5 Minuten Lesedauer
i

Nachgehakt - Die Meldung hinter der Meldung

Ausgebremst

Die geplanten Veränderungen in der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) betreffen auch die Fahrradbranche. An den zunächst geforderten Verschärfungen bei Fahrradanhängern (velobiz.de berichtete) zeigte sich, dass die Änderungen keineswegs automatisch dem Fahrrad zugutekommen werden. Rund um die Bremse werden über die Anhänger hinaus noch andere Neuregelungen diskutiert. Wir hakten nach, was da im Busch ist.

In den Blickpunkt gerückt hat die verschärften Anhängerregelungen Peter Hornung vom Anhängerhersteller Hinterher GmbH. Er wusste bereits seit Dezember 2023, dass das Bundesverkehrsministerium (BMDV) zusammen mit der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) an den neuen Regelungen arbeitet. Im Juni gab es dann einen Workshop der BASt, die verschiedene Hersteller eingeladen hatte, um die Planungen vorzustellen. Gefordert würde in der Neuregelung eine verpflichtende Auflaufbremse beziehungsweise eine andere Form von Bremse am Anhänger ab einem Gesamtanhängergewicht von 60 Kilogramm. Hornung stellte schnell endgültig fest, dass die Pläne sein Geschäft nachhaltig beeinträchtigen würden. Das allein wäre natürlich noch kein Grund, der gegen bessere Regeln spräche.

Als Begründung für die Änderungen seien im Workshop die womöglich überforderte Nutzerin Lieschen Müller und der Stand der Technik genannt worden. Hornung kann aber sehr klar aufzeigen, dass die neuen Regeln eine Verschlechterung der Situation wären: Es gibt keinerlei Zahlen, die belegen könnten, dass von Anhängern eine erhöhte Gefahr ausginge. Im Gegenteil zeigen die wenigen vorhanden Zahlen eher, dass diese Produkte ausgesprochen wenig Probleme bereiten. »Aus unserer Sicht werden hier mit dem vorgeschobenen Argument der Sicherheit auf Radwegen Scheingefechte geführt, die in der Konsequenz aber eine radikale Verschärfung der Nutzung der bisher völlig unbedenklichen Fahrradanhänger bedeuten«, erklärt Hornung.

Nicht nur Anhänger stehen
auf dem Prüfstand
Im Zuge der Recherche zu den Anhängern erreichten uns aber noch weitere Nachfragen rund um die Fahrradbremse, allesamt innerhalb einer Woche: Soll wirklich die Fahrradbremse für alle Fahrradgattungen künftig mit mindestens 5 m/s² zupacken können müssen? Stimmt es, dass Lastenfahrräder in Zukunft mit einem ABS-System ausgestattet werden müssen?

Wie sich herausstellte, sind Anhänger tatsächlich nicht der einzige Punkt, bei der sich die StVZO die Bremsen am Fahrrad anschaut. So sei im noch nicht veröffentlichten Entwurf gefordert, dass Fahrradbremsen in Zukunft mit Verzögerungswerten von 5 m/s² aufwarten sollen. Das bestätigt Tim Salatzki vom ZIV, dem auch diese Änderung mündlich mitgeteilt wurde. »Das wurde uns auch vom BMDV bestätigt, aber wir haben noch nicht den Text der StVZO. Das wäre aber schon wichtig, weil man dann sehen könnte, wie es genau geschrieben ist und welche Bezüge aufeinander genommen werden.« Die Informationen, die man jetzt habe, seien aber sehr wohl, was jetzt angedacht ist.

Bislang sind keine Mindestverzögerungswerte in der StVZO für Fahrradbremsen enthalten. Es gibt nur den allgemeinen Verweis auf die technischen Regelungen und damit Normen. Dort ist für City- und Trekking-Räder ein Wert von 3,4 m/s² hinterlegt. Von der Erhöhung ist man beim ZIV nicht angetan. »Da sprechen wir uns ganz klar dagegen aus«, erklärt Salatzki.

Die Erhöhung könnte Lieschen Müller in Bedrängnis bringen. Denn mit diesem Wert kommt man an die Grenzen der Fahrphysik. Die Fahrradbalance ist diffizil, aber »bei 6 m/s² ist die Gefahr schon sehr hoch, dass es zum Überschlag kommt.« Für die ungeübte, aber durchaus vorsichtige Frau Müller führe die Verschärfung nicht zu kürzeren Bremswegen. Schon jetzt sei das verbreitetere Phänomen, dass sich Menschen nicht trauen, kräftig zu bremsen. Dazu kommt: »Wenn man sich die Unfallstatistiken anschaut, dann lässt sich da nicht ablesen, dass es zu vielen Unfällen käme, weil die Bremsen nicht ausreichend dimensioniert waren«, erklärt Salatzki.

Von der geplanten ABS-Pflicht am Cargobike hat Salatzki nichts Offizielles und auch nichts Halboffizielles gehört. Es handle sich um ein Gerücht, das in Cargo-Foren verbreitet würde. Bisher gäbe es nicht mal bei sehr großen Fahrzeugen diese Forderung. »Die Branche muss sich natürlich trotzdem der Frage stellen, wie die Menschen besser bremsen können«, sagt Salatzki. Aber seiner Ansicht nach wäre es zu früh für gesetzliche Vorgaben angesichts des jungen ABS-Marktes.

Entwarnung für Anhänger
Zumindest für die Anhänger hat sich die Problematik inzwischen wieder aufgelöst: Ende August ruderten BMDV und BASt mit ihren diesbezüglichen Plänen zurück. Eine Verschärfung der Regelungen ist vom Tisch. »Ein großer Erfolg«, sagt Hornung dazu. Doch die höhere Bremskraft wird wohl immer noch mindestens erwogen. Weitere Veränderungen der Anforderungen rund ums Fahrrad sind zwar nicht bekannt, damit unwahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen.

Doch bevor der Entwurf nicht zugänglich ist, müssen die Akteure entweder abwarten oder hinter den Kulissen ihre Expertise einbringen. Das Verkehrsministerium habe erklärt, dass es nicht gegen die Fahrradindustrie arbeiten wolle. Dass diese Aussage überhaupt notwendig ist, macht allerdings hellhörig. Offiziell befindet sich das Dokument der StVZO-Novelle in der Rechtsförmlichkeitsprüfung. »Das legt nahe, dass der Inhalt schon recht festgeklopft ist«, sieht Salatzki. Der Entwurf soll aber noch der Öffentlichkeit vorgestellt werden, bevor er zur Abstimmung vorgelegt wird. Schon im Herbst dieses Jahres könnte es so weit sein.

Update 16.09.2024:

Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Texts war die Bremsenthematik noch heiß diskutiert. Inzwischen hat das Verkehrsministerium in dieser Hinsicht bereits wieder zurückgerudert. Die angedachten Verschärfungen bei der Bremskraft sind wieder vom Tisch.

16. September 2024 von Daniel Hrkac

Verknüpfte Firmen abonnieren

Hinterher.com
Nur für Abonnenten
News
Nur für Abonnenten
Kommentare
Nur für Abonnenten
Stellenmarkt
Velobiz Plus
Die Kommentare sind nur
für unsere Abonnenten sichtbar.
Jahres-Abo
115 € pro Jahr
  • 12 Monate Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
  • 10 Ausgaben des exklusiven velobiz.de Magazins
Jetzt freischalten
30-Tage-Zugang
Einmalig 19 €
  • 30 Tage Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
Jetzt freischalten
Sie sind bereits Abonnent?
Zum Login