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Report - Wearables und Radsensoren

Die neue Art zu messen

War lange Zeit der Puls das einzige Mittel, um die Belastung auf dem Rad zu steuern, gibt es mittlerweile einen bunten Strauß an Gadgets, die verschiedene Leistungsparameter erfassen. Eines der jüngeren Beispiele: Sensoren, die am Körper angebracht werden, um dort Leistungsdaten zu sammeln. Doch sind sie so massenkompatibel, dass sie einen Platz im Ladenregal bekommen sollten?

Watt, Herzfrequenz, Laktat, Sauerstoffverbrauch der Muskulatur, Körperkerntemperatur, Energieverbrauch, Blutzuckerkurven, Pedalumdrehungen ... es gibt jede Menge Parameter, die eine Rolle dabei spielen, wie gut ein Athlet oder eine Athletin auf dem Rad performt und wie effektiv das Training wirkt.
Dank moderner Technik lassen sich all diese Parameter messen und protokollieren. Immer häufiger sogar, ohne dass dafür ein großer Zeitaufwand, allzu kompliziertes Equipment, ein Labor oder eine Blutabnahme notwendig sind. Während Powermeter und Radcomputer mittlerweile quasi zur Standard-Ausrüstung gehören, sobald die Radleidenschaft halbwegs sportlich-ambitioniert ausgelebt wird, hat sich in der jüngsten Zeit eine Nische gebildet, die zunehmend dichter und variantenreicher besetzt wird: die der Radsensoren.
Darunter versteht man, allgemein ausgedrückt, ein Hilfsmittel, das erkennt, wenn sich ein bestimmter Zustand verändert und darauf reagiert, zum Beispiel mit einem Warnton oder einem stummen Ausschlag nach oben oder unten in der Kurve des Leistungsprotokolls. Neben Modellen, die am Rad befestigt sind und Faktoren wie den Luftdruck am Rad (beispielsweise Airmax von Schwalbe) oder den Abstand zu Fahrzeugen (zum Beispiel Garmin Varia RTL511) messen, kommen vermehrt auch Sensoren auf den Markt und zum Einsatz, die Sportler oder Sportlerin am Körper tragen. Diese erfassen je nach Modell eine oder mehrere Körperfunktionen, zum Beispiel den Verlauf des Blutzuckerspiegels.

Eine Nische mit Potenzial

Schon 2018 prognostizierte das American College of Sports Medicine (ACSM) für einige solcher sogenannter Wearable Technologies, also tragbarer Technologien, Umsätze zwischen 1,5 und 2,5 Milliarden US-Dollar. Es konstatierte aber auch, es lasse »sich nicht abschätzen, wie sich Wearable Technology über die nächste Dekade hinweg entwickeln wird«. Schließlich
gibt es auf diesem Gebiet noch einige Unbekannte und teils berechtigte Kritik.

Unternehmen wie QUS arbeiten an Wearables, bei denen die Sensoren direkt in die Sportbekleidung integriert sind.

Dan Lorang, Head Coach des deutschen Profi-Rennstalls Bora-hansgrohe warnt beispielsweise vor einer unreflektierten Nutzung von Sensoren, die körperliche Parameter messen und auswerten: »Ich kann mit solchen Gadgets natürlich sehr, sehr viel messen, aber entscheidend ist die Aufbereitung der Daten und welche Rückschlüsse ich daraus ziehen kann. Und da ist immer die Frage, ob der Hobbysportler das Wissen oder die Zeit hat, sich damit zu beschäftigen oder er sich komplett auf die Ergebnisse verlässt, die die entsprechende Software ausgibt, ohne dabei zu hinterfragen, ob es sich dabei um eine Fehlmessung handelt, ob diese Ergebnisse überhaupt stimmen können. Dann wird es gefährlich, weil sich der Sinn solcher Sensoren, die Leistung zu optimieren, Überlastungen und Verletzungen zu vermeiden, dann schlimmstenfalls ins Gegenteil umkehren kann.«
Prinzipiell betrachtet er die Entwicklung auf dem Sensoren-Markt aber positiv: »Je mehr wir messen, desto besser können wir auch verstehen, wie der Körper funktioniert, welchen Einfluss die Belastung hat, welchen die Regeneration, das Training et cetera. Die Gadgets können jedem etwas bringen, wenn die Daten richtig aufbereitet und interpretiert werden«, ist er überzeugt. Was aber sollen die Wearable-Sensoren überhaupt messen können – und was bringt es wem?

Den Blutzucker im Blick behalten

Einer der bekanntesten Vertreter dieser Sensoren-Gattung ist der von Supersapiens. Er ist speziell auf die Blutzuckermessung im Sport ausgelegt, ist also nicht für den medizinischen Einsatz, beispielsweise bei einer Diabeteserkrankung, gedacht. Das System hat die UCI im Wettkampf zwar aktuell noch verboten, im Training nutzen es jedoch unter anderem das Profi-Radteam INEOS Grenadiers und die Frauenmannschaft Canyon/SRAM.
Ein Glukose-Sensor am Oberarm verfolgt die Entwicklung des Blutzuckerspiegels in Echtzeit, speichert sie in der dazugehörigen App und soll so unter anderem verhindern, dass Athletin oder Athlet in den Unterzucker geraten. Auch um herauszufinden, wie sich eine Banane vor dem Training im Gegensatz zu einem Porridge auf den Blutzucker auswirkt, welche Lebensmittel ihn wie schnell wie hoch klettern und vor allem auch wieder abfallen lassen sowie inwiefern das Gefühl »Mir geht die Energie aus« mit dem tatsächlichen Blutzuckerverlauf übereinstimmt, lässt sich ein solcher Blutzucker-Sensor einsetzen.

Blutzucker messen in Echtzeit? Entweder ist man Diabetiker oder im Leistungssport.

»Das hilft dabei, den Körper besser kennenzulernen, und kann ein Baustein dafür sein, um besser zu verstehen, was sich im Körper so abspielt«, sagt Rad-Coach Dan Lorang, schränkt aber auch ein: »Meiner Meinung nach braucht es einiges an Erfahrung, um einen solchen Sensor sinnvoll einzusetzen. Man kann ihn sicherlich als Hobbysportler einmal testen, idealerweise in Rücksprache mit einem Experten. Etwas, das jeder unbedingt braucht, ist er sicherlich nicht.«

Die Muskulatur monitoren

Wie gut die Muskulatur mit Sauerstoff versorgt ist, spielt eine entscheidende Rolle dabei, wie gut sie arbeitet. Bekommt sie zu wenig, sinkt die Leistung. Für den Sauerstofftransport zu den Muskeln über das Blut ist das Hämoglobin zuständig, der rote Blutfarbstoff. Je höher dessen Gehalt, desto mehr Sauerstoff bekommt die Muskulatur unter Belastung.
Der Moxy Monitor, ein kleines Kästchen, das am Körper angebracht wird, misst die Sauerstoffsättigung in Echtzeit, um – wie der Hersteller sagt – zur »Geheimwaffe für die Leistungsoptimierung im Ausdauersport zu werden«. Die gesammelten Daten werden an ein Endgerät (u. a. Garmin, Wahoo, Moxy-Portal-App) übertragen.
»Man kann da auf jeden Fall was rausziehen. Für mich ist so ein Sensor aber nichts, was alles andere ersetzt als einzige Datenquelle zur Intensitätssteuerung«, erläutert Dan Lorang. Er sieht diesen Sensor als sehr hilfreich für spezielle Situationen an, zum Beispiel, wenn man in der Höhe trainiert und die Sauerstoffaufnahme reduziert ist. »Der Moxy gibt relativ gut wieder, was sich gerade in der Muskulatur abspielt, ohne dass der Athlet wie bei der Laktatmessung stehen bleiben muss, um den Wert zu messen. Für mich ist er eher etwas für den Leistungssport.«

Die Körperkerntemperatur kontrollieren

Eine relativ junge Einsicht in der Trainingslehre ist die Bedeutung der Körperkerntemperatur, die mit entscheidet über die Leistungsfähigkeit. Klettert sie zu hoch, verringert das die Leistung, im schlechtesten Fall führt sie zu gesundheitlichen Schäden. Kein Wunder, dass Radteams wie Jumbo Visma mit Kühlwesten und Co. arbeiten.
Um die Körperkerntemperatur im Blick zu behalten, wird beim Core-Sensor zum Beispiel ein flaches Plastikgehäuse, in dem ein winziger Sensor steckt, mittels Brustgurt am Torso befestigt. Er lässt sich mit verschiedenen ANT+- und Bluetooth-Geräten wie Wahoo oder Garmin verbinden, die dann in Echtzeit die Körperkerntemperatur anzeigen und die Daten speichern.

Die Bedeutung der Körperkerntemperatur für die Leistungsfähigkeit ließ sich lange nicht richtig im Training berücksichtigen. Heute ist das per Echtzeitmessung möglich.

Unter anderem nutzt das von Dan Lorang trainierte Team Bora-hans­grohe den Sensor. Er sagt: »Man kann genau sehen, was im jeweiligen Moment passiert und wie der Körper auf Stress und Belastung reagiert.« Auch Triathlon-Coach Mario Schmidt-Wendling arbeitet mit dem Core-Sensor, vor allem auch mit Agegroupern, also Hobbytriathleten. Für diese ist die Unterstützung eines Experten oder einer Expertin sinnvoll, um die Daten richtig zu interpretieren, einzuordnen und die entsprechenden Rückschlüsse für sich daraus zu ziehen.

Allround-Auswertung

Eine Sensorvariante, die direkt ins Textil integriert ist, ist die QUS Textile Sensor Technology. Sie erfasst verschiedene Vitaldaten wie Herz- und Atemfrequenz, Herzratenvariabilität, Laktat oder auch Aufprall, Kraft und Beschleunigung. Die Daten gehen an eine App, die es für IOS und Android gibt. Gerade diese Integration in möglichst haltbare und optimierte Textilien soll ein besonders angenehmes Tragegefühl bei gleichzeitig hoher Mess­qualität bieten. Doch das österreichische Unternehmen ist gerade erst im Begriff, den Markt für sich zu erobern.
»Die Eier legende Wollmilchsau ist meiner Meinung nach ganz schwer zu haben«, urteilt Dan Lorang. Der Grund: Je genauer die Messung sein soll, desto mehr Sensorik ist nötig und umso teurer wird es. »Wenn man versucht, alles in ein System zu integrieren, muss man Kompromisse machen. Im Hobbybereich finde ich es aber durchaus einen spannenden Ansatz, alles in einem und damit einen Überblick über alle Parameter zu haben. Manchmal ist der Verlauf wichtiger als absolute Genauigkeit. Man darf die Daten dann aber nicht überinterpretieren, denn wenn die Messung mal falsch ist, sind gleich alle Parameter falsch – und ein Hobbysportler hat meist nicht die Möglichkeiten, das zu überprüfen.«

Künftig mit KI?

Das Potenzial von Sensoren, alle möglichen Körperparameter zu erfassen und darzustellen, ist gegeben und Hersteller werden dieses in den kommenden Jahren und Jahrzehnten sicherlich noch weiter ausschöpfen und verfeinern. Wichtig sind dabei vor allem bei Geräten für Hobbysportlerinnen und -sportler Auswertungsmethoden und -darstellungen, die evidenzbasiert, präzise und leicht zu verstehen sind, da sonst Übertraining und Verletzungen drohen. Das ist bisher nicht unbedingt immer der Fall, weshalb Händlerinnen und Händler sich mit dem jeweiligen Sensor beschäftigen müssen, wenn sie mit dem Gedanken spielen, ihn ins Sortiment zu nehmen. Um Interessierte fachkundig und ihren Bedürfnissen entsprechend beraten und auf eventuell noch vorhandene Schwachstellen oder Stolperstricke hinweisen zu können, braucht es Fachwissen, das erworben werden will, so man sich auf dieses Segment einlassen will. Dass diese Sensoren so anspruchsvoll sind, ist genau der Grund, warum sie auch ein Fachhandelsprodukt sein könnten. Wer sonst könnte diese Beratung leisten, jenseits von spezialisierten Trainingszentren? Davon, wohin sich der Bereich der Sensoren noch entwickeln könnte, hat Dan Lorang eine genaue Vorstellung.
»Ich denke, dass es in Zukunft so laufen wird, dass die Daten in eine Datenbank eingespeist und dann von einer künstlichen Intelligenz darauf geprüft werden, ob sie valide sind und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind«, prophezeit er. Der Coach freut sich über den Fortschritt dank der Vielzahl an vergleichsweise unkompliziert sammelbaren Daten durch die Sensoren: »Man kann das ruhig toll finden«, sagt er, »so lange man auch die Limitierungen sieht.« //

21. August 2023 von Carola Felchner
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