Report - Lastenradförderung
Ein auffälliges Symbol für die Verkehrswende
Peter Altmaier machte 2012 den prominenten Anfang: Als damaliger Bundesumweltminister drehte der CDU-Politiker in Berlin eine medienwirksame Proberunde auf einem sportlichen Bullitt aus dem Pilotprojekt »Ich ersetze ein Auto«. Das Projekt hatte zum Ziel, bundesweit in sieben Städten den Einsatz damals noch ganz neuer E-Cargobikes bei Kurierdiensten zu etablieren und leistete damit wichtige Pionierarbeit.
Seitdem folgten eine Vielzahl weiterer Modellprojekte mit Cargobikes im Wirtschaftsverkehr. Das Thema ist auf der Ebene politischer Verlautbarungen fest etabliert, sei es wie beispielsweise im neuen Aktionsplan Güterverkehr und Logistik sowie dem Klimaschutzaktionsplan 2015 der Bundesregierung oder im grün-schwarzen Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg und dem rot-rot-grünen Koalitionsvertrag in Berlin. Als wichtige Referenz wird dabei oft das Modellprojekt von Hamburger Senat und UPS genannt: Dank Container-Stellplätzen im öffentlichen Straßenraum konnte der Paket-Dienstleister UPS in der Hamburger Innenstadt acht von neun seiner Transporter durch die Kombination von Mikrodepots und Zustellung per Sackkarre und Cargobike ersetzen.
Großes Potenzial
Längst sind solche Vorzeigeprojekte auch Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung. Das Bundesverkehrsministerium stellte im Mai 2015 eine Studie des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zur gewerblichen Nutzung von Fahrrädern vor. In einem diesbezüglichen Pressestatement erklärte Staatssekretärin Dorothee Bär: »Mit den heutigen Lastenrädern können nicht nur Lieferverkehre ausgeführt, sondern auch Pakete und andere Güter transportiert werden. Auch für Dienstleistungsbereiche wie Pflege- oder Handwerksleistungen ist das Fahrrad als Transportmittel geeignet. Das Bundesverkehrsministerium wird deshalb auf Basis der DLR-Studie eine Hilfestellung mit Best-Practice-Beispielen zusammenstellen und interessierten Unternehmen und Kommunen zur Verfügung stellen.«
Auch das Bundesumweltministerium (BMUB) hat die Förderung von Cargobikes angekündigt und dabei den Fokus über den Wirtschaftsverkehr hinaus auf Sharing-Angebote auch für Privatpersonen ausgeweitet. Im Februar 2016 startete der BMUB-Förderwettbewerb »Klimaschutz im Radverkehr«. Er enthielt unter anderem die zwei Unterpunkte »Umschlagsysteme für Logistik (Paketdepots)« und »Etablierung von Lastenrad-Verleihsystemen, die den Transport auf das Fahrrad verlagern«. Im Dezember 2016 wurden die ersten 24 Förderbescheide verschickt. Darunter sind sechs Projekte, die Cargobike-Sharing-Angebote etablieren wollen. In Köln zum Beispiel soll ein Sharing-System mit 50 E-Cargobikes entstehen.
Das bisher größte Sharing-Angebot in Deutschland ging im Sommer 2016 in Konstanz und Norderstedt mit jeweils 24 Cargobikes an den Start. Das Projekt TINK steht für »Transportradinitiative nachhaltiger Kommunen« und wird vom Bundesverkehrsministerium aus Mitteln des Nationalen Radverkehrsplans 2020 gefördert. Eine Begleitforschung soll Kriterien für erfolgreiches Cargobike-Sharing herausarbeiten. Als Zwischenergebnis steht bereits fest: Im urbanen und studentisch geprägten Konstanz wurden die für 2018 angestrebten 2000 registrierten TINK-Nutzer bereits im ersten halben Jahr erreicht.
Erfolgreiche Cargobike-Sharing-Angebote im kleineren Maßstab sind in den letzten Jahren bereits ohne große Förderprogramme auf lokaler Ebene entstanden. Eine Initialzündung war 2013 der Start des ehrenamtlichen Projekts »Kasimir – Dein Lastenrad« in Köln. Das tageweise kostenlos über eine online-Plattform ausleihbare Cargobike Kasimir wurde zum Vorbild für bundesweit mittlerweile über 30 Initiativen, die sich jährlich zum »Forum freie Lastenräder« treffen. In Hannover hat die Initiative „Hannah! Lastenräder für Hannover« bereits über 15 Cargobikes mit und ohne E-Antrieb im Verleih. In immer mehr Städten entdeckt die Kommunalpolitik die Potenziale der freien Lastenräder und unterstützt die Anschaffung neuer Cargobikes oder
die Verleihlogistik.
Kaufprämie fördert Anschaffung
Der ganz große Fisch der Cargobike-Förderung heißt Kaufprämie. Und das aus einem einzigen Grund: 600 Millionen Euro stellt die Bundesregierung seit Mai 2016 für die Kaufprämie für E-Autos zur Verfügung. Ein Steuergeschenk für die Autoindustrie und Autofahrer mit zweifelhafter verkehrs- und umweltpolitischer Wirkung sowie sozialer Schieflage. Der Fahrrad-Blog »It started with a fight« reagierte frühzeitig mit den Forderungen »Keine exklusive E-Auto-Prämie« und »#EfürAlle!« auf die monatelange Diskussion innerhalb der Bundesregierung. Die Fahrradlobby sprang jedoch erst nach dem Kabinettsbeschluss Ende April 2016 auf den Zug auf. Der ADFC kritisierte die Kaufprämie für E-Autos in einer Pressemitteilung als »rückwärtsgewandtes Konzept« und konterte: »4.000 Euro Kaufprämie für E-Lastenräder – das wäre ein innovatives verkehrspolitisches Signal!« In der Folgezeit forderten auch der VSF und der VCD eine Kaufprämie speziell für E-Cargobikes. Die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg fordert Ende Juni in einem Brief an Bundesverkehrsminister Dobrindt: »300.000 E-Lastenfahrräder mit 1.000 Euro pro Rad fördern!«
Diese Fokussierung der Kaufprämien-Diskussion seitens der Fahrradlobby auf elektrisch unterstützte Cargobikes macht auf Bundesebene aus zwei Gründen Sinn. Zum einen ist der relevante politische Bezugsrahmen die Förderung der Elektromobilität. Zum anderen greift bei »normalen« Pedelecs das Argument der mangelnden Marktreife nicht. Und auch die oben erwähnte DLR-Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums empfiehlt in Bezug auf die gewerbliche Nutzung: »Eine Direktförderung als Investitionszuschuss für (elektrische) Lastenräder […] sollte aber grundsätzlich in Betracht gezogen werden, da die derzeit noch hohen Anschaffungskosten für professionell nutzbare Lastenräder eine Marktzugangsbarriere insbesondere für Klein- und Kleinstunternehmen darstellt.«
Kommunale Vorreiter
Eine Kaufprämie für E-Cargobikes gibt es bereits seit April 2016 in München. Sie ist Teil des kommunalen Förderprogramms Elektromobilität. Bis zu 1.000 Euro Kaufprämie gibt es für gewerbliche genutzte E-Cargobikes und bis zu 500 Euro für gewerblich genutzte »normale« Pedelecs. Wer einen Nachweis über die dauerhafte Stilllegung eines Kfz erbringt, erhält beim Kauf eines E-Cargobikes weitere 1.000 Euro als Abwrackprämie. Insgesamt bewilligte die Landeshauptstadt im ersten halben Jahr 86 Kaufprämien für E-Cargobikes. 2017 wurde die Kaufprämie für E-Cargobikes (nicht für »normale« Pedelecs) auf private Nutzer ausgeweitet.
Ende Januar kündigte auch die Stadt Wien eine kommunale Kaufprämie von 25 Prozent für private und gewerbliche Nutzer sowie Cargobikes mit und ohne E-Antrieb an. Ein besonders innovativer Aspekt der ab März geltenden Wiener Kaufprämie ist der Fokus auf Cargobikes, die im Sharing-Angebot im »Grätzel«, Wienerisch für ein Stadtviertel, integriert werden: »So genannte Grätzeltransporträder sollen zu 100 Prozent finanziell unterstützt werden. Wer ein solches Grätzelrad gefördert bekommt, verpflichtet sich, es der Bevölkerung gratis zur Verfügung zu stellen und in eine Buchungsplattform einzutragen.«
Die Förderung von Cargobike-Sharing kompensiert dabei die soziale Schieflage, die jede Kaufprämie für individuelle Käufer hat – auch wenn sich deutlich mehr Haushalte ein subventioniertes Cargobike als ein subventioniertes E-Auto leisten können. Hierzulande verbindet die grüne Bundestagsfraktion bei der Cargobike-Förderung Kaufprämie und Sharing-Angebote. Im Fraktionsbeschluss zur Radverkehrsförderung vom September 2016 heißt es: »Die Anschaffung von E-Lastenrädern, die einer unbestimmten Anzahl von Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung stehen, soll mit 1.000 Euro pro E-Lastenrad unterstützt werden. Unser Ziel ist es, 2.000 Verleihstationen mit insgesamt 10.000 Lastenrädern einzurichten.«
Der Wettstreit um die besten Wege der Cargobike-Förderung ist eröffnet! Die Anzahl der Politikerinnen und Politiker, die sich auf Cargobikes ablichten lassen, wird weiter steigen. Denn Cargobikes sind außer praktischen Fahrzeugen vor allem eines: ein auffälliges Symbol für die Verkehrswende.
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