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1967: Einfach zeigen, was man hat. Die Produkt-Palette als Kaufanreiz fuer den Business-Kunden.
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Report - Werbung in der Fahrradbranche

Eine Prise Abenteuer

Kommunikation fürs Fahrrad, das war jahrelang ein schwieriges Thema, unter anderem wegen hoher Kosten für einen Industriezweig, der lange auf mittlerer Flamme dahinköchelte. Wie sieht das heute aus, nach etwa einem Jahrzehnt E-Bike?

1967: Einfach zeigen, was man hat. Die Produkt-Palette als Kaufanreiz fuer den Business-Kunden.1976: Das Rahmenmaterial Alu war eine kleine Revolution und damit der absolute USP für den ersten deutschen Hersteller. 1984: Feine Technik = edler Stil und sportlicher Minimalismus (gab‘s da schon den Google-Übersetzer?). ca. ab 2000: Eine klare Aussage. Wer unser Produkt nicht hat, hat auch bald sein Fahrrad nicht mehr. ca. 2003: Auf humorige Weise dargestellt, wie einfach das beworbene Produkt es den Radfahrenden macht.Neuer Trend: Fahrradwerbung ohne FahrradNeuer Trend: Fahrradwerbung ohne FahrradAuch zum Helden des Alltags kann man werden: »It‘s you, only faster« Abenteuer und die Lust am Einfachen, Urtuemlichen als Kaufanreiz. Der Motor macht‘s dir moeglich. Steffen Schneider ist Geschäftsführer der Werbeagentur Intention in Bonn.

Zu den Anfängen des Fahrrads war Herstellerwerbung meist etwas ganz anderes. Der Fokus lag auf dem Produkt, und dieses wurde in einem nüchternen, übersichtlichen Bild gezeigt, dazu Herstellername und Adresse, fertig. Seither hat Kommunikation, sei es für Produkt oder Marke, viele Phasen durchlaufen, die in der Fahrradbranche nur zum Teil abgebildet wurden. Von den Sechzigern bis in die Achtziger wurde Werbung fürs Velo klein geschrieben. Mit der Innovation MTB kam deutlich mehr Leben in die Werbebude, neue Zeitschriften entstanden, der Anzeigenmarkt dort florierte zumindest zeitweise.
Aber erst mit dem E-Bike erlebt die Industrie in den letzten Jahren viel mehr Druck zur Kommunikation, das Produkt erschuf mehr Werbebudget in den Kassen von Rad- und Komponentenherstellern.

Mein Haus, meine Jacht, mein E-Bike

Mit Geschichten und Storytelling wird heute Werbeerfolg erzielt, darüber sind sich die Spezialisten einig. Sport- und Lifestyle-übergreifend ist das heute oft die Abenteuerstory, gewürzt mit einer Prise Heldentum, die bei den großen Anzeigenkampagnen fürs Produkt Fahrrad den Ton bestimmt. Da sieht man Räder, die alles können und aushalten und dabei schmutzig sein dürfen. Da gibt es einen spielfilmartigen Image-Film eines Herstellers, in dem zwei echte Kerle auf Gravelbikes aufgrund einer Wette mit nur wenigen Euros in der Tasche und frei von Wechselkleidung quer durchs halbe Land schottern. Werbung darf auch Spaß machen. Ein deutscher Zubehörhersteller wirbt für seine schlüssellose Schlossvariante mit einem sehr gelungenen Video, das einen Schlüsselverschlamper aus den Siebzigern gelungen aufs Korn nimmt. Aber es geht auch anders, das Premium-E-Bike, vor allem für den Alltag, pusht heute den Traum vom Autoersatz. Entsprechend dazu ist Werbung dafür auch oft an der Autowerbung angelehnt, vor allem im Foto. Clean, teuer und imageträchtig kommt diese Kommunikation daher. Das E-Bike ist das neue Statussymbol.

Individualität & Stil, das Fahrrad als Zugabe

Fahrer Berlin wirbt schon seit Bestehen mit dem Faktor Lifestyle. Das funktioniert jetzt noch besser, denn »wir werben heute deutlich mehr mit dem E-Bike als früher, auch für Produkte, die nicht eigens für das E-Bike konzipiert sind«, erklärt Joachim Leffler, Gründer von Fahrer Berlin das Learning der letzten Jahre. »Die Kunden aus dem Bio-Bike-Bereich werden weniger, die E-Biker nehmen zu. Die Käufer von E-Bikes haben im Schnitt mehr Budget für Zubehör zur Verfügung. Dazu kommt, dass der typische E-Biker in den letzten zwei Jahren jünger und hipper geworden ist. Und das passt wiederum gut zu lifestyligen Produkten.« Der wichtigste Kanal dafür ist für Youtube. Hier kann man kurze Image-Filme ebenso sehen wie Erklärvideos, in denen einzelne Produkte vorgestellt und ihre Funktionen präsentiert werden. Geworben wird außerdem auf Instagram und Facebook, auch gelegentlich in Zeitschriften-Advertorials.
Werbung mit Testimonials sieht Leffler skeptisch. Mehr Kundenvertrauen sieht er dagegen in Influencer, die er mit Lifestyle-Produkten ausstattet. »Geld fließt dafür bei uns nicht«, so Leffler. »Bei den E-Bike-Accessoires zählt dagegen weniger der Lifestyle-Faktor des Produkts, sondern dass wir als Erster ein solches Produktsegment auf den Markt gebracht haben. Hier können wir mit Kompetenz und Erfahrung punkten.«


Wie Fahrer Berlin setzen viele Hersteller ihren Fokus auf Social Media. Ein Trend: Ein Fahrrad wird nicht gezeigt.

»Das Feedback ist enorm wichtig!«

Fahrradhersteller Storck hat mit hochpreisigen Rädern in der Vergangenheit stark auf den Image- und Design-Faktor gesetzt. Durch einen Wechsel in der Preis- und Verkaufspolitik 2017 hat man sich auch für den gehobenen Einsteigermarkt geöffnet, und gerade wird das Portfolio im Alltagsbereich erweitert. »Klar, das haptische Erlebnis ist derzeit limitiert, wir nutzen Online vielfältig, um mit den Kunden in Kontakt zu treten«, sagt der neue Storck-Geschäftsführer Dr. Todor Lohwasser. »Das direkte Feedback ist enorm wichtig.« Bei Storck wurde das Marketingteam vergrößert, sowohl für die Pressearbeit als auch für Social Media. »Klassische Bereiche sind immer noch stark, aber mit Social Media funktioniert das jetzt ganz anders. Jetzt macht der Kunde mit seinen Bildern für uns Werbung, der Fan als Content-Creator. Das ist natürlich charmant für uns, da es uns kaum Aufwand kostet. Doch die klassische Anzeige in Fachzeitschriften ist für uns dennoch extrem wichtig«, so Lohwasser. »Da wir im günstigeren Bereich neu eingestiegen sind, kennen uns hier noch zu wenige potenzielle Käufer. Die Zahlen gehen deutlich nach oben. Der Fokus in der Kommunikation liegt übrigens immer stärker auf der Marke und der Emotion dahinter. Sehnsucht, Ausbrechen, Freiheit.« In Sachen Influencer ist man bei Storck eher zurückhaltend, sie werden aber immer mehr für die Produktkommunikation eingesetzt. Die Gegenleistung ist dabei, wie meist üblich, Honorar oder Sponsoring.


Abenteuer und die Lust am Einfachen, Urtümlichen als Kaufanreiz. Der Motor macht‘s dir möglich.


Auch zum Helden des Alltags kann man werden: »It‘s you, only faster«

»Die Kaufentscheidung ist immer eine politische Wahl«

Beim Outdoor-Spezialisten Vaude dominiert die Kommunikation von Nachhaltigkeit. Zusammen mit der Authentizität des Unternehmens sind beide Aspekte heute ganz große Werbefaktoren. Kommuniziert wird auf Facebook, Instagram und Linkedin. »Das ist für uns ganz wichtig«, erklärt Manfred Meindl, Leiter Internationales Marketing und Digital Services. »Social Media ist der Kanal für uns. Auf Linked­in können wir auch ins Erklärende gehen, während wir auf Facebook eher klassisch werben. Die Zielgruppen auf Linkedin vermischen sich. Der Einkäufer eines Sportladens ist eben in der Freizeit ein Sportfan.« Bei Vaude bemerkte man während des Corona-Jahres 2020 eine Verschiebung der Altersstrukturen der Kundschaft. Genauer ist es ein Zugewinn. Die ab 35-jährigen Online-Käufer haben deutlich zugelegt, ebenso griff die Käufergruppe ab 50 im Lockdown immer öfter zur Maus.
Klassische Anzeigen in Zeitschriften? »Das machen wir nur noch in Ausnahmesituationen, es geht immer mehr um Effizienz, das kann dieses Medium nicht bringen. Wenn wir Werbung buchen, passiert das nicht in einer Plattform wie etwa dem Spiegel, sondern dort, wo wir die Zielgruppe genau definieren und ansprechen können. Das klappt nur online.« Und wie sieht es hier mit Testimonials aus? »Bei uns fragen Promis an, doch wir lehnen meist ab, wenn sie uns nicht authentisch genug erscheinen.« Auch mit Influencern arbeitet man deshalb selten zusammen. Ein großes Problem sieht Meindl, wenn er auf die nahe Zukunft der Kommunikation sieht. »Grundsätzlich wird uns immer weniger Zeit gegeben, Dinge zu erklären. Die Kaufentscheidung ist ja immer auch eine politische Wahl, es geht um Werte.«

Effizienz und Showtime

Auch die Cruiser- und Funbike-Schmiede Ruff Cycles setzt vor allem auf Social Media. »Unsere Produkte sind auffällig, das spielt uns stark in die Karten«, sagt Mark Ngauv, Mitgeschäftsführer des jungen Regensburger Unternehmens. Ngauv ist seit den Anfängen in Social Media unterwegs. »Früher haben wir eher Anzeigen geschaltet, das Budget dafür war aber klein. Für große Marken halte ich es immer noch für sehr sinnvoll, Produkte in Print zu präsentieren.

Mich macht so eine Print-Anzeige auch immer zufrieden.

Aber die Effizienz ist bei Social-Media-Anzeigen viel höher. Wir wachsen stark, wir müssen derzeit auch sehen, wie viel Geld wir in die Kommunikation stecken können.« Ruff Cycles ist nach eigener Angabe bei Weitem größter Hersteller im Cruiser-Bereich, doch ist das eine Nische. So wird es für neue Modelle auch einen neuen Markennamen im noch nicht näher benannten Performance-Sektor und im City-Bereich geben. Diese Marke gilt es, fein zu tunen. »So nah an der Ruff-DNA wie möglich«, wie Ngauv betont, »aber auch eigenständig«. Instagram und Facebook sind da die wichtigsten Kommunikationsinstrumente. »Wir schauen uns in der Präsentation viel von anderen Unternehmen ab, vor allem im Fashion-Bereich. Dabei sind ausdrucksstarke Fotos und das Storytelling das Wichtigste. Und man kann genau planen«, schwärmt der Geschäftsführer. »50 Euro bei Facebook investiert bringen 10 bis 20 Probefahrten.« Man schätzt aber auch die »faire Kooperation« mit den Printmedien. »Wir geben gern etwas zurück, wenn wir mit einem Print-Auftritt Erfolg hatten und schalten dann auch mal eine Anzeige.«

»Social Media ist Zeitverschwendung«

Die kleine Reiserad-Manufaktur Velotraum schwört auf »Content-getriebenes Marketing. Für uns ist Authentizität alles«, sagt Gründer und Geschäftsführer Stefan Stiener. »Das Ziel ist es, die Leute anzusprechen, die genau zu unserer Marke passen.« Deshalb gibt es seit Jahren auf der Velotraum-Homepage einen Blog, der über Entwicklungen im Unternehmen und in der Branche informiert und als Forum für Fahrradreise-Fans fungiert. Um die 1000 Zugriffe erfährt die Webseite so täglich. Tatsächlich wird hier rege gelobt und diskutiert, und immer wieder stellen sich neue Velotraum-Follower mit ihren Rädern in der Kundengalerie vor. Nicht einmal zur Erstansprache der potenziellen Kundschaft nutzt Stiener Social Media wie Facebook oder Instagram. »Warum wir keine sozialen Medien machen? Ich sehe das als Zeitverschwendung an. Mir ist wichtig, dass der Leser einen echten Mehrwert von unserem Content hat. Bei uns steht im Fokus, die Marke Velotraum bei allem, wo sie auftritt, genau zu definieren«, so Stiener. »Authentizität und weiche Themen sind uns daher extrem wichtig. Dieser Content spricht manche Leute stark an, andere stößt er ab, und das ist gut so.« Sehr gut passt als Werbemaßnahme der kostenlose Print-Katalog zum Unternehmen. »Der ist so begehrt, dass wir das Konzept in den letzten Jahren wieder weiter ausgebaut haben, im Gegensatz zu anderen Unternehmen, die nur noch Online-Kataloge herausgeben.«

»Riesen-Chancen in diesem Segment«


Steffen Schneider ist Geschäftsführer der Werbeagentur Intention in Bonn. Seit 27 Jahren arbeitet sein Unternehmen für Kunden im Outdoor- und Fahrradbereich, darunter für Größen wie Cube oder Fahrrad XXL und Jack Wolfskin, aber auch für den Radentscheid Bonn.

Velobiz Magazin: Wie hat sich der Werbemarkt fürs Fahrrad/E-Bike in den letzten zehn Jahren verändert?

Als wir anfingen, haben nur wenige Unternehmen im Fahrradsektor mit einer Werbeagentur zusammengearbeitet. Heute ist das anders. Wir sehen, dass sich gerade Riesen-Chancen für dieses Segment öffnen. Allerdings hat sich pandemiebedingt die Kommunikation der Unternehmen nicht wie geplant entwickelt. Die Marketingabteilungen sind 2021 mit anderen Dingen beschäftigt, viele Kommunikationsdienstleistungen wurden auf Eis gelegt.

Wie hat sich die Werbung an sich verändert?

Werbung hatte früher viel mit Penetration zu tun, die der Verbraucher über sich ergehen ließ. Heute muss ich vor allem Geschichten erzählen, muss dazu eine Community aufbauen. Die wichtigsten Kanäle dafür sind Social Media.

Wie werden diesen Kanäle genutzt?

Was die Markenkommunikation angeht, zu wenig. Nur einige starke Marken heben sich ab, es gibt immer noch viel klassische Produktkommunikation, da kann man sich kaum absetzen.
Bei manchen E-Bike-Herstellern geht es ästhetisch in Richtung Auto, hin zu Hochglanz und Statussymbol. Im Sektor Urbane Mobilität und Lifestyle könnte man aber noch viel mehr erreichen. Positive Beispiele wären hier Van Moof oder Rose.

Welche Themen stehen heute im Fokus?

Die Themen Erlebnis und Abenteuer sind, für den Fahrradsektor auch durch das Gravelbike, ein Megatrend. Dabei ist die sportliche Challenge Nebensache, die persönliche Story zählt.

Wie sieht es mit klassischen Magazinanzeigen aus?

Wo ich ein breites, interessiertes Publikum erreiche, kann Print-Werbung auch heute sehr sinnvoll sein. Eine Doppelseite im Spiegel zum Beispiel ist es eher nicht. Denn dem Verbraucher bleibt einfach wenig Zeit für Print, so ergibt sich zu wenig Effizienz.

Was bringen Promi-Testimonials?

Meiner Meinung nach macht Werbung mit Testimonials nur dann Sinn, wenn ich einen sehr bekannten Promi habe. Der Trend geht klar zu Micro-Influencern. Auch Podcaster werden immer wichtiger im Werbegeschäft.

Was raten Sie gegenwärtig Fahrrad- und E-Bike-Herstellern?

Die hohen Verkaufszahlen ermöglichen viele Kontakte am POS. Die gilt es jetzt für die Markenbindung zu nutzen. Zum Beispiel mit Giveaways oder durch Mitgliedschaft in einem Club, Serviceleistungen etc.

10. Mai 2021 von Georg Bleicher

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