Markt - Preisentwicklung
Die Preise sinken – hurra?
Den Stein ins Rollen brachte insbesondere der Marktführer Cube. In der inzwischen abgeschlossenen Orderrunde wurde den Händlern offenbart, dass nächstes Jahr die Endverbraucherpreise sinken werden, mitunter sogar deutlich. Die Rede ist von Senkungen je nach Segment zwischen 3 bis 10 Prozent. Der Cube-Handel, soweit uns das Feedback erreicht hat, reagierte zufrieden bis euphorisiert: In der Wahrnehmung der Händler bekommen sie nächste Saison ein wettbewerbsfähiges Produkt, das bei Leistung, Design und nicht zuletzt Preis den Rest der Fahrradbranche unter Druck setzen kann.
Der Druck ist echt, denn nicht nur Cube hat inzwischen die Preise gesenkt. Verschiedene Hersteller haben entweder nachgezogen oder ihrerseits unabhängig die Preisgestaltung nach unten angepasst oder stabilisiert. Auch das gehört zum Bild: Das Preisniveau ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Vielleicht sogar bis zu einem Punkt, an dem trotz Leasingmöglichkeiten die Gefahr besteht, dass das Kaufinteresse abgeschwächt wird oder sogar erlischt. Diesbezüglich besorgte Kommentare gibt es seit Längerem. Doch nun reagiert der Markt.
Viele Marken üben preisliche Zurückhaltung. »Die verschiedenen Preissteigerungen während der Corona-Zeit gehören definitiv der Vergangenheit an. Aufgrund der hohen Lagerbestände auf allen Ebenen rechnen wir eher mit einem gleichbleibenden Preisniveau und zum Teil tieferen Preisen, insbesondere bei Durchläufern. Flyer hält seine Preise mehrheitlich stabil«, erklärt etwa der Schweizer Hersteller, der damit den Ton für viele trifft.
Tobias Hempelmann, VDZ-Vorstand und erfahrener Fahrradhändler, ist der Ansicht, dass die aktuelle Preissenkung »der Branche nicht guttut«. Sie erfolge ohne Not und entwerte die Ware, die noch im Lager vorhanden ist. Allerdings ist auch ihm wie allen anderen klar, dass die Bestandsware durch wenige Tage nach Erscheinen dieses Magazins erfolgende Produktvorstellungen ohnehin an Wert verlieren wird. Allerdings verschärfen Preissenkungen das Problem mit der »Altware« noch weiter.
Der Kontrast zwischen Cube und manchen anderen Marken zeigt besonders deutlich, wo das Problem liegt. In der Tendenz haben Cube-Händler vielerorts eher gut abverkauft und sitzen seltener auf übervollen Lagern. Sie bekommen schon bald, teilweise noch in diesem Herbst, frische 2025er-Ware, die mit neuen Komponenten bestückt ist, zu einem Preis, der unter dem liegt, was für aktuelle 2024er-Ware aufgerufen wird. Auf der anderen Seite stehen Händler, die zur gleichen Zeit immer noch mit 2022er-Ware beliefert werden, von der sie nicht so recht wissen, was sie mit ihr machen sollen. Diese stehen vor der Herausforderung, diese neue Altware möglichst schnell abzuverkaufen. Angesichts der absehbaren Preisentwicklung haben sie hohen Druck. Die meisten Händler in dieser Situation dürften froh sein, unbeschadet aus dieser Lage wieder herauszukommen. Es wird eine spannende Beobachtung werden, ob in diesem Herbst eine neue Rabattrundenschlacht losbricht oder die Wertverluste letztendlich doch nicht so hoch ausfallen. Ein wichtiger Faktor bei der Beantwortung dieser Frage wird sein, wie hoch der Innovationsgrad bei den 2025er-Modellen dann tatsächlich ist. Je größer der Leistungssprung, desto Rabatt.
UVPs sind nicht nur »unverbindlich«
Ein Extremfall (und nicht direkt vergleichbar) waren die Preissenkungen, die Specialized im Frühjahr durchführte. Aktuelle und begehrliche Modelle wurden mit um 50 Prozent gesenktem Endverkaufspreis in den Markt geschoben. Händler, die die gleiche Ware regulär vorgeordert und diese noch nicht lange zuvor bekommen hatten, waren wenig erfreut.
Es wird erwartet, dass die Preise für Fahrräder in der nächsten Saison spürbar sinken werden.
Immerhin hört man inzwischen, dass diese Händler mit einer großzügigen Nachvergütung versöhnt wurden. Ob diese (in veränderter Form bis in den Spätsommer laufende) Aktion dem Marken-Image geschadet hat und wie gut sich die Bikes der US-Marke später wieder zu regulären Preisen verkaufen lassen, wird die nähere Zukunft zeigen.
Ein anderer Händler, der zu diesem Thema nicht namentlich genannt werden will, bemerkt in diesem Zusammenhang, dass »der UVP ein Qualitätsmerkmal ist. Da sollte man nicht so oft rangehen, weil es die Ware abwertet, auch die Altware.« Was nichts kostet, ist auch nichts wert, lautet die Wahrnehmung in vielen Köpfen. Wenn nun also Preise auf breiter Front sinken, kommen womöglich Endverbraucher auf die Idee, dass dieses Fahrradding insgesamt weniger toll ist, als es mal war.
Zudem stellt er schlicht fest, dass er mit niedrigeren Preisen automatisch weniger Umsatz generieren kann. Das sei nicht gerade hilfreich etwa angesichts steigender Mietpreise, die womöglich auch noch an die Inflation gekoppelt sind. Das Argument, dass man durch höhere Konkurrenzfähigkeit mehr Räder verkaufen könnte, lässt er nicht gelten. »Dann müsste ich unterstellen, dass der durchschnittliche Konsument in der Lage ist, das Preis-Leistungs-Verhältnis zu bewerten und er diesen Punkt auf seiner Customer Journey mit einbezieht. Diese Konsumenten wird es sicher geben. Aber ich schätze, dass nicht mehr als 20 Prozent unserer Kunden das bewerten können. Der Großteil kauft Cube, weil die Marke im Straßenbild so sichtbar ist und Vertrauen besteht durch die vielen Kontaktpunkte im eigenen Umfeld.« Das sage nichts über Preis-Leistung aus. Die meisten würden heute Cube auch ohne diese Eigenschaft kaufen. »Lass es 40 Prozent der Kunden sein, die nach Preis-Leistung einkaufen. Die Händler haben die Marke nach vorne gebracht, weil sie gesehen haben, dass sie mit diesem Produkt so konkurrenzfähig sind, dass sie alle ausstechen können.«
Dass dieses Bild vom Preis-Leistungs-Sieger nicht so verbreitet ist, wie man in der Branchen-Bubble glauben mag, belegt er mit einer Anekdote. Wenn im Bekanntenkreis jemand nach einem neuen Bike fragt, werde oft hinterhergeschoben: »Aber es muss jetzt kein Cube sein«.
»Der UVP ist ein Qualitätsmerkmal. Da sollte man nicht so oft rangehen, weil es die Ware abwertet.«
Seit jeher lautet die Frage für Händler und Händlerinnen, wie sich eine Marke im direkten Vergleich mit den anderen im Ladengeschäft schlägt und wie sie einander ergänzen, wo die Kaufargumente für die Kundschaft liegen. Wenn eine Marke nicht mit den anderen Marken mithalten kann oder aus beliebigen anderen Gründen weniger attraktiv geworden ist, steht die von ihr belegte Verkaufsfläche im Laden zur Disposition. Beim konkreten Beispiel Cube gehen Händler in einigen Fällen von einem Preisabstand von 25 bis 40 Prozent zu verschiedenen Wettbewerbern aus. Das macht die Argumentation im Verkaufsgespräch für diese Marken ausgesprochen diffizil. Cube werde damit sogar den Direktvertreibern ordentlich einheizen, wird vermutet. Selbst mit diesen könne man preislich mithalten und hat das große Händlernetzwerk noch obendrauf zu bieten.
Cube selbst wird nicht unterstellt, mit der Preissenkung das Ziel zu verfolgen, andere Marken »aus dem Markt zu drängen«, wie es ein Händler formuliert. Eher wird im Vordergrund gestanden haben, die eigene Vorordertätigkeit des Handels anzukurbeln. Natürlich verfolgen die anderen Hersteller die Entwicklung trotzdem mit größer Aufmerksamkeit. »Die haben alle die Hosen voll«, formuliert es ein Marktteilnehmer. Wenn diese anderen Marken über ihre Wettbewerbsfähigkeit nachdenken, könnten sie womöglich auch über neue Effizienzmaßnahmen nachdenken. Was das im Detail bedeuten kann, wird die Zukunft zeigen. Bei der Anzahl der Mitarbeiter verglichen zu den produzierten Stückzahlen unterscheidet sich Cube von den meisten anderen Wettbewerbern. Allerdings wird gleichzeitig die Vormontagequalität eher selten gelobt.
Sollte das neue Sortiment tatsächlich so gut werden, wie es auf dem Papier der Fall zu sein scheint, setzt es diejenigen Marktteilnehmer noch weiter unter Druck, die ohnehin zu kämpfen haben.
Die aktuelle Preisdiskussion in Verbindung mit immer noch vorhandenen Überbeständen bringt neue Dynamik und auch Dramatik in manchen Betrieb. Cube hat mit dem neuen Preisgefüge vermutlich trotzdem nicht den Rest der Branche überrundet. Ob die eigenen Ziele bei der Vororder erreicht wurden, weiß nur das Unternehmen selbst. Wahrscheinlich hat selbst der Marktführer kein Patentrezept für übervolle Warenlager. In jedem Fall ist eine komplexe Situation entstanden, in der verschiedenste Faktoren zusammenwirken. So eine einzigartige Konstellation hervorzubringen – das schafft nur die Fahrradbranche. //
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