Wie geht es weiter?
Conti-Rückzug hinterlässt einige Spuren in der Branche
Es sind unruhige Zeiten für einen Automobilzulieferer wie Continental-CEO Dr. Degenhart im Quartalsbericht zitiert wird: „Die aktuelle Situation verlangt von uns, unsere Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft zu erhöhen. Mit unserem weltweiten Strukturprogramm ‚Transformation 2019 – 2029‘ ergreifen wir dafür konsequent die erforderlichen Maßnahmen“. Der Technologie-Konzern weist einen Quartalsumsatz von 11,1 Mrd. EUR und ein bereinigtes operatives Ergebnis von 615 Mio. EUR aus, was sich zunächst gar nicht so schlecht anhört. Trotzdem stellt man sich auf raue Zeiten in der Automobilbranche ein. Sonderabschreibungen und Rückstellungen werden gebildet, was das Nettoergebnis im dritten Quartal ins Minus drückte. Strukturelle Veränderungen werden eingeläutet. Der Ausstieg aus dem E-Bike-Business spielt da wohl nicht die große Rolle. Im Geschäftsbericht wird er zumindest mit keiner Silbe erwähnt. Das verwundert angesichts von Umsatzgrößen von jährlich rund 45 Mrd. EUR konzernweit und einer Mitarbeiterzahl von über 240.000 weltweit auch nicht unbedingt.
Trotzdem werden rund 100 Mitarbeiter von der Schließung des Geschäftsfeldes betroffen sein, wie Conti-Sprecherin Antje Lewe gegenüber velobiz.de berichtet. Jedoch würden hier Anstrengungen unternommen, um diese Mitarbeiter in anderen Konzernbereichen weiter zu beschäftigen, kündigte Lewe an.
Wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend
Ein Blick zurück: Auf der Eurobike 2013 hatte sich Continental zusammen mit Benchmark Drives, einem Unternehmen das später von Continental übernommen wurde, erstmals als E-Bike-Ausrüster präsentiert (velobiz.de berichtete) . Damals wurde als Ziel ein zweistelliger Marktanteil bei E-Bikes ausgegeben. Dieses Ziel wurde freilich nicht annähernd erreicht. Vier Jahre später wurde mit der Vorstellung eines ersten 48-Volt-Antriebs für E-Bikes samt integriertem automatischen und stufenlosen Getriebe ein neues Kapitel aufgeschlagen. Conti zeigte damit eine Technologie, mit der man sich vom Wettbewerb abheben konnte. Cycle Union mit der Marke e-bike manufaktur und auch Newcomer Technibike setzten gleich zu Beginn für das Modelljahr 2018 auf diesen neuen Antrieb. Als dann in diesem Sommer Derby Cycle mit seiner starken E-Bike-Marke Kalkhoff zur Überraschung vieler Branchenkenner verkündete, stark auf einen Continental-Antrieb zu setzen, schien eine deutlich stärkere Markpositionierung des Conti-Antriebssystems möglich, nicht zuletzt weil Derby-Cycle bei der Weiterentwicklung des Systems für das Modelljahr 2020 mitmischte und ein starkes Statement mit einer stimmigen Positionierung neuer Kalkhoff-Modelle mit Conti-Antrieb im eigenen Portfolio abgab (velobiz.de berichtete) . Die Entscheidung, sich vom eigenen Impulse-System zu verabschieden und als wichtige Motorenvariante bei Kalkhoff auf Continental zu setzen, war sicherlich wohlüberlegt. Doch jetzt ist alles anders gekommen.
Gleichwohl ist man bei Derby Cycle nach wie vor von den Qualitäten des Motors, wie er sich nach der Überarbeitung und Neukonfiguration präsentierte, überzeugt. „Wir stehen nach wie vor zu diesem Motor“, bekräftigt Derby-Cycle-Sprecher Arne Sudhoff im Gespräch mit velobiz.de. „Das Feedback des Fachhandels bei den Präsentationen u.a. in Ulm war hervorragend und die Räder für das Modelljahr 2020 werden aktuell produziert“. Die Räder seien attraktiv kalkuliert und der Motor leistungsstark, sodass sich diese Modelle mit Sicherheit gut verkaufen lassen werden, so Sudhoff. Und auch die anschließende Betreuung der Kunden in Servicefragen sei gewährleistet, bekräftig der Derby-Cycle-Sprecher. Gespannt darf man sein, was sich die Produktmanager für das Modelljahr 2021 für die Marke Kalkhoff überlegen. Wer die Planungszyklen in der Fahrradbranche kennt, kann sich leicht ausmalen, dass dies in Cloppenburg für die eine oder andere schlaflose Nacht sorgen könnte.
Neuer Partner gesucht
Auch bei Technibike bedauert man den Conti-Rückzug. PR-Managerin Sabrina Heinrichs erklärt: „Mit dem Rückzug Contis verliert der Markt nun einen Teilnehmer mit großen Zukunftsaussichten und einem leistungsorientierten Produktportfolio, was sehr bedauerlich ist. TechniBike hat sich zu Beginn aktiv für Continental entschieden, da die produktspezifischen Features der 36V und 48V Motoren hervorragend mit einer neuen und jungen Marke wie TechniBike zusammengepasst haben. Gerade die Absetzung vom ‚Durchschnitt‘ innerhalb des Marktes war sehr interessant und die Performance der Conti-Motoren überdurchschnittlich.“ Für das Modelljahr 2020 sieht sich Technibike gerüstet. Man habe sich für die aktuell verkäuflichen Modelle ausreichend Sätze gesichert. Und auf die Zukunft gerichtet: „Wir werden im Rahmen der Neuproduktspezifikation auf einen neuen verlässlichen und zukunftsorientierten Partner setzen.“
Von Cycle-Union liegt auf Anfrage von velobiz.de noch kein offizielles Statement vor. Jedoch wurde bei der Vorstellung für das Modelljahr 2020 in Oldenburg in diesem Sommer bereits deutlich sichtbar, dass Cycle Union zwar weiterhin Conti-Modelle im Programm führt, aber ein weitaus größerer Teil der Kollektion der e-bike-manufaktur bereits mit Bosch-Motoren ausgerüstet werden. Insofern wurden hier schon früher die Weichen in eine andere Richtung gestellt.
Bis 2022 will Continental, wie berichtet, ein Service-Team bestehen lassen, um „um die gesetzlichen Garantie- und Gewährleistungsansprüche auf bereits ausgelieferte sowie alle aus vertraglichen Verpflichtungen heraus noch zu liefernde 48V Revolution, 48V Prime und 36V Antriebseinheiten bzw. deren Ersatzteilversorgung zu gewährleisten“. Für die Zeit danach könnte es jedenfalls im Einzelfall sicherlich problematisch werden. Doch diese Befürchtung entkräftet Derby Cycle zumindest für seine Kunden. Aus Cloppenburg heißt es dazu: "Für alle Continental E-Bikes gilt dabei die gesetzliche Garantie von 2 Jahren nach dem Kauf. Continental wird bis Ende 2021 den kompletten Service für die E-Bike-Systeme übernehmen. Ab 2022 übernimmt Derby Cycle Garantie- und Gewährleistungsansprüche und liefert Ersatzteile für die kommenden Jahre."
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