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Andre Gläser
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Meinungen - E-Bike-Regulierung

E-Bike-Boom: Wie viel Regulierung verträgt die Branche?

(velobiz.de Magazin, Ausgabe 1/12) Vom E-Bike-Boom wurden offenbar auch die EU-Bürokraten in Brüssel überrollt. Jetzt wird dort eifrig über neue Verordnungen und Vorschriften gegrübelt, um den Markt in geordnete Bahnen zu lenken. Ob mehr Regulierung tatsächlich sinnvoll ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Andre GläserAlbert Herresthal

PRO: André Gläser - Fahrradsachverständiger

Pedelecs werden wie Fahrräder behandelt. Fahrräder bringt man eigenverantwortlich in den Verkehr und und ihre Benutzung ist nahezu frei von Reglementierungen. Dies wünscht man sich auch für Pedelecs. Eine klare Abtrennung von Kraftfahrzeugen ist notwendig.
Für Fahrräder kreierte man vor ca. 20 Jahren in Deutschland eine »Trethilfe«, den additiven Elektromotor. Die Verbesserung der Akkus machte diese Fahrzeuggattung interessant. Ein neuer Zweiradmarkt entstand.
Den Anbietern ist es inzwischen auch durch die Europäisierung der Gesetzgebung gelungen, die ursprünglich sehr restriktiven Vorschriften aufzuweichen und gleichzeitig ungestraft zu unterlaufen. Viele Pedelecs sind aktuell Kraftfahrzeuge, die illegal als Fahrräder vermarktet werden - auch unbewusst. Die Marktordnung wird dadurch gestört.
Der gemeinsame Markt der EU erfordert gemeinsame Marktregularien. Richtlinien, Gesetze und Normen wurden und werden vereinheitlicht. Für Pedelecs steht dies noch aus. Europäisch geregelt ist, dass Pedelecs von der europäischen Typgenehmigung (2002/24/EG) ausgenommen sind.
Wir müssen das positiv gestalten. Freie Märkte müssen der gesamten Gesellschaft dienen. Die klare Abgrenzung zwischen Fahrrad und Kradfahrzeug fehlt. Dies verleitet zum Missbrauch.
Pedelecs sind weit mehr als Fahrräder. Sie unterliegen nicht nur der StVZO, sondern auch der Maschinen-Richtlinie, Vorschriften zu elektrotechnischer Ausstattung und der CE-Kennzeichnungspflicht. Wildwuchs im Markt gefährdet die Benutzer und trifft letztlich auch die Anbieter.
Erinnern wir uns an die Mofa-Moped-Zeit und blicken nach Asien, wo manche Großstädte diese Fahrzeuge verbieten mussten und man damit rechnen kann, dass die Überproduktionen exportiert werden.
Das Ziel heißt sichere Benutzung und gesicherte Marktentwicklung. Dazu benötigen wir klare Regeln.

CONTRA: Albert Herresthal - Vorstand Verbund Service und Fahrrad e.V.

Die vorläufige Entscheidung aus Brüssel ist richtig: Pedelecs mit Motorunterstützung bis 25 km/h sollen unabhängig von ihrer Motorleistung »Fahrräder« bleiben und keine Typ-Zulassung benötigen. Nun hoffen wir, dass die deutsche Rechtslage entsprechend angepasst wird. Es ist sinnvoll, wenn die bisherige Leistungsbeschränkung auf 250 Watt für Pedelecs bis 25 km/h aufgehoben wird, weil das die Entwicklung von elektrounterstützten Lastenrädern, die wegen des hohen Eigen-
und Zuladungsgewichts mit 500 Watt ja keinesfalls übermotorisiert sind, entbürokratisiert und erleichtert.
Natürlich müssen alle Fahrzeuge entsprechend des Grads ihrer Motorisierung und der Antriebskräfte konstruiert und ausgelegt sein. Das gilt auch heute bereits für alle am Markt befindlichen Fahrzeuge. Das schreibt allein das Produktsicherheitsgesetz vor. Und es funktioniert in der Praxis meistens zufrieden stellend. Allein Gewährleistung und Produkthaftung sorgen dafür, dass die Hersteller in der Regel ihren Job machen.
Für uns gilt das Motto: So viel Regulierung wie nötig und so wenig Bürokratie wie möglich. So lange Regulierungsmaßnahmen der Fahrzeug- bzw. Verkehrssicherheit dienen, können sie sinnvoll sein. Aber die bisherige Beschränkung von Pedelec-Antrieben auf 250 Watt für Räder, die als Fahrräder gelten sollen, hemmt beispielsweise die Entwicklung von elektrounterstützten Transporträdern. Diese Fahrzeuge können ja eine sehr sinnvolle verkehrliche Funktion übernehmen und, besonders in den Städten, zu Entlastungen führen. Wenn sich dieses Segment besser entfaltet, könnte es auch wirtschaftlich für die Branche interessanter werden und neue Marktchancen eröffnen. Und auch in hügeligen oder bergigen Regionen kann ein mit 500 Watt unterstütztes Pedelec eine gute Option für weniger Sportliche und auch für ältere Menschen sein. Denen reichen 25 km/h dann auch bestens.
Die bisherige Rechtslage für Pedelecs mit Antriebsunterstützung über 250 Watt hat dafür gesorgt, dass es zwar die schnellen Pedelecs gibt (weil hier ein sportlicher Markt mit Stückzahlen lockt), Transporträder, die zumeist nur in Kleinstserien produziert werden, sich jedoch nicht entwickeln konnten, weil der bürokratische Aufwand für eine Typ-Zulassung hier bisher nicht rentierte. Das sollte geändert werden. Die Beibehaltung der 25 km/h-Grenze ist aus Verkehrssicherheitsgründen sinnvoll – die 250 Watt Leistungsbeschränkung ist es nicht.

9. Februar 2012 von Jürgen Wetzstein

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