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Business Navigator - Werkstattstundensätze

Der Wert der Stunde

Wenn man mit Arbeitswerten in der Werkstatt arbeiten (was heute der Standard ist, vergleiche auch velobiz.de-Magazin 10/2024), dann wird deren Wert auf der Basis der zugrundegelegten Stundensätze berechnet. Jeder abgerechnete Arbeitswert bringt bares Geld. Doch welchen Stundensatz kann und soll man ansetzen?

Es gibt zwei Wege, den eigenen Werkstattstundensatz zu ermitteln. Die etwas brachial anmutende Methode zielt darauf ab, herauszufinden, was der höchstmögliche Preis ist, den man am Markt für die eigene Werkstattleistung durchsetzen kann. Das geschieht, indem man die Stundensätze regelmäßig erhöht. Wenn irgendwann die Zahl der Werkstattaufträge spürbar zurückgeht, hört man auf. So hat man den Maximalpreis erreicht beziehungsweise ausgetestet, was der eigene Markt hergibt.
»Eigentlich ist das die bessere Methode«, ist Thorsten Larschow überzeugt, »aber man kann natürlich auch klassisch kalkulieren«. Dann gilt es, die verschiedenen relevanten Faktoren zu berücksichtigen. So muss man sich die Frage stellen, was den Betrieb die Arbeitsstunde kostet, also ganz einfach das Gehalt des jeweiligen Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin pro Stunde heranziehen. Der nächste Faktor ist die Effizienz, über die ausführlich in der letzten Ausgabe geschrieben wurde: Wie viel dieser Arbeitsstunde kann üblicherweise verkauft werden? Ein weiterer Zuschlag entsteht durch die Allgemeinkosten, wie etwa für das benötigte Werkzeug und all die weitere Einrichtung und noch einiges mehr.

Beispielrechnung

Deutlich wird die Kalkulation mit einer Beispielrechnung. Angenommen, die eigenen Werkstattmitarbeitenden bekämen 16 Euro pro Stunde als (Brutto-)Lohn. Dazu kommt noch der Arbeitgeberanteil über die Personalnebenkosten, womit die Stunde in diesem Beispiel rund 20 Euro kostet. Wenn nun im Betrieb klar ist, dass die Werkstatteffizienz bei 50 Prozent liegt, also die Hälfte der Zeit abgerechnet werden kann, muss der Wert verdoppelt werden. Um den Mitarbeiterlohn zu erwirtschaften, müssen also bereits 40 Euro angesetzt werden. Dann muss noch der Deckungsbeitrag für die weiteren Allgemeinkosten erzielt werden. Neben dem genannten Werkzeug sind die größeren Posten noch die Miete für die Werkstattfläche, Strom- und Heizkosten. Handwerkskammern, sonstige Gebühren, Versicherungen und all die anderen Dinge sollte man dabei auch noch berücksichtigen. Der größte Posten dabei dürfte zumeist die Miete sein, wobei dies natürlich sehr individuell ist. Wer seine Betriebsfläche im eigenen Besitz hat, kommt auf ganz andere Werte als jemand, der seine Werkstatt in einer teuren Innenstadtlage betreibt. Wer es genau wissen will, und das dürfte die angemessene Vorgehensweise sein, macht eine separate Kostenrechnung allein für den Werkstattbereich, also unabhängig vom Verkauf, und gewichtet nach jeweils genutzter Fläche. Der Betrieb muss also berechnen, wie viel der gesamten Kosten auf den Anteil Werkstatt durchschlagen. »Hier sind wir wieder an der Stelle, dass sich Fahrradhändler darüber klar sein müssen, dass sie einen Handwerksbetrieb und einen Handelsbetrieb führen«, auch an dieser Stelle brauche es diese Trennung, um eine echte Kostenkalkulation machen zu können.
Laut den Daten im Business Navigator schlagen diese Kosten mit zusätzlichen etwa 10 Prozent zu Buche, sodass man nun bereits bei etwa 43 Euro liegt. Zudem ist es ein durchaus legitimes Anliegen, in der Werkstatt einen Gewinn erzielen zu wollen. Werte zwischen 4 und 10 Prozent sind dabei gängig. Bei 10 Prozent kommt man gerundet auf 47 Euro. Dann hat man den Nettopreis errechnet, den man mindestens verlangen muss, um die Werkstatt wirtschaftlich betreiben zu können. Auf der Rechnung für die Kundschaft stünde dann bei dieser perfekt organisierten, reibungslos effizient laufenden und kostenoptimiert aufgestellten Werkstatt ein Wert von 56 Euro inklusive Umsatzsteuer als Werkstattstundensatz.

Individuelle Anpassungen sind notwendig

Man sollte sich als verantwortlicher Händler darüber klar sein, dass die eigenen Werte mitunter deutlich abweichen können. Andreas Lübeck weist deutlich darauf hin, dass in diesem Beispiel mit 50 Prozent Effizienz gerechnet wurde, »und 50 Prozent ist viel«. Diesen Wert erreichten nur die Werkstattspezialisten, die dafür hohen Aufwand betreiben. Werden den Werkstattmitarbeitenden höhere Löhne gezahlt, etwa, weil man in einer teuren Metropole angesiedelt ist und die Effizienz niedriger liegt, weil die Werkstatt noch viele andere Dienste etwa für den Verkauf leistet, die nicht abgerechnet werden, steigt der notwendige Werkstattstundensatz schnell an. Mit 20 Euro Bruttostundenlohn und 45 Prozent Werkstatteffizienz ergibt sich ein Musterwerkstattstundensatz von knapp 78 Euro. Zudem verdienen mindestens die Werkstattleiter oder die Meister in der Werkstatt mehr als die »einfachen« Zweiradmechatroniker. Am Ende ist es eine Mischkalkulation bei der alle Werkstattmitarbeiter einschließlich der Verwaltung für die Werkstatt mit einbezogen werden müssen. »Mit 16 Euro kommt man heute nicht mehr hin«, stellt auch Thorsten Larschow klar. Wichtig ist ihm der Hinweis, dass die berechneten 56 Euro meist eine Untergrenze darstellen. »Wir kommen schon mit dieser Rechnung auf bald 60 Euro, und das ist eine ganz knappe Kiste.«
Wenn man den ganz harten, absoluten Mindestwerkstattstundensatz berechnen wollte und dann vom Mindestlohn für die Werkstattbeschäftigten ausgeht (der 2025 in Deutschland bei 12,82 Euro liegen wird) und 4 Prozent Unternehmerlohn annimmt, bei gleichzeitig immer noch sehr hoher Effizienz von 50 Prozent, kommt man immer noch auf einen Wert von knapp 43 Euro als Mindestsatz. Allerdings weist Larschow darauf hin, dass in einer Fahrradwerkstatt heute praktisch nirgendwo Gehalt auf diesem Niveau gezahlt wird. Die einschlägigen, wenn auch nicht immer zuverlässigen, Gehaltsvergleichsseiten im Internet nennen Durchschnittswerte rund um die 3000 Euro im Monat, womit man auf Vollzeitbasis auf etwa 20 Euro Bruttostundenlohn kommt.
Ein wichtiger Grund für schlechte Effizienz sind jedwede Fehltage, sei es durch Fortbildungen oder Krankheiten, die aber natürlich zum Werkstattalltag dazugehören. Sie müssen natürlich ebenfalls in der Kalkulation der Werkstattstundensätze angemessen berücksichtigt werden. Ebenfalls noch nicht berücksichtigt sind eventuelle Zuschläge, die man verlangen kann, indem man sich als besonders gut arbeitende Werkstatt positioniert. Dies geschieht in der Regel über Zertifizierungen, die eine höhere Preisakzeptanz bei den Kundinnen und Kunden schaffen. Zusätzlich gibt es die Tendenz in den Werkstätten, mit mehreren Stundensätzen zu rechnen.

Herausforderung Fremdräder

Unterschieden wird etwa daran, ob ein Rad im eigenen Laden gekauft wurde oder aus anderen Quellen stammt. Die Begründung lautet dann, dass man zu den selbst verkauften Rädern auch bereits umfassend geschult ist und somit geringeren Aufwand hat als mit Fremdrädern. Wenn der Mechaniker womöglich noch schnell ein Schulungsvideo heraussuchen und nicht vorhandene Ersatzteile bestellen muss, statt durchreparieren zu können, bedeutet das Mehraufwand, den man sich natürlich bezahlen lassen kann, sollte und nüchtern betrachtet sogar muss. Ein Schlauchwechsel am Vorderrad mag überall weitgehend gleich sein, aber der Unternehmer oder die Unternehmerin muss natürlich mit Durchschnitten arbeiten und diese rechtfertigen die verschiedenen Stundensätze. Die Kommunikation der Stundensätze erfolgt sinnvollerweise umgekehrt: Alle zahlen den gleichen Stundensatz, aber die eigenen Kunden bekommen einen Rabatt. Das lässt sich übrigens auch dann kommunizieren, wenn man selbst Marke X führt und eine neue Kundin mit einem Rad von eben dieser Marke X in den Laden kommt, das sie aber woanders gekauft hat. Auch hier kann die Werkstatt vermitteln, dass man nicht weiß, ob sich die Montage mit den eigenen Standards deckt und somit den höheren Stundensatz ansetzen.
Der Umgang mit »Fremdrädern« ist schon seit Langem ein scharf diskutiertes Thema in der Branche. Das Ablehnen dieser Räder ist natürlich eine Option, aber nur bei den heillos überlasteten Werkstätten die bestmögliche Lösung. Für die anderen Betriebe gibt es kluge Ideen, wie man damit umgehen kann. Auf dem Markt gibt es auch Händler, die eine zusätzliche Gebühr oder Pauschale nehmen für Fremdräder, um den Mehraufwand abzubilden. Eine andere Option ist ein sogenanntes »Onboarding« des Rades, nach dem es dann zum eigenen Bestand gehört. Diese Onboarding-Pauschale kann auch Regionen von 250 Euro erreichen und lohnt sich dann vor allem für diejenigen Kundinnen und Kunden, die absehbar häufiger in die Werkstatt kommen werden.
Davon unberührt sind Fahrzeuge, die Technik verwenden, die im eigenen Betrieb nicht bekannt ist, beziehungsweise nicht gewartet werden kann. Ein unbekannter Motor, für den keine Diagnose-Tools und Werkzeuge vorhanden sind, bleibt dann trotzdem außen vor.
Im Business Navigator wird die Realität mit verschiedenen Stundensätzen auch abgebildet. Laut der vorhandenen Daten liegen die Bruttodurchschnittsstundensätze der dort abgebildeten Betriebe in einer Spanne zwischen 90 und 125 Euro für den höheren Stundensatz und zwischen 60 und 96 Euro für die Wartung selbst verkaufter Räder. Die Durchschnittswerte liegen dann bei 108 beziehungsweise 80 Euro. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Stundensätzen liegen zumeist zwischen 10 und 20 Prozent. Anders ausgedrückt: Die eigene Werkstattleistung mit bis zu 20 Prozent Rabatt anzubieten, ist ein zusätzliches Argument für die Kundschaft, auch das Fahrrad in diesem Laden zu kaufen.
Bei allen Stundensatzdiskussionen ist zu berücksichtigen, dass es in der Fahrradwelt beträchtliche Unterschiede gibt zwischen, Nord-, Ost-, West- und Süddeutschland. Auch zwischen Land und Stadt muss differenziert werden. Der VSF hat in seiner letzten Abfrage der Werkstattstundensätze vergangenen März einen bundesweiten Durchschnitt von 82 Euro ermittelt. Befragt wurden VSF- und Bico-Händler. Jeder Händler sollte seinen Stundensatz regelmäßig überprüfen, um zu sehen, ob er damit auskömmlich arbeiten und im lokalen Wettbewerb bestehen kann. //

13. Dezember 2024 von Daniel Hrkac

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