Portrait - SKS
Die Schutz-Marke aus Sundern
Es ist ein Traditionsprodukt aus dem Sauerland, das viele Kunden in Kontakt zum örtlichen Fachhändler bringt. Das ist ganz wörtlich zu verstehen, denn überall im Lande können Verbraucher darauf zählen, dass Fahrradgeschäfte vor ihrem Schaufenster eine Stehpumpe angebracht haben, die in der Not für Luft sorgt. Hier legen die Radler Hand an – und treten oft auch über die Schwelle ins Ladenlokal.
Die Kölner Bikestation hat das im vergangenen Jahr mal ausgerechnet und auf Facebook verbreitet: Etwa 15.000 Kunden hätten innerhalb der ersten vier Jahre seit Geschäftseröffnung in Köln-Sülz ihre Räder mit der Stehpumpe gefüllt, die draußen auf der Zülpicher Straße angebracht ist. Dazu gab es ein Bild, auf dem die Pumpe, der berühmte Rennkompressor, in unverkennbarem Orange zu sehen war.
Der Rennkompressor, jene seit 1966 gefertigte Stehpumpe mit hölzernem Griff, ist das bekannteste Produkt der Firma SKS – genauer: der SKS metaplast Scheffer-Klute GmbH. Die Firma ist Teil einer größeren Gruppe, der Karl Scheffer-Klute GmbH & Co. KG. Das Unternehmen sitzt in Sundern, einer kleinen Stadt im idyllischen Sauerland, geprägt von einer starken Industrietradition. Wer sich der 1921 gegründeten Firma nähert, bekommt das organische Wachstum des deutschen Mittelstands auf unprätentiöse Weise vor Augen geführt. Die Firmengruppe mit knapp 105 Millionen Euro Umsatz (2016) ist um die örtliche Schützenhalle gewachsen, es gibt verwinkelte Hallen und die Brüche vieler Bauabschnitte der zurückliegenden Jahrzehnte. »Es dauert schon eine Weile, bis man hier alle Wege kennt«, sagt Sarah Schlinkmann, die das Marketing für SKS verantwortet.
SKS hat im Fahrradmarkt einen besonderen Klang – und trägt mehr als 55 Millionen Euro zum Gesamtumsatz der Gruppe bei. Natürlich ist der Rennkompressor das bekannteste Produkt. »Beim Umsatz sind Pumpen für uns auch weiterhin wichtig – aber zum Glück haben wir mit dem Radschutz ein Segment, in dem wir kräftig wachsen«, erklärt Schlinkmann.
Wer SKS in Sundern besucht, schreitet in einen hellen Verwaltungstrakt, dahinter liegen Räume in moderner Besprechungsarchitektur – und ein Showroom im Unternehmensdesign, der in der ursprünglichen Produktionshalle des Unternehmens die Vielfalt der SKS-Produkte vor Augen führt: Pumpen aller Größen, Taschen, Schmiermittel und eine ganze Bandbreite an Schutzblechen. Wobei das alte Wort hier aus dem Sprachgebrauch getilgt wurde. »Es ist ja kein Blech – es ist ein hochwertiges Produkt«, sagt Sarah Schlinkmann. Zudem sind die meisten Bestandteile aus Kunststoff. »Wir haben eine ganze Weile gebraucht, aber inzwischen wissen die Leute, was mit dem Namen Radschutz gemeint ist.«
Diese Episode zeigt, welche Herausforderung dieses Unternehmen hat: Ja, die Produkte von SKS schützen, sie sind bewährt und verlässlich. Aber das allein wird dem Unternehmen nicht genügen, um im globalen Wettkampf zu bestehen. Gerade im Kampf um die Aufmerksamkeit der amazonisierten Kundschaft braucht die Firma eigene Akzente, eine Marke, die über den Nutzwert des Produkts hinaus in Erinnerung bleibt. Daran arbeitet man hier – und so wird aus einem traditionellen Fertigungsbetrieb immer mehr auch eine Marke, die eigene Entwicklungsleistung in den Vordergrund stellen möchte. Man baut halt nicht nur Pumpen. Man kreiert neue Lösungen. Ja, es dauert nicht lange, bis Christoph Kohnen, Produktmanager im Hause, die Digitalisierung erwähnt. »Das Internet of Things ist für uns ein riesiges Thema – hier arbeiten wir schon an intelligenten Lösungen.« Etwa bei der Digitalisierung von Pumpen, um den idealen Reifendruck zu halten – oder bei der Integration von smarter Technik am E-Bike. Da tut sich eine Menge – doch noch präsentiert man das nicht der Öffentlichkeit. Denn natürlich steht auch SKS im Wettbewerb und will seine Produkte mit orchestrierten Marketing-Launches auf den dynamischen Markt bringen.
Ein weiter Weg
Es ist ein weiter Weg, den dieses Unternehmen zurückgelegt hat: 1921 gründete Karl Scheffer-Klute in Sundern das Unternehmen als Hersteller von Gardinenstangen. Ab 1932 leitete der Schwiegersohn Wilhelm Blome die Fabrik und übernahm einen örtlichen Luftpumpenhersteller. Die zuerst aus Metall gefertigten Teile fanden in den 50er Jahren reißenden Absatz. Einen besonderen Schritt machte das Unternehmen dann 1956, als es die ersten Kunststoff-Pumpen herstellte – noch dazu in Fließbandarbeit. Bis in die 80er wuchs der Absatz dieser Pumpen gewaltig, die tägliche Produktion erreichte bis zu 50.000 Stück – vor allem für die Erstausrüstung bei Radherstellern. »Es war dann ein guter bis sehr guter Zufall«, sagt Sarah Schlinkmann, dass man in den 80ern den Hersteller Bluemels in England eigentlich wegen seiner Maschinen für die Pumpenherstellung übernahm – und dabei auch Maschinen für den Bau von Schutzblechen mit einkaufte. Das wurde zum großen Geschäft. Je nach Jahr macht der Radschutz für SKS bis zu 50 Prozent des Umsatzes aus. Und SKS wächst vor allem mit der Verbreitung hochwertiger Räder, allen voran E-Bikes. 2,5 Millionen fest montierbare Einheiten für den Radschutz lieferte man im OEM-Geschäft 2017 an Hersteller. Etwa 2.000 verschiedene Spezifikationen fragen die Kunden nach.
Begleitet man Sarah Schlinkmann und Christoph Kohnen durch die Fertigungs- und Logistikhallen, dann ist jederzeit mit einer Ermahnung zu rechnen: Bitte hier nicht fotografieren. Beispielsweise dort, wo die extrudierten Radschützer hergestellt werden. Man will sich nicht in die Karten schauen lassen. Die Konkurrenz würde gern mehr über Fertigungsmethoden und Produkte aus Sundern wissen, glaubt man. Das Erstaunliche ist ja: Trotz aller Globalisierung hält sich SKS am Gründungsstandort. »98 Prozent unserer Produkte sind in Sundern hergestellt«, sagt Christoph Kohnen.
Hier in den Produktionshallen nutzt man die erworbene Expertise nicht nur für Fahrradteile, sondern ist seit vielen Jahren auch für die Automobilindustrie aktiv. Etwa 12 Millionen Kühlwasserteile im Jahr kommen aus den Maschinen. Das erfordert TÜV-Zertifikate und andere Standardisierungen, die wiederum – so heißt es – dem Fahrradsektor zugutekommen.
Es liegt ein starker Geruch von erhitztem Kunststoff in der Luft. Es dröhnt, klappert, zischt. Nebenan montieren 40 Mitarbeiter, überwiegend Frauen, die fertigen Produkte am Fließband für den Versand zu den Großkunden. Eine Halle weiter geht es hochmodern zu: Ein Mitarbeiter speist eine Maschine – und der Kollege »3-D-Biegeroboter« stanzt das Metall in Form.
Verankert im Sauerland
Mehr als 340 der weltweit 650 Mitarbeiter arbeiten am Standort Sundern. Das soll so bleiben, sagt Christoph Kohnen, doch die Sache ist nicht einfach. Gute Azubis für einen Industriebetrieb zu finden, sei heute schwer – dennoch bildet man aktuell 25 aus. Schaut man sich um, so sieht man viele ältere Mitarbeiter. Deren Wissen ist gefragt – zugleich muss SKS vor allem neue Themen vorantreiben, um seinem eigenen Slogan »Ride on!« gerecht zu werden.
»Wir wollen hier in Sundern investieren, damit wir weiter wachsen können«, sagt Christoph Kohnen. Mit Stolz führt er in die Testabteilung, wo man etwa auf einem selbst gebauten Teststand mit Laufband den Spritzwassereffekt bei Radschützern testet. »Wir legen sehr viel Wert auf eigene Teststände – sie liefern uns Belege dafür, dass wir sehr gute Produkte herstellen.« Wer noch nie über die Entwicklung von Spritzschuss nachgedacht hat, kann sich hier auf einen Crashkurs einstellen: So tüfteln Kohnen und Mitarbeiter auch an Schutz für Cross- und Gravelbikes – Kohnen kann einem das hier plastisch zeigen. Der Markt muss allerdings noch ein wenig Geduld haben.
Tradition trifft Automatisierung
Damit das Know-how bei SKS wächst, investiert man in Maschinen und Werkzeuge. Bis zu 150.000 Euro könne solch ein Werkzeug kosten, sagt Kohnen – nach Möglichkeit baut man sie alle im Haus. Es gibt eine Art »Herz« der Produktion, wo sich Mitarbeiter fachmännisch um den Erhalt aller Werkzeuge kümmern, die jemals in der Fabrik genutzt wurden. Sie lagern in hohen Regalen zwischen zwei Produktionshallen. 10 bis 20 Werkzeuge stellt man pro Jahr für Fahrradprodukte her – und 74 Spritzgussmaschinen laufen insgesamt in dem verwinkelten Gelände in Sundern. Manche sehen aus wie aus dem Museum. Andere sind mit Robotertechnik bestückt – etwa die Maschine für die Herstellung der X-Blades, wo die Maschine harte und weiche Plastikteile verbindet. Ganz modern ist auch die neue Produktion des traditionsreichsten Produkts: Der Rennkompressor kommt aus einer »neuen Pumpenstraße«, wie Christoph Kohnen diese Produktionsanlage nennt. Die »Hochzeit«, wie er das Zusammenbringen von Kolbenstange und Griff mit dem Rohr und Fußteil bezeichnet, übernimmt eine Maschine. Ein Monteur muss zum Schluss nur noch eine Überwurfmutter anbringen. Kohnen schaut sich den Rennkompressor an. Ob da noch etwas mit Entwicklung zu optimieren sei? »Da würde ich als Produktentwickler niemals mehr dran gehen«, sagt er.
Gedanken hat er sich gemeinsam mit der Geschäftsführung übrigens nicht nur über neue Produkte gemacht. Kohnen zeigt gern auch die neue Logistikhalle von SKS. Eine hochmoderne Anlage mit automatischer Steuerung und Induktionsschleifen am Boden. Es bildet einen kühlen Kontrast zur organisch gewachsenen Fabrik nebenan.
Gute Pumpen allein werden nicht genügen, damit SKS in Sundern weiter so erfolgreich arbeiten kann. In einem harten Wettbewerb geht es darum, die Marke näher an die Kunden zu bringen. »Schutz und Hilfe« nennt Sarah Schlinkmann das Thema, für das ihr Unternehmen stehen soll. So hat man auch trotz anfänglicher Skepsis eine Produktkategorie in den Markt gebracht, die weniger zur Tradition in Sundern als vielmehr zum Bedürfnis der Kunden nach einfachem Schutz passt: Mit »Lube Your Chain« bietet SKS einen Applikator, der das Auftragen der richtigen Menge von Öl auf die Kette vereinfacht. »Damit scheinen wir ein gutes Thema getroffen zu haben«, sagt Schlinkmann. So soll es weitergehen. SKS will nicht nur der verlässliche Partner für die Industrie sein. So hat man auch 2008 Einstieg in den deutschen, österreichischen und niederländischen Direktvertrieb gewagt, mit zehn eigenen Außendienstlern. Dem traditionsreichen Mittelständler aus Sundern ist viel daran gelegen, künftig als eigene Marke gefragt zu sein.
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