Editorial
Dicke Bretter
An der Grundschule, an der meine Kinder unterrichtet wurden, war beispielsweise die Fahrradprüfung Voraussetzung dafür, dass die
Kinder den Schulweg mit dem Fahrrad zurücklegen dürfen. Diese Fahrradprüfung wurde dann regelmäßig auf einen Termin kurz vor den Sommerferien der vierten Klasse gelegt, also wenige Tage vor dem Abgang von der Grundschule.
Als ich über diese Praxis mal im Elternkreis Kritik äußerte, erntete ich Unverständnis darüber, wieso ich die Kinder unnötig den Gefahren
des Radfahrens aussetzen wollte. Die miserable Fahrradinfrastruktur im Umfeld der Grundschule, die einer der Gründe für den tatsächlich
etwas gefährlichen (Fahrrad-)Schulweg ist, erregte hingegen kaum die Gemüter.
Solche Beispiele zeigen, dass diejenigen, die sich für mehr Radverkehr in Deutschland stark machen, noch einige sehr dicke Bretter bohren
müssen. Einen weiteren Beleg dafür findet man gegenwärtig überall auf den Straßen von München, wo die CSU den Radverkehr zum dominierenden
Thema auf ihren Plakaten im Wahlkampf um Stadrat und Bürgermeistersessel gemacht hat. Aber nicht etwa mit Aussagen
für eine Verkehrswende mit dem Fahrrad, sondern mit Parolen, die sich explizit gegen die jüngsten Maßnahmen der gegenwärtigen Stadtregierung für eine bessere Fahrradinfrastruktur richten. München solle »wieder München werden«, so der Slogan der CSU. Und da stören die Radfahrer offenbar.
Bizarrerweise wird die Anti-Fahrrad-Stimmung auch von Münchner Fahrradhändlern angeheizt, die gegenüber Tageszeitungen Kritik
üben, dass vor ihrer Ladentür Parkplätze in Radwege umgewandelt wurden. Verkehrte Welt.
Der Einsatz vieler anderer Marktteilnehmer für mehr Radverkehr wird jedoch nicht nachhaltig sein, wenn künftige Generationen nicht mehr lernen, dass das Fahrrad ein vollwertiges Verkehrsmittel ist. Insofern berühren wir mit dem Schwerpunkt-Thema dieser Ausgabe Kinder & Familien auch die Zukunft unserer Branche.
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