Interview - Thomas Raith
Anspruchsvoll Schalten
{b}In wenigen Tagen beginnt die 28. Ausgabe der Eurobike. Sie sind schon lange in der Fahrradbranche tätig. Können Sie sich noch an Ihre erste Eurobike erinnern?{/b}
Ja, natürlich. Das vergisst man nicht so schnell. Das war im Jahr 2008. In dem Jahr war ich als Geschäftsführer zu Magura gewechselt. Das war mein Einstieg in die Bike-Branche. Als begeisterter Biker war dies für mich der erwünschte Einstieg in die Branche und somit eine ganz besondere Eurobike für mich.
{b}Mit welchen Erwartungen fahren Sie persönlich in diesem Jahr nach Friedrichshafen, elf Jahre nach Ihrer ersten Eurobike?{/b}
Erst einmal muss man feststellen, dass die Eurobike weiterhin die Leitmesse der Fahrradbranche ist. Man ist gespannt darauf, welche Entwicklungen die Fahrradbranche wieder bereithält, lässt sich von Markt-Trends inspirieren. Persönlich freue ich mich sehr auf den Austausch mit vielen Freunden und Bekannten aus der Branche und selbstverständlich, geschäftlich gesehen, auf den Auftritt von Pinion mit mir an Bord. Das wird spannend. Unsere Neuheiten zeigen wir auf einem neugestalteten, großzügigen Stand.
{b}Welche Veränderungen der Eurobike haben Sie in den letzten Jahren festgestellt?{/b}
Die größte Veränderung liegt ganz eindeutig in der wachsenden Bedeutung des Themas E-Bike. Die Entwicklungen hier waren in den letzten Jahren enorm und haben gleichzeitig auch die Messe beeinflusst. Das Potential, das in dieser Technologie und in dieser Branche steckt, ist noch längst nicht ausgereizt. Und zwar nicht nur was das Fahrrad anbelangt, sondern auch in Bezug auf die gesamte städtische Mobilität. Und das wird auch auf der Eurobike immer stärker sichtbar.
{b}Die Eurobike entwickelt sich also von einer Fahrrad- zur Mobilitätsmesse?{/b}
Ja, absolut.
{b}Auf der Eurobike 2010 war der Prototyp der Getriebenabe von Pinion eine der Messeneuheiten, die im Vorfeld weitgehend sogar vor Branchen-Insidern geheim gehalten werden konnte. Warum gelingen solche Messeüberraschungen heute nur noch sehr selten?{/b}
Messeüberraschung heißt ja auch immer, dass im Vorfeld keine Informationen veröffentlicht werden. Jetzt ist es mittlerweile so, dass gerade Komponentenhersteller ihre Innovationen recht früh an die OE-Kunden kommunizieren, damit sie diese Informationen in ihre Gesamtfahrzeugentwicklungen einfließen lassen können. Es ist nicht mehr wie früher, dass der Fahrradrahmen ein reiner Komponententräger ist. OE-Kunde und Komponentenhersteller tauschen sich heute viel früher zu spannenden Gesamtfahrzeugentwicklungen aus und arbeiten insgesamt enger zusammen. Letztendlich werden die Neuheiten über einen längeren Zeitraum mehreren Gruppen zu verschiedenen Zeitpunkten vorgestellt. Da fällt es schwer zu verhindern, dass nicht doch frühzeitig Informationen durchsickern und veröffentlicht werden.
{b}Welche Aufgabe erfüllt die Eurobike für Pinion zehn Jahre nach dem ersten Produkt-Launch?{/b}
Nach wie vor, um sich als Marke und mit seinen Produkten den Fahrradherstellern und Händlern zu präsentieren. Wir stellen neue Produkte vor, sprechen mit Kunden über Ideen und Potentiale und nehmen Kundenbedürfnisse und Markttrends auf.
{b}Die Eurobike spielt bei der Präsentation einiger wichtiger Neuheiten für Pinion also wieder eine wichtige Rolle. Was erwartet die Besucher am Pinion-Stand genau?{/b}
Wir zeigen zwei exklusive Neuvorstellungen von Marken – das sind zwei wunderschöne neue E-Bikes mit Pinion-Getriebe. Ein Highlight ist sicherlich ein neuer E-Bike-Rahmen, den wir zusammen mit Antriebshersteller Neodrives entwickelt haben. Der Hintergedanke dabei ist es, Fahrradherstellern ohne großen Entwicklungsaufwand zu ermöglichen, Pinion-Pedelecs ins Programm zu integrieren. Hier sind wir mit Neodrives eine wirklich starke Kooperation eingegangen. Im Bereich Handel stellen wir zudem neue Servicekonzepte vor. Pinion-Care ist ein Beispiel oder unser neues Testradprogramm für Fachhändler ein anderes. Im Modelljahr 2020 wird es dieses flächendeckend für die Bereiche Trekking und E-Bike geben.
{b}Sie haben die Entwicklung eines neuen E-Bike-Rahmens zusammen mit Neodrives angesprochen. Das ist ja durchaus neues Terrain für Pinion. Wie kam es zu diesem Schritt? Was versprechen sich beide Seiten davon?{/b}
In erster Linie möchten wir hiermit gemeinsam mit Neodrives die Leistungsfähigkeit des Antriebsstrangs in einem eigens hierfür entwickelten Rahmen zeigen. Neodrives und wir sind der Überzeugung, dass dieses Antriebsduo enormes Potential hat. Wir bieten mit dem Rahmenset den OEs einen niedrigschwelligen und attraktiven Einstieg. Schlussendlich möchten wir OEs überzeugen, dies in ihr Modellprogramm aufzunehmen und Pinion-Pedelecs und -S-Pedelecs anzubieten.
Der Hauptvorteil des Systems liegt darin, dass die Motorleistung erst nach dem Schaltgetriebe freigesetzt wird. Dadurch wirken wesentlich geringere Kräfte auf die Schaltungsbauteile, woraus in Kombination mit dem leisen Nabenmotor letztendlich eine viel längere Haltbarkeit als bei den gängigen Systemen resultiert.
Zudem haben viele OEs nicht die Entwicklungsressourcen, neben den volumenorientierten Produkten auch noch spannende Zusatzprodukte anzubieten. Hier bieten wir einen fertig entwickelten und getesteten Rahmen, den OEs sofort einsetzen können. Damit können sowohl Neodrives als auch wir schnell neue Kunden gewinnen.
{b}Die Rolle von Pinion hat sich in den letzten Jahren verändert – vom reinen OEM-Lieferanten jetzt auch mit direktem Vertrieb an den Fachhandel. Wie kam es zu dieser Entwicklung?{/b}
Der Fachhandel ist letztendlich der Schlüssel für die Fahrradindustrie zum Endverbraucher. Dies galt schon bei meinen früheren Stationen bei Magura und Derby Cycle und jetzt selbstverständlich auch für Pinion. Der Fachhandel nimmt eine zentrale Rolle ein, sei es bei der Produktvorstellung, im Durchverkauf an den Endkunden oder in Service-Angelegenheiten. Bei diesen Aufgaben wollen wir den Fachhändler eng begleiten. Neu kommt hinzu, dass wir jetzt Fachhändlern einen Direktbezug von Pinion-Getrieben anbieten. Damit versetzen wir den Händler in die Lage, beispielsweise bei einem Kundenfahrrad ein 12-Gang-Getriebe gegen ein 18-Gang-Getriebe ohne Probleme zu tauschen. Hinzu kommt auch das Testradprogramm, wo wir es dem Fachhändler leichter machen, Testfahrten für Kunden zu ermöglichen. Das Ziel ist immer, den Fahrradhändler beim Abverkauf von Pinion-Rädern zu unterstützen.
{b}Der E-Bike-Boom hat viel Kaufkraft vom hochwertigen Fahrrad weg in Richtung E-Bike verlagert. Hinzu kommt noch, dass sich der Mittelmotor, der sich nicht mit Pinion kombinieren lasst, als maßgebliche Antriebsform durchgesetzt. Haben diese Entwicklungen einen größeren Erfolg von Pinion behindert?{/b}
Nein, ganz im Gegenteil. Für Pinion ist sogar eine positive Entwicklung feststellbar. Bei unseren wichtigsten Kunden, die Pinion verbauen, verzeichnen wir weiterhin ein stabiles Wachstum. Diese Hersteller setzen schon sehr lange auf uns und kennen die Vorteile der Pinion-Schaltung ganz genau. Mittlerweile führen diese Hersteller auch E-Bikes im Programm, ich nenne mal als Beispiel Tout Terrain oder Idworx. Aufgrund ihrer positiven Erfahrungen setzen sie auch hier auf Pinion.
Und nicht zuletzt können wir gerade im E-Bike-Segment den Mehrwert von Pinion als leistungsstärkste Schaltung im Markt aufzeigen. Beispielsweise weil aufgrund des geringen Verschleißes und des geringen Wartungsaufwandes kaum Folgekosten verursacht werden. Interessant wird dies vor allen Dingen bei kommerziellen Cargo-Projekten, wo wir beispielsweise mit dem Antriebshersteller Heinzmann kooperieren. Auf der Eurobike zeigen wir übrigens auch Fahrzeuglösungen an unserem Stand im Testgelände, wo kurze Testfahrten durchgeführt werden können. Gerade im Cargo-Bereich besitzt die Pinion-Schaltung enorme Vorteile.
{b}Wie kann Pinion noch stärker vom wachsenden E-Bike-Geschäft profitieren? Wo sehen Sie die Chancen?{/b}
Aktuell gibt es viele neue Kunden, gerade in dem immer wichtiger werdenden Bereich Cargo- und Lastenrad. Das Fahrrad entwickelt sich hin zu einem Fahrzeug, das leistungsstarke Schaltungen benötigt. Hier kann das Pinion-Getriebe mit einem garantierten Drehmoment von größer als 250 Nm seine Stärken ausspielen, während herkömmliche Schaltungen längst an ihre Grenzen kommen. Hinzu kommt eine Wartungsfreiheit bis zu einer Fahrleistung von 10.000 Kilometern. Dadurch können wir gerade in Verbindung mit Motorenherstellern wie Heinzmann Fahrzeuge im Cargo- und Lastenräderbereich wie auch mit schnellen Pedelecs aufbauen. Die Möglichkeiten zeigen sich in einer Vielzahl von neuen Projekten und Produkten, die in den nächsten Monaten kommen werden – darunter sind Fahrzeuge mit zwei, aber auch mit drei oder vier Rädern in Verbindung mit dem Pinion-Getriebe. Insgesamt ist das für uns eine superspannende Entwicklung, bei der wir die Vorteile des Pinion-Getriebes voll ausspielen können.
{b}Pinion fertigt alle Getriebenaben vor Ort in Deutschland. Welche Gründe sprechen aus Pinion-Sicht für eine Produktion in Deutschland? Wie wollen Sie auch in den nächsten Jahren den Produktionsstandort Deutschland sichern?{/b}
Bei diesem Präzisionsprodukt sind für uns Fertigungsqualität, Entwicklungsnähe und Flexibilität enorm wichtige Kriterien. Zudem beziehen wir auch einen Großteil der Zahnräder und Schaltungsbauteile von Automobilzulieferern aus der Region. Das ist uns und unseren Kunden wichtiger als ein paar Euro Preisvorteil. Das werden wir auch die nächsten Jahre so beibehalten.
{b}Eine abschließende Frage: Wo denken Sie, wird Pinion in weiteren fünf Jahren stehen?{/b}
In den nächsten drei bis fünf Jahren sollte schon unser Ziel sein, die erste Schaltungswahl im Bereich der anspruchsvollen Antriebskonzepte zu sein und insbesondere dann auch bei E-Bikes. Ich bin mir sicher, dass E-Bikes das Thema Mobilität der Zukunft bestimmen und dementsprechend anspruchsvolle Antriebskonzept gefragt sein werden. Und dabei wollen wir eine wichtige Rolle spielen.
Verknüpfte Firmen abonnieren
für unsere Abonnenten sichtbar.