Report - GPS-Markt
»Beratungsklau? Nicht bei uns!«
Mit dem Ibex ist die Nachfrage regelrecht explodiert«, erzählt Michael Wild vom Unternehmen Paul Lange, das 2011 das Falk-Gerät ins Angebot aufnahm. »Es ist einfach zu bedienen und routing-fähig.« Genau das, fragt man in die Runde, scheint der radelnde Navi-Neuling zu erwarten. Vor allem, wenn er bislang das GPS-Gerät im Auto als einzig wahre Komfort-Lösung empfunden hat. »Und die Händler sind happy, weil das der Ausweg aus der Monokulturlandschaft ist.« Und damit ist nicht nur die Vorherrschaft der Garmin-Geräte auf dem Radnavi-Markt gemeint, sondern auch die Möglichkeit, auf ganz individuelle Einsatzbereiche abgestimmte Geräte zur Auswahl zu haben. So bietet Lange seit 2009 Satmap-Geräte für den Heavy-Duty-Einsatz an, die laut Wild vor allem wegen der topografischen Karten bei Outdoor-Freaks gut ankamen. Die neuen Falk-Modelle sollen – auch dank Routing-Fähigkeit – auch für Einsteiger und den klassischen Tourer interessant sein, während man mit dem ganz neu im Sortiment aufgenommenen Bryton-Geräten vor allem den trainingsorientierten Rennradfahrer ansprechen will.
Standpunkt bestimmt
Perspektive
Die Richtung stimmt, möchte man denken. Aber Fahrradfachhändler sehen das zumindest teilweise anders: Peter Bomm in Bottrop etwa hat den Navi-Sektor beispielsweise bisher weitgehend bewusst vernachlässigt. Die komplexe Materie, der hohe Arbeitsaufwand und nicht zuletzt der Beratungsklau – »die Leute lassen sich beraten und kaufen dann im Internet« – überzeugten ihn, dass er seine Aufmerksamkeit doch auf die Kernkompetenz Fahrrad und Zubehör lenkt. Allerdings hat er einen Partner im Navi-Bereich: »Das ist einer meiner Kunden, der aus dem maritimen GPS-Bereich kommt. Mittlerweile schicke ich alle Kunden mit Navi-Anfragen in diesem Bereich zu ihm – die sind dort gut aufgehoben.« Außerdem kann umgekehrt der GPS-Spezialist auch gelegentlich Fahrradinteressierte zum Fahrradpartner navigieren. Erfolgreiches Networking auf traditionelle Art.
Auch Christoph Gier, Geschäftsführer von Velo in Aachen ist mehr als skeptisch, was GPS im Fahrradfachhandel anbelangt – aktuell große Auswahl hin oder her: »Vor einiger Zeit hatten wir auf Wunsch eines Kollegen versucht, da einzusteigen. Aber man bekommt den Gegenwert für die viele Arbeit, Seminarbesuche etc. einfach nicht wieder rein – auch, weil man preislich praktisch nicht mit dem Internet konkurrieren kann. Dann kommt noch dazu, dass man hier im Dreiländereck praktisch drei Karten pro Gerät braucht, was die Sache auch für die Kunden teurer macht. Für uns ist da jedenfalls meines Erachtens kein Geld zu verdienen«, so Gier.
Ausdauer macht erfolgreich
Seit 2007 am Thema dran geblieben und damit zunehmend erfolgreich ist man dagegen bei Rabe Bike in der Münchner Lindwurmstraße. Garmin- und Falk-Modelle gibt es dort zur Auswahl. Auch Max Winter sieht, dass die »Kampfpreise« im Internet und die Margen nicht mit den in der Fahrradbranche üblichen konkurrieren können, »schließlich bieten wir auch noch die Beratung und den Service.« Auch das aktive Verkaufen von GPS und Zubehör kann das nicht ganz ausgleichen, denn »für viele Radler ist das GPS-System einfach noch zu kompliziert, man muss sich ja mit den Geräten aktiv auseinandersetzen, per PC die Touren ins Gerät laden etc.; dafür muss ich viel Zeit investieren.« Aber Dank aufwendiger Beratung der Kunden lassen sich doch die passenden Geräte für die individuelle Ausrichtung finden, und das wollen immer mehr. »Auch im Rennradbereich nehmen die GPS-Nutzer deutlich zu«, so Winter. Nach seiner Meinung wird der klassische High-End-Fahrradcomputer mittelfristig vom Navi ersetzt. Was Beratungsklau angeht, ist Winter dagegen skeptisch: »Dieser Wert ist für uns schwer messbar«, sagt er. Das übliche Beklagen darüber ist bei Rabe also definitiv nicht Usus.
»Die Beratung für GPS wird immer schwieriger und aufwendiger«
»Beratungsklau? Den gibt’s nicht«, formuliert es dagegen Thorsten Larschow, Leiter von Rad und Tour in Cuxhaven noch radikaler. »Unsere Verkäufer haben das Problem jedenfalls nicht. Das funktioniert doch gar nicht: Ein geschulter Verkäufer fragt den Kunden vorher, ob er ein GPS-Gerät kaufen will oder nicht.
Wird das GPS-Gerät am Lenker bald den klassischen Fahrradcomputer ersetzen? Manche Fahrrad-Experten sind davon überzeugt. Wirtschaftlich betrachtet hat der Fahrradhandel mit GPS-Technik jedoch häufig wenig Vergnügen.
Wenn nicht, braucht er keine Beratung. Wenn ja, kauft er.« Larschow hat langjährige Erfahrung mit GPS, schon vor zehn Jahren hat er in Zusammenhang mit einem Verleihrad-Service GPS-Touren angeboten. Damals bekam er für das Konzept einer Kombi von Fahrradverleih und GPS-Touren den Innovationspreis des Tourismusmarketing Niedersachsen. »Aber es brachte nicht den erwünschten Erfolg: Die Zeit war einfach noch nicht so weit.« Heute führt Rad und Tour Garmin- und Bryton-Geräte. »Dass der Markt breiter wird, ist gut«, bestätigt Larschow, »denn die Beratung für GPS im Tourenbereich wird immer schwieriger und aufwendiger, je genauere Vorstellungen die Radler davon haben, wie ihre Tour aussehen soll. Dazu kommt: Eine wirklich perfekte Routing-Funktion wird es auch in Zukunft niemals geben. Das hängt schon damit zusammen, dass die Tourenfahrer diesen oder jenen Untergrund bevorzugen, ebene, leicht hügelige oder bergige Strecken. Beim GPS-Bedarf für den Sportler ist das zum Glück anders.« Beim Rennradler etwa stehen die eigentlichen GPS-Funktionen im Hintergrund, hier zählen mehr die Aufzeichnung und Kontrollfunktion der körperlichen Leistung, und diese Funktionen sind wesentlich weniger erklärungsbedürftig. »Die typischen Sportradler werden bald keinen Tacho mehr, sondern ein GPS-Trainingsgerät haben«, prognostiziert Larschow sogar.
Kompetenz spricht sich rum
Mit mehr Service im klassischen GPS-Sektor erreicht man bei Das Rad in Dortmund starke Kundenbindung und lohnenswerte Ergebnisse im GPS-Bereich. »Bei uns macht jeder Kunde, der ein Navi kauft, zwei eineinhalbstündige GPS-Kurse – mit Powerpoint-Präsentationen und allem Drum und Dran«, erklärt Geschäftsführer Peter Pecht, »anders laufen die Geräte nicht, keine Chance.« Was das Angebot angeht, ist man bei Das Rad den umgekehrten Weg gegangen: Nach anfänglicher breiterer Auswahl verkauft Pecht heute nur noch Garmin. Er schwört auf die längste Erfahrung der Firma in der Branche, und schätzt es, dass die Geräte auch mit Openstreetmap-Karten laufen – »auch wenn die Fachhandelstreue der Firma leider nicht so stark ist«, gibt Pecht zu. Der Kunde zahlt den Listenpreis für das Gerät und bekommt speziell für ihn aufbereitetes Kartenmaterial dazu. Gut hundert Touren-Navis finden so pro Saison den Weg zum Kunden. »Beim Rennrad-Trainingsnavi kommen wir dagegen vielleicht auf etwa zehn Stück«, relativiert er gleichzeitig.
Viel bessere Kunden – und darauf setzt man auch in Zukunft – sind E-Biker, die ja ohnehin bereit sind, mehr für ein Rad ausgeben.
Es funktioniert also durchaus – »wenn man einen kompetenten Kollegen hat, der diese erklärungsbedürftige Materie gut rüberbringen kann«, freut sich der Geschäftsführer. Solch umfangreiche Beratung honorieren die Kunden; sie kommen nach Aussage von Pecht aus einem Umkreis von bis zu hundert Kilometern in seinen Laden nach Dortmund.
Links und Rechts der Route
Manchmal braucht es den Blick über den Tellerrand des Bike-Business, um zu sehen, welches Potenzial in einem Thema schlummert: Beim großen Outdoor-Anbieter Globetrotter in Köln – der auch in Sachen Fahrradzubehör und -teile groß auftritt – ist dem Navi fürs Bike eine Abteilung mit zwei Spezialisten gewidmet. Auch hier laufen vor allem die üblichen Verdächtigen: Garmin und Falk. Globetrotter-GPS-Spezialist Thomas Schwinges warnt entsprechend vor allzu viel Angebotsbreite: »Gerade bei den Newcomern sind immer wieder Geräte dabei, die eigentlich nicht marktreif sind. Außerdem ist gelegentlich auch das nicht verfügbare Kartenmaterial ein Problem.« Schwinges hat es hauptsächlich mit zwei GPS-Käufertypen zu tun: Dem GPS-Freund, der sich auch einarbeitet und eine große Bandbreite von Möglichkeiten abdecken will – »die meisten suchen bei uns ohnehin Geräte, die fahrrad- und wandertauglich sind« – und dem Radler oder E-Biker, oft Generation 50 plus. »Der will nicht lang am Rechner sitzen und sich einarbeiten, der will einfach schöne Touren nachfahren«, weiß Schwinges. »Den stört dann auch nicht, dass für die Falk-Geräte die Kartenlage eingeschränkt ist, dafür hat er ein einfach zu handhabendes Gerät. Dabei haben auch die meisten über 30-Jährigen Angst vor der Technik, auch wenn sie es nicht zugeben.« Hier braucht es quasi Anti-Komplexitäts-Beratung, denn kein Feierabendtourer braucht ein Gerät mit so maximal möglichen Funktionen und entsprechend komplizierter Bedienung.
Der Outdoor-Riese hat aktives Bewerben der Geräte nicht nötig: »Die Leute kommen doch, weil Sie wissen, dass wir das haben. Im Internet bietet der Outdoor-Spezialist zahlreiche GPS-Kurse und auch -Touren für Einsteiger und Fortgeschrittene an.
Doch so schön sich das alles auch anhört: Globetrotter ist ein national bekannter Outdoor-Ausrüster, kein Fahrradfachhändler. Weder das Angebot noch das Konzept – zum Beispiel Verzicht auf aktive Bewerbung des Verkäufers für GPS – dürfte einfach auf den Radhandel umzumünzen sein.
Quo vadis, Navi?
Was bleibt also? Was die neue Angebotsbreite auf dem Markt betrifft, ist sie zumindest derzeit kein Allheilmittel, um mehr Kunden für das Navi zu begeistern. In erster Linie bestimmt immer noch die Ausrichtung der jeweiligen Klientel des Fachgeschäfts, welche Geräte überhaupt sinnvoll angeboten werden können.
Und zweitens gilt: Es muss einen Mitarbeiter geben, der für das Thema GPS brennt, damit auf mittlere oder lange Sicht damit Gewinn gemacht werden kann. Vielleicht wird die Durststrecke aber dank E-Bike-Boom jedoch deutlich kürzer.
Allerdings sollte man nicht unter den Lenker fallen lassen: GPS-Wissen und intensive Betreuung kann ein ungemein starkes Mittel zur Kundenbindung sein – es lebe der Synergie-Effekt!
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