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Der österreichische Fahrradmarkt kennt aktuell nur eine Richtung: nach oben.
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Markt - Österreich

Bergfahrt mit E-Unterstützung

Mit dem österreichischen Fahrradmarkt geht es bergauf. Die absoluten Verkaufszahlen steigen wieder an – und dabei gewinnt das Elektrofahrrad immer stärker an Bedeutung. Eine Entwicklung, die auch in der Handelslandschaft in der Alpenrepublik Spuren hinterlässt.

Der österreichische Fahrradmarkt kennt aktuell nur eine Richtung: nach oben.Das E-MTB ist auf dem Vormarsch und verdrängt dabei immer mehr die geländegängigen Räder ohne Elektro-Antrieb.

In Österreich ist Radfahren in. Etwa die Hälfte aller Österreicher fährt aktiv Fahrrad. Damit belegt Radfahren im Ranking der beliebtesten Sportarten in der Alpenrepublik den dritten Platz hinter Schwimmen und Wandern. Das hat zumindest die Intersport Österreich in ihrem Sportreport 2017 herausgefunden, der ein weiteres interessantes Ergebnis zu Tage förderte: Mehr als 600.00 Österreicher wollen in naher Zukunft ein E-Bike kaufen. Ein spannender Markt also für die Fahrradbranche in Österreich, die auf ein erfolgreiches Jahr 2017 zurückblicken kann.
Dies lässt sich auch aus der Statistik des VSSÖ (Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs) herauslesen. Österreich blickt auf ein Jahr 2017 zurück, das dem Fahrradmarkt einen Rekordabsatz von 414.000 Fahrrädern bescherte. So viel wie seit 2010 nicht mehr, als in der Alpenrepublik sogar 440.000 Räder verkauft wurden. Zwischenzeitlich pendelten sich die Verkaufszahlen knapp unter der magischen Grenze von 400.000 Stück ein. Die prozentuale Steigerung des Gesamtmarktes von 2016 auf 2017 beträgt etwa 4,5 Prozent. Ein Wachstumsmotor dabei sind Pedelecs: von 2016 auf 2017 sind die Verkäufe hier von etwa 86.500 auf 120.000 Stück stark gestiegen. Damit machten die antriebsunterstützten Fahrräder 2017 mit 29,1 Prozent fast ein Drittel des Gesamtmarktes aus. Zum Vergleich: In Deutschland hatte im vergangenen Jahr jedes fünfte verkaufte Fahrrad einen E-Motor. In der Liste der Länder mit den meisten verkauften E-Bikes (gemessen an der Einwohnerzahl) rangierte Österreich bereits im Jahr 2015 noch vor der Schweiz und Deutschland auf Platz drei. Besser waren nur die Belgier auf dem zweiten Platz und das Fahrradland Holland an der Spitze.

Marktanteile verschieben sich

Gerade im sportlichen Bereich konnten Pedelecs in Österreich punkten. Der Marktanteil von E-Mountainbikes kletterte im Jahr 2017 bereits auf starke 16,2 Prozent. »Durch die alpine Geographie, vor allem im Westen Österreichs (Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Steiermark) kann man die E-Mountainbikes gut gebrauchen«, stellt KTM-Chef Stefan Limbrunner fest. Dieser Aufstieg läuft jedoch nicht ohne Nebeneffekte ab. Das herkömmliche Mountainbike, einst der wichtigste Umsatzträger im österreichischen Fahrradmarkt, verliert mit einem Marktanteil von nur noch 26 Prozent an Bedeutung.
Im Gegensatz dazu konnten andere Segmente ihre Marktposition durchaus verteidigen. So ist etwa der Anteil der Kinder- und Jugendräder am Gesamtmarkt nach einem leichten Aufschwung mit 12,6 Prozent im Jahr 2016 relativ stabil geblieben: ähnlich wie in 2015 (11,7 Prozent) lag der Anteil 2017 bei 11,1 Prozent. Das Segment der Trekkingbikes konnte seinen Marktanteil im Vergleich zu 11,8 Prozent 2015 im Jahr 2017 sogar auf 14,3 Prozent steigern. Verlierer sind hingegen Crossbikes (10,9 Prozent auf 7,9 Prozent) und Rennräder (3,6 Prozent auf 2,3 Prozent). Auch der Anteil der verkauften Citybikes hat im Vergleich zu 2015 stark abgenommen: von 7,1 Prozent auf 5,5 Prozent.
Wolfgang Haberstock, Sprecher des Branchenverbands ARGE Fahrrad, zieht dennoch generell eine positive Bilanz für 2017 und nennt dabei unterschiedliche Gründe, die für das Fahrrad sprechen: »Mobilität, Lifestyle, Gesundheit, Sport, Ökologie – in allen Bereichen ist das Fahrrad aktuell sehr beliebt. Dabei ist das E-Bike in den verschiedenen Facetten das herausstechende Segment. Aber auch hier sind die Beweggründe sehr unterschiedlich. Für die einen ist es die smarte Lösung den stressigen Berufsverkehr zu umgehen, für die anderen ist es die Möglichkeit sich zu bewegen, die Natur zu genießen, Urlaub mit dem Fahrrad zu machen oder in den Bergen mit dem E-MTB Spaß zu haben.«

Österreichische Fahrradindustrie setzt auf das E-Bike

Entsprechend positiv gestimmt ist Stefan Limbrunner, Geschäftsführer vom größten österreichischen Fahrradhersteller KTM, was das laufende Jahr 2018 anbelangt: »Die Zahlen haben sich gut entwickelt.« Der Fokus liege dabei im E-Bike-Bereich, ergänzt er: »Die Vororder bei uns wird von den E-Bikes dominiert. Erst wenn die E-Bikes vorgeordert sind, im August/September, ziehen wir die anderen Segmente nach.« Allerdings hat Limbrunner auch die Kehrseite mit den besonderen Herausforderungen des E-Bike-Booms im Blick: »Es ist eine Steigerung der Kapitalbindung für Händler und Hersteller. Was die Liquiditätspläne angeht, müssen alle Branchenteilnehmer ein Stückweit kaufmännischer denken: Cashflow, Kapitalbindung, Lagerhaltung sind relevante Themen.«
»Auch für Simplon ist die Entwicklung in der Saison 2018 sehr positiv und spiegelt die Nachfrage am Markt wieder. So können wir heute schon mit der Saison zufrieden sein,« resümiert Wolfgang Haberstock, der neben seiner Funktion als Sprecher der ARGE Fahrrad auch Vertriebsleiter bei Simplon ist. Ähnlich wie bei KTM zeichnet sich auch bei Simplon der Trend zum E-Bike ab: »Auch hier spiegelt sich die Nachfrage am Markt wieder, E-Bikes (Trekking und MTB) haben inzwischen einen Anteil größer 50 Prozent von der Gesamtmenge und sind damit auch bei uns der entscheidende Wachstumsfaktor.« Er ergänzt: »Wir freuen uns jedoch auch, dass wir noch sehr erfolgreiche Modelle im Rennrad-, Mountainbike- und Trekkingbereich haben, die im Markt für Aufsehen sorgen.«
Auch die Geschäfte von Thalinger Lange laufen dank der E-Bike-Welle gut: »Wir als Shimano-Importeur profitieren vom E-Bike-Boom: wir verkaufen mehr Verschleißteile (Zahnkränze, Ketten, Brake Pads und ähnliches). Und zusätzlich zu unserem Merchandising-Konzept haben wir hochwertige Marken wie etwa Conti, Schwalbe und Tacx, Lezyne, SQLab im Zubehörbereich im Programm, die wir im Fachhandel verkaufen«, lässt Geschäftsführer Hans-Jürgen Schoder wissen. Weiterhin bringe der Trend des Bikefittings Auftrieb, da sich das Fahrrad mit den entsprechenden Komponenten individualisieren lasse.

Fahrradfachhandel - ein Gewinner

Anders als in Deutschland spielt in Österreich auch der Sportfachhandel beim Verkauf von Fahrrädern eine große Rolle. Doch es gibt Veränderungen: Der spezialisierte Fahrradfachhandel gewinnt immer mehr an Bedeutung. Beide Vertriebskanäle konnten aufgrund steigendem E-Bike-Absatz ihre durchschnittlichen Verkaufspreise in den vergangenen Jahren deutlich steigern. Lag dieser im Jahr 2015 (Sportfachhandel und Fahrradfachhandel gemeinsam betrachtet) noch bei 780 Euro, so betrug er 2017 schon 1054 Euro. Speziell der Fahrradfachhandel verzeichnete ein deutliches Plus: der durchschnittliche Verkaufspreis stieg hier von 1050 Euro im Jahr 2015 auf 1355 Euro im vergangenen Jahr. Anhand dieser Zahlen lässt sich auch eine positive Entwicklung für den Fahrradfachhandel ableiten: Aufgrund der Komplexität der neuen Fahrräder vertrauen immer mehr Konsumenten der Beratung durch einen Fachhändler und kaufen ihr Sportgerät vermehrt dort. »Österreich ist ein Qualitätsmarkt, es werden hauptsächlich hochwertige Modelle verkauft. Das merkt man schon beim Kinderrad, da kauft die ganze Familie mit. Das zeigt sich ebenso beim Rennrad und dem Mountainbike. Im Marken- und Qualitätsradsegment tun sich aggressive Discounter, etwa aus England, schwer, Fuß zu fassen,« erklärt Stefan Limbrunner. Die österreichischen Verbraucher legen immer mehr Wert auf kompetente Beratung und Erklärung von Experten. »Auf Handelsseite gibt es dahingehend eine Veränderung, dass sich Händler spezialisieren. E-Bikes fordern viel Technik auch in den Werkstätten, so dass das Angebot an konventionellen Rädern im Handel weniger wird, einige Händler aber genau dieses Angebot stärken und damit größere Regionen abdecken,« fasst Haberstock die Entwicklungen im Fahrradfachhandel zusammen.
Hans-Jürgen Schoder, Geschäftsführer des Distributors Thalinger Lange, nennt neben dem E-Bike-Boom einen zweiten Grund für die Verlagerung vom Sport- zum Fahrradfachhandel. Er bezeichnet dieses Phänomen als den »Eybl-Effekt«. Hintergrund: Mit der Übernahme der Sport Eybl/Sport Experts-Gruppe durch die Sports Direct Gruppe aus Großbritannien 2013 hat sich deren Strategie geändert. »Eybl war die Fachhandelsschiene des Sporthandels. Mit der Übernahme ist Potential frei geworden, nämlich das der Beratungskunden. Die Eybl-Kunden sind überwiegend zum Fachhandel abgewandert,« erklärt Schoder. »Der Fahrradfachhandel ist im Vormarsch, er hat an Markanteil gewonnen. 2012, vor der Übernahme von Sport Eybl, war das noch umgekehrt: Der Fachhandelsanteil beim Bikemarkt lag bei circa 30 Prozent, der Sporthandel machte circa 60 Prozent (mit den wichtigsten Marktteilnehmern Intersport, Sport Eybl/ Sport Experts Gruppe, Hervis, S2000, Giga Sport) aus. Aktuell überwiegt der Anteil des Fahrradfachhandels mit circa 45 Prozent gegenüber dem Sporthandel mit nur noch circa 40 Prozent«. Doch der Markt bleibt weiter umkämpft. Schoder:, »Es drängen neue Player in den Markt, zum Beispiel die XXL-Sports Gruppe aus Norwegen. Die Sportkette eröffnet in diesem Jahr den vierten Shop in Graz und hat den Anspruch in etwa fünf Jahren der Marktführer in Austria im Sportfachhandel zu sein. Auch Decathlon drängt in den Markt.«

Potenziale in den Städten

Radfahren liegt in Österreich im Trend. Und es gibt noch viel Potential, insbesondere was das Fahrrad als Transportmittel im Alltag anbelangt. Städte und Gemeinden unternehmen vielfach Anstrengungen, um ihre Verkehrsinfrastruktur fahrradfreundlicher zu gestalten. So hat beispielsweise Wien sein Radverkehrsnetz seit den 1990-er Jahren von 190 Kilometer auf 1379 Kilometer (Stand Dezember 2017) vergrößert. Im Jahr 2017 lag der Anteil der mit dem Rad zurückgelegten Wege in Wien, wie schon im Vorjahr bei sieben Prozent. Unter der Homepage www.fahrradwien.at der Mobilitätsagentur Wien findet man hilfreiche Informationen zum Radeln in der Landeshauptstadt sowie einen Routenplaner durch den Großstadtdschungel für Radfahrer. »Wien hat sich das Ziel gesteckt, dass im Jahr 2025 zumindest 80 Prozent der Wege der Wienerinnen und Wiener im öffentlichen Verkehr, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Derzeit halten wir bei 73 Prozent. Dieses, für die Lebensqualität in der Stadt so wichtige Ziel, wird sich nur sinnvoll erreichen lassen, wenn das Fahrrad für mehr Leute als bisher eine Option ist,« fasst der Radverkehrsbeauftragte Martin Blum die Situation in Wien zusammen.
Da die Städte in Österreich damit zu kämpfen haben, die Verkehrsflut zu bewältigen, suchen sie nach entsprechenden Lösungen. Ein Beispiel dafür sind E-Cargobikes, mit denen das elektrifizierte Radfahren auch in den Städten Einzug hält. »Nach den Elektro-Bikes sind Transportfahrräder das neue große Ding auf dem Fahrradsektor«, schätzt Markus Gansterer, Experte für Verkehrspolitik beim VCÖ. In der Tat hat sich die Anzahl der verkauften Transport- und Lastenräder laut Erhebungen des VSSÖ von nur 3900 Stück im Jahr 2015 auf 15.732 im Jahr 2017 fast verfünffacht. Diese werden sowohl in privaten Haushalten als auch in Gewerbebetrieben genutzt, häufig auch staatlich gefördert. Wolfgang Haberstock sieht hier die Unterstützung durch einen Elektroantrieb als wesentlichen Zukunftstreiber: »Das Cargo Bike ist aktuell eher am Anfang seiner Entwicklung. Ohne E-Unterstützung war das Potential sehr gering. Mit Motor können die höheren Gewichte und Zuladungen bewegt werden.« Weiterhin sieht Haberstock die Politik in der Pflicht, eine passende Infrastruktur zu schaffen: »Cargo für den Privatbereich aber auch für Zustellungen auf der letzten Meile wird sich in Zukunft stark entwickeln. Dafür benötigt es aber auch mehr und mehr die Entwicklung einer fahrradfreundlichen Infrastruktur, damit der höhere Radverkehr auch in Städten nicht zu Konflikten im Gesamtverkehr führt.«
Insgesamt zeigt sich der Österreicher zufrieden mit der Radinfrastruktur in seinem Land: Während 48 Prozent der Österreicher eher zufrieden sind, bezeichnen sich 32 Prozent sogar als sehr zufrieden. Dagegen protestieren nur 4 Prozent, dass sie überhaupt nicht zufrieden seien. Grund dafür ist hauptsächlich, dass das Queren von Hauptstraßen zu gefährlich sei. An zweiter Stelle der Beschwerdeskala steht, dass die Länge des Radnetzes ungenügend sei. Weiterhin bemängeln 73 Prozent, dass die Autofahrenden zu wenig Rücksicht nehmen. Das schlechte »Radfahr-Klima«, also die geringe Wertschätzung der Radfahrenden, gaben 69 Prozent als Kritikpunkt an.
Trotz aller Kritik steigt die Zahl der Radfahrer in Österreich, was man auch an den Absatzzahlen der Fahrradindustrie sieht. Wolfgang Haberstock, der Sprecher der ARGE Fahrrad, gibt deshalb einen positiven Ausblick auf die Zukunft: »Der Fahrradmarkt in Österreich entwickelt sich weiterhin sehr gut. Die Absätze in 2017 sind wieder markant gestiegen, die Entwicklung in 2018 ist dabei nach aktuellen Erkenntnissen noch stärker. Wir schätzen, dass die sehr guten Zahlen von 2017 nochmals stark übertroffen werden.«

2. Juli 2018 von Nadine Elbert
Velobiz Plus
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