Marktzahlen - Branchenstudie
Der Wirtschaftsfaktor Fahrrad
Ein großes Thema, wenn es um die wirtschaftliche Bedeutung der Fahrradbranche geht, ist die Zahl der Arbeitsplätze, die sie schafft, erhält und die vom Fahrrad abhängen. In der letzten Studie zu diesem Thema von 2023 wurde die Zahl von über 325.000 Menschen genannt, die in der Fahrradwirtschaft beschäftigt sind. Sie setzte sich zusammen aus 63.000 Beschäftigten in Handel, Herstellung und Dienstleistungen und weiteren 263.000 Beschäftigten im Fahrradtourismus. Nun ist die Zahl deutlich höher, was durch eine tiefergehende Analyse und auch eine andere Methodik zustandekommt.
Mit dieser neuen Methodik zählt die Branchenstudie nun eine Beschäftigtenzahl von knapp 500.000 Menschen. Etwas über 200.000 davon werden durch die Branche gesichert. Das ist eine wesentliche Veränderung zum Vorjahr und unter anderem durch die Berücksichtigung von gering-fügig Beschäftigten zu erklären.
Neue Methodik für tiefe Einsichten
Deutlich anders ist auch die Kategorisierung der Beschäftigten. Unterschieden wird nun zwischen »direkter«, »indirekter« und »induzierter« Beschäftigung. Laut Wasislis von Rauch lasse sich so die wirtschaftliche Bedeutung der Fahrradwirtschaft noch besser aufzeigen. Doch dafür muss man sich zunächst klarmachen, wofür diese Bereiche stehen. Die Kurzversion: Direkt Beschäftigte sind all diejenigen, die im Fahrradhandel oder in der Fahrrad- und Teileherstellung arbeiten. »Indirekt ist das, was aus den Lieferungen und Leistungen der direkten Branche entsteht«, erklärt Wasilis von Rauch. Verständlich wird das an konkreten Bespielen: Unternehmen, die im Auftrag der Fahrradbranche Dienstleistungen erbringen, gehören in diese
Rubrik. Dazu gehören etwa die Fahrradpresse, Gutachter und zahlreiche andere Bereiche.
Induzierte Beschäftigung umfasst diejenigen, deren Beschäftigung durch die Konsumausgaben der direkt Beschäftigen gesichert wird. Diese Jobs sind also klar nicht mehr Fahrradbranche, hängen aber von ihr ab, da es sie ohne die Ausgaben der direkt Beschäftigen nicht gäbe.
Die Ausgaben der Radreisenden halten etwa 284.000 Menschen in Lohn und Brot, was übrigens ein deutlicher Zuwachs von fast 50 Prozent seit 2019 ist.
Der Tourismus ist hier noch nicht zugerechnet. Er ist weder indirekt noch induziert, sondern ein Wirtschaftsfaktor, der aus der Nutzung des Produkts entsteht. Mit über 280.000 ist er weiter der größte Posten bei den Beschäftigtenzahlen.
Konservative Grundannahmen
Bei alledem weist von Rauch darauf hin, dass die Studie keineswegs die Branche großrechnet, sondern im Gegenteil konservative Annahmen zugrunde gelegt hat. Logistiker und Versicherungen, Warenhändler wie Amazon oder Baumärkte, Aldi und Konsorten – sie alle werden nicht einmal anteilsmäßig berücksichtigt bei den Beschäftigtenzahlen, obwohl sie alle mehr oder weniger stark und eng mit dem Fahrrad arbeiten, wirtschaften, handeln. Nicht einmal der Sportfachhandel ist in diesen Zahlen enthalten, obwohl dort das Fahrrad schon häufig eine wichtige Rolle spielt.
Insgesamt stellt Wasilis von Rauch fest, dass die Beschäftigtenzahlen in den Kernbereichen trotz Krise gewachsen sind. »Der Fahrradfachhandel hat so einen enormen Personalbedarf, dass er auch in einem eher schwachen Jahr noch ihre Personaldecke ausbauen.« Dazu müsse man sagen, dass es auch in diesem »Krisenjahr 2023« ein Umsatzwachstum gibt, was vermutlich das ganze Konzept von Krise, wie es oft vermittelt wird, untergräbt. »Die Nachfrage im Fahrradbereich ist sehr stabil«.
50 Milliarden Euro Umsatz – das ist in etwa der Betrag, den die Fahrradwirtschaft laut Studie über all ihre Bereiche alljährlich erwirtschaftet. Damit ist sie etwa so groß wie die hiesige Papierindustrie, der neuntgrößte Industriezweig in Deutschland.
Das führt direkt zur wirtschaftlichen Bedeutung in Umsatzzahlen. Die Kernbereiche haben ihre Umsatzleistung seit 2019 ungefähr verdoppelt. Daran hat auch die jüngste Lagerbelastung nichts geändert. Knappe 30 Milliarden Euro brachte der harte Kern in die Umsatzwaagschale ein. Weitere 18 Milliarden trägt der Radtourismus bei.
Allerdings zeigt sich in der Aufschlüsselung, dass es innerhalb der Branche ziemliche Verwerfungen gibt. Kritisch war die Lage zuletzt für die Komponenten- und Zubehöranbieter. Ein Umsatzminus von über einem Drittel innerhalb eines Jahres warf dieses Segment auf das Niveau von 2019. Inflationsbereinigt sind diese Unternehmen sogar 15 Prozent unter dem Wert von damals. Abseits dieses Sorgenkindes hat nur die Herstellung ein leichtes Minus für 2023 zu verkraften. Der ganze Rest, sei es Handel, Großhandel, Dienstleistungen oder gar Leasing, verzeichnete in Summe auch 2023 ein Umsatzplus. Das größte Plus binnen eines Jahres verzeichnete der Bereich »Sharing/Abo/Gebrauchtradhandel b2c« mit über 20 Prozent Plus. Gemessen seit 2019 steht das Leasing-Segment ganz oben. Über 300 Prozent Wachstum auf nun weit über 3 Milliarden Euro sind die Fahrrad-Leasing-Gesellschaften die Gewinner der letzten Jahre.
Durch die veränderte Methodik ist diese Studie mit denen der Vorjahre nicht unmittelbar vergleichbar. Ihre Einsichten sind dennoch sehr bemerkenswert. Wie auch immer die Krise geartet ist, sie hat jedenfalls nichts damit zu tun, dass es in der Branche nicht genug Arbeit gäbe. Ihre wirtschaftliche Bedeutung ist nun noch deutlicher herausgearbeitet als bisher. Wer also in Zukunft noch eine Argumentationshilfe braucht, warum es sich lohnt, das Fahrrad zu fördern, kann mit dieser Studie anschaulich zeigen, was die Branche bereits leistet, und von dort aus ableiten, was sie noch leisten könnte. //
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