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Kolumne - Marius Graber

Der gute Fahrradhändler …

… konnte den Kunden den Unterschied zwischen Shimano XT und Shimano Deore glaubhaft erklären. Und warum sich der Kunde einen Sigma Tacho und nicht jenen von VDO kaufen sollte oder umgekehrt. Das war wichtig in den Achtzigern.

Wir fuhren nach Köln auf die Ifma, später nach Friedrichshafen und waren – zurück im Laden mit einem Riesenstapel Prospekte – der Fahrradkönig im Ort. Wir reisten zu Seminaren und lernten die idealen Tretlagerhöhen (270 mm für Stadtvelo, was leider in der Branche vergessen ging) und Gabelvorbiegungen auswendig, um dann mit tadelndem Blick vor dem armen Außendienstmitarbeiter mit dem Finger über die Geometrietabelle zu fahren.

Später ging der gute Radhändler unverkrampft an Elektrovelos ran und ließ die Schelte seiner Mountainbike-Stammkunden ob des ersten E-MTB im Showroom tapfer über sich ergehen. Oder vielleicht hielt der wirklich gute Fahrradhändler damals noch die Füße still, bis das E-Bike-Zeugs richtig funktionierte (danke Panasonic, danke Bosch) und die Kundenempörung über die »Atomstrom-Mopeds« sich gelegt hatte, um dann im Turbomodus ins E-Business einzusteigen. Zwischenzeitlich galt es, der süßen Verführung der Mono-Marken-Stores zu widerstehen und zielsicher den Weg zwischen all den Verkaufsdisplays, welche die Lieferanten in den Laden stellten, zu bahnen.

Der gute Radhändler schaffte locker den Sprung von »Verkaufen 1.0« (der Händler ist der Velokönig im Ort) zu »Verkaufen 2.0« (der Kunde weiß dank Internet plötzlich mehr).

Der gute Radhändler schaffte locker den Sprung von »Verkaufen 1.0« (der Händler ist der Velokönig im Ort) zu »Verkaufen 2.0« (der Kunde weiß dank Internet plötzlich mehr). Er ertrug den Thronfall in Würde und machte sich daran, das böse Internet für sich zu nutzen. Um dann in der Folge im Staccato zu »Verkaufen 3.0« (Corona und Ware war noch da), »Verkaufen 3.1« (Corona und die Ware fehlte, kam später oder nie) und »Verkaufen 3.2« (Corona vorbei und zu viel Ware überall) zu hechten. Und während all dessen einiges in die Wege zu leiten, um künftig mit Services mehr Geld zu verdienen. Statt des Ritzelrechners beherrscht der gute Velohändler nun die Liquiditätsplanung, statt rare Veloteile beschafft er in Windeseile neues Kapital und zaubert Lagerfläche aus dem Ärmel. Unterdessen geht dem guten Fahrradhändler der Unterschied zwischen Leasing und Finanzierung leichter über die Lippen als jener zwischen Shimano »Cues U8000« und »Cues U6000«, verbaut seinen Bikes statt Tachos GPS-Sender und lässt dabei – ganz wie früher – seinen langjährigen Kompass nicht aus den Augen.

Marius Graber von Velociped in Kriens/Luzern ist seit über 35 Jahren Fahrradhändler in Luzern und schreibt seit 25 Jahren für Fachmagazine über Fahrradtechnik, Reisen und die Branche.

28. März 2024 von Marius Graber

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