Gegenmodell wäre an dieser Stelle Hersteller Garmin, der in der Edge-Reihe sieben verschiedene Geräte führt.
Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Zielgruppe sehr. Die günstigeren Geräte navigieren ohne, die höherwertigen mit Kartenanzeige. Auch die Trainings- und Navigationsfeatures sind je nach Variante vielfältiger oder simpler. In den letzten Jahren hat sich hardware-seitig die Akkukapazität deutlich weiterentwickelt. Die Modelle Edge 540 und Edge 840 verlängern diese optional mit Solarmodulen während der Fahrt.
»Die Display-Technologie entwickelt sich auch immer weiter«, meint Fabian Danner, Category Manager bei Garmin.
Garmin setzt bei manchen Fahrradcomputern der Edge-Reihe Solarmodule ein. Die Akkulaufzeit des Modells 540 liegt bei 26 Stunden, der 540 Solar kommt auf 32.
Die beiden Punkte, den Stromverbrauch und die Display-Performance, gelte es im Gleichgewicht zu halten, weiß auch Dr. Niklas Brown, Innovationsmanager bei Sigma zu berichten. »Da muss man einfach einen guten Mix finden.« Das ideale Display wäre gut lesbar, stromsparend und in der Farbdarstellung schön anzusehen. »Ein Amoled-Display macht eigentlich wenig Sinn beim Radfahren«, so die Meinung von Garmin-Mann Danner. Transflektive Displays, die nicht bloß auf Hintergrundbeleuchtung setzen, sondern das einfallende Sonnenlicht auch innerhalb des Displays nutzen, haben ihre eigenen Vorteile. Sigma setzt beim Topmodell Rox 11.1 auf ein transmissives Farbdisplay. Die Modelle Rox 2.0 und 4.0 kommen hingegen mit transflektiven Schwarz-Weiß-Displays. Ein einfaches Display halte den Stromverbrauch gering, so Brown. Zu den prägenden Themen der letzten Jahre zählt man bei Sigma auch Software-Innovationen, wie etwa das Implementieren einer Climb-Funktion. Ist die Anwendung eher sportiv, stehen Trainingsfunktionen und Akkulaufzeit im Vordergrund. Touren-Fahrer und -Fahrerinnen legen hingegen eher Wert auf gute Navigation und wünschen sich das gleiche Erlebnis wie im Auto, wo die beste Route von A nach B möglichst schnell und passend gewählt wird.
Smartphone ist hilfreich, aber kein Ersatz
Eine gute Anzeige ist auch bei Wahoo wichtiger als echte Bildgewalt. Das Modell Elemnt Roam V2 zeigt 64 verschiedene Farben. Um das Gerät umfassend zu bedienen, setzte das Unternehmen von Anfang an auf eine App. Jeder wisse, wie Apps funktionieren, sagt Frank Jeniche von PR-Trust, der die Öffentlichkeitsarbeit von Wahoo verantwortet. Einrichtungen seien auch am Gerät möglich, sind aber am Smartphone einfacher und intuitiver.
»Wir haben keine Lust, zuzusehen, wie unser Markenwert durch Rotstift-Marketing kaputtgemacht wird.«
Frank Jeniche, PR-Trust/Wahoo
Die Kombination mit dem Smartphone ist inzwischen bei allen Herstellern üblich. Dass die Smartphones die Fahrradcomputer ersetzen, fürchten sie dennoch nicht. Die Ablesbarkeit im Outdoor-Bereich und die Wasserdichtigkeit sind besser als bei vielen Handys. Auch Funktionen wie eine Höhenmessung trotz Wasserdichtigkeit sind in diesem Segment möglich. Die Geräte unterlaufen extreme Tests und können besser mit den dauerhaften Vibrationen umgehen. In der Vergangenheit hatten diese zum Beispiel bei einigen iPhones zu Problemen bei den Bildstabilisatoren geführt, erzählt Niklas Brown von Sigma. Anders sehe es im Bereich der Wearables aus. Hier wird es von Sigma aktuell keine neuen Produkte geben. Der Grund besteht darin, dass viel Marktmacht von großen Marken wie Apple ausgeht. Sogenannte Multisportuhren machen für Einsatzbereiche wie Triathlon durchaus Sinn. Für den Radsport sind sie aber kein sehr wichtiges Produkt. Die meisten Uhren im Outdoor- und Fitness-Segment bei Garmin unterstützen auch Fahrradfunktionen. Derjenige, bei dem das Radfahren im Vordergrund steht, setzt aber eher auf ein am Cockpit montiertes Gerät.
Fahrradcomputer sind komplex, ihr Beratungsaufwand ist hoch. Hersteller Sigma druckt QR-Codes auf seine Verpackungen, um vor Ort durch Videos beraten zu können.
Verbreiteter hingegen sind externe Sensoren, etwa Herzfrequenzmesser oder Leistungsmesser. In der sehr performanten Zielgruppe, so Fabian Danner, kaufen über 90 Prozent einen Herzfrequenzmesser zu ihren Geräten hinzu. Auch Leistungsmessung werde immer beliebter und ist vielfach bereits vorinstalliert an den sportlichen Rädern. »Das sieht man auch an den Features, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben«, so Danner. Mit der Funktion Power-Guide führt Garmin Anfänger an die Wattzahlen heran, mit Stamina richtet man sich eher an Fortgeschrittene.
Je sportlicher der Einsatz, desto mehr Sensoren kommen zum Einsatz, bescheinigt auch Niklas Brown. »Der Power-Meter hat die Herzfrequenzmessung ein bisschen überholt«, schätzt er. Im Touren-Bereich werden eher weniger Sensoren eingesetzt. »Wer nur Geschwindigkeit, Trittfrequenz und Durchschnittsgeschwindigkeit braucht, der ist mit einem 50-Euro-Computer von irgendeinem Anbieter wahrscheinlich superglücklich«, sagt Frank Jeniche. Bei Wahoo können auch Sensoren für Muskelsauerstoff verbunden werden. Ob das notwendig sei, werde er oft gefragt, so Jeniche. »Nein, ist es nicht, ich werde auch ohne glücklich. Aber wenn ich heute performant Radfahren will, dann brauche ich das.«
Auch für E-Bikes relevant
Sich Energiereserven einzuteilen, das ist auch E-Bikern und E-Bikerinnen bekannt. Wahoo stammt zwar aus dem sportlichen Segment, hat aber auch Konnektivität mit verschiedenen E-Bike-Herstellern im Angebot. Keine Verbindung lasse sich allerdings zu Shimano und Bosch herstellen. Bei Bosch liege das ganz klar daran, dass die Firma ihr eigenes System machen wolle, so Jeniche. Wer ein Gravel- oder Mountainbike mit Motor fährt, bleibe oft als Kunde bestehen, da diese Räder immer öfter ohne oder nur mit kleinem Display daherkommen. Ähnlich bewertet dies Niklas Brown. E-Bike-Fahrer und -Fahrerinnen bleiben bei Sigma relevante Kunden und Kundinnen. »Wir haben sehr viel Arbeit in Protokolle gesteckt und können mit verschiedenen Herstellern kommunizieren«, sagt Brown. Die E-Bike-Hersteller hätten im Funktionsumfang von Fahrradcomputern auch einfach weniger Expertise, so Fabian Danner. »Wir greifen über ANT+-LEV Motordaten ab, zum Beispiel die Einstellungen des Motors, aber auch die noch verfügbare Akkukapazität«, meint Danner. Das soll auch helfen, die tatsächliche Reichweite besser ermitteln zu können und mit den Navigationsdaten abzugleichen.
Stationärer Fachhandel ist wichtig
Bereits ein Kratzen an der Oberfläche zeigt, dass es viel zu wissen gibt über die kleinen Geräte. Für den Fachhandel sind sie auch deswegen keine leichte Kost. Sie erfordern intensive Beratung, der mit jeder zusätzlich angebotenen Marke weiter steigt. Sigma versucht trotzdem, den stationären Handel zu stärken. »Das ist aber gerade bei den GPS-Geräten etwas schwieriger, weil da ein hoher Beratungsaufwand dahintersteht.
Die kleinen Displays am Lenker sind meist widerstandsfähiger als Smartphones und besser im Sichtfeld als Multisportuhren.
Das versuchen wir aber jetzt auch zu vereinfachen, indem wir den Händlern viel Content zur Verfügung stellen. Der Kunde kann zum Beispiel auf der Packung einen QR-Code scannen und sich von einem Video im Laden beraten lassen und trotzdem im Laden kaufen.« Das soll den Beratungsaufwand herunterschrauben. Online-Vertriebswege und die eigenen Webshops scheinen auch eine große Rolle zu spielen. So auch bei Wahoo. Die Firma legt Wert auf starke Partner, meint Frank Jeniche und nennt das Düsseldorfer Geschäft Schicke Mütze als Beispiel. »Zu einer Partnerschaft gehören nicht nur Konditionen und Lieferfähigkeit«, sagt er. Gerade im Online-Handel funktionieren Marken mit einem gut aufgebauten Image besonders gut. Wer zu sehr auf Online-Handel setzt, könne davon auch Schaden nehmen. »Wir haben keine Lust, zuzusehen, wie unser Markenwert durch Rotstift-Marketing kaputtgemacht wird.« Je nach Segment macht der stationäre Fachhandel bei Wahoo 40 bis 50 Prozent der Umsätze aus. Der eigene Webshop funktioniere auch sehr gut und habe den Vorteil, dass man die Händler dort nicht in den Preisen unterbiete. Der Hersteller verglich zudem seine Online-Verkäufe räumlich mit denen seiner stationären Fachhändler. Diese Analyse ergab, dass die Menschen online kaufen, wenn vor Ort kein kompetenter Partner vorhanden ist. »Da, wo wir online gut verkaufen, haben wir keine guten Händler«, fasst Jeniche zusam-
men.
Auch Garmin legt Wert auf den klassischen Fachhandel. »Wir haben auch einen eigenen Webshop, aber sehen den stationären Handel weiterhin als wichtigen Kanal für die professionelle Fachberatung«, sagt Fabian Danner. Zudem sei es so, dass viele sportliche Fahrräder vor Ort gekauft werden und Fahrradcomputer ein perfekter Zusatzverkauf zu diesen sind. Trotz des hohen Beratungsaufwands dürften Fahrradcomputer im Fachhandel also auch in Zukunft und auch bei E-Bikes relevant bleiben. //
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